Blick auf das Spa der Blauen Lagune in Island.
Rund ein Drittel seines Stroms erzeugt Island aus geothermischer Energie, wie hier im Spa der Blauen Lagune. (Foto: Alan Levine/​Wikimedia Commons)

Schon mehr als ein Jahrhundert lang nutzt Island sowohl die Wasserkraft als auch die Erdwärme nachhaltig. Heute deckt das Land 100 Prozent seines lokalen Strom- und Fernwärmebedarfs aus erneuerbaren Ressourcen.

Das erwies sich als entscheidend für die Umwandlung des armen Inselstaates in eine der fortschrittlichsten Gesellschaften der Welt. Doch wie hat Island das geschafft und wie lohnenswert ist es aus wirtschaftlicher Perspektive?

Welche Unternehmen und Projekte sind entstanden und welche Pläne gibt es für die kommenden Jahre? Und: Was tut Island gegen den Klimawandel?

Wie der Klimawandel am besten bekämpft werden kann, ist nach wie vor umstritten. Dabei sind verschiedene Faktoren in der Diskussion, zum Beispiel die Änderung des Verhaltens und der Einstellung, das Hinterfragen der derzeitigen Praktiken und die Förderung technologischer Innovationen.

Bei der Bewältigung des Klimawandels wird keine einzelne Einrichtung über alle Antworten verfügen und in der Lage sein, die geeigneten Lösungen für alles zu entwickeln.

Kooperation ist von grundlegender Bedeutung, um Ressourcen und Fachwissen zu bündeln und praktische Lösungen hervorzubringen, die einen echten Unterschied bei der Gestaltung einer grüneren Zukunft machen.

Letztes Jahr wurde beispielsweise in Island mit Orca Power Plant die weltweit erste Anlage eröffnet, die CO2 direkt aus der Luft holt. Das CO2 wird dabei abgeschieden und dann in unterirdische Basaltschichten gepumpt, wo es mineralisiert und in weniger als zwei Jahren zu Stein wird.

Orca – nach dem isländischen Wort orka für Energie – kombiniert die innovativen Technologien von zwei Pionierunternehmen, Climeworks und Carbfix.

Diese Art von Technologie wird eine große Rolle bei der Erfassung und Beseitigung von Emissionen spielen, die nicht verhindert werden können.

Mit Geothermie gegen den Klimawandel

Die isländische Regierung hat das Ziel gesetzt, ab 2050 vollständig auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Geplant ist, dieses Ziel auf 2040 vorzuziehen.

Vor diesem Hintergrund wird inzwischen der gesamte Strom mit erneuerbaren Energien erzeugt. Davon entfallen 70 Prozent auf Wasserkraft und die restlichen 30 Prozent auf geothermische Energie.

Im Jahr 2020 stammten 90 Prozent des Primärenergieverbrauchs in Island aus erneuerbaren Energien, was vor allem dem geothermischen Fernwärmesystem des Landes zu verdanken ist.

Die politische Entscheidung, bei der Raumheizung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umzusteigen, wurde während der Ölkrise in den 1970er Jahren getroffen und erforderte erhebliche Investitionen in die Infrastruktur.

Damals wurde die Entscheidung aus Gründen der Energiesicherheit und des wirtschaftlichen Risikos, das mit der Einfuhr fossiler Brennstoffe verbunden ist, getroffen.

Porträtaufnahme von Birta Kristín Helgadóttir.
Foto: Grænvangur

Birta Kristín Helgadóttir

ist Direktorin des Energie­unternehmens Green by Iceland. Die Energie- und Umwelt­ingenieurin hat für Islands Strom­gesellschaft Lands­virkjun und das Ingenieur­büro EFLA an verschiedenen Wind- und Wasser­kraft­projekten gearbeitet. Sie gehört dem Vorstand der Women in Energy Iceland Association an.

Heute verfügt Island sowohl über Hochtemperatur- als auch über Niedertemperatur-Geothermieressourcen und über sechs geothermische Kraftwerke, die Strom erzeugen.

Islands Energiebehörde schätzte für 2018, dass der wirtschaftliche Nutzen des Einsatzes von geothermischer Energie anstelle von Öl für die Raumheizung in Island 3,5 Prozent des isländischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprach.

Die kumulierten CO2-Einsparungen durch die Nutzung erneuerbarer Energien anstelle von Öl in Island werden auf über 433 Millionen Tonnen CO2 geschätzt.

Innovative isländische Unternehmen haben es damit geschafft, das Beste aus den geothermischen Ressourcen zu machen, und bemühen sich um eine verantwortungsvolle Nutzung auf unterschiedliche Weise.

Zu den Unternehmen gehören zum Beispiel das Spa der Blauen Lagune, Kosmetikhersteller, Biotechnologieunternehmen und Firmen, die Aquakultur betreiben.

Zu ihren Dienstleistungen gehören die Fischtrocknung, die Aufzucht von Warmwasser-Flachfischen durch Vermischung von Meerwasser mit geothermischem Wasser, die natürliche Behandlung von Hautkrankheiten, die Algenzucht sowie die Herstellung von grünem Methanol, wobei CO2-Emissionen aus dem Kraftwerk aufgefangen und in Methanol umgewandelt werden.

Know-how für viele andere Staaten

Neben der Entwicklung regionaler Lösungen ist Island bemüht, das erlangte Fachwissen zu teilen. Machbarkeitsstudien und Beratung durch Firmen wie Iceland Geosurvey helfen bei der Feststellung, wo die geothermische Nutzung rentabel sein kann. Durch diesen Know-how-Export kann saubere Energie für größere Bevölkerungsgruppen bereitgestellt werden.

Isländische Unternehmen sind an Geothermieprojekten in über 30 Ländern auf der ganzen Welt beteiligt. Das sind etwa Raumheizungsprojekte in China oder Vorhaben an großen Kraftwerken in Äthiopien.

Darüber hinaus existiert seit 1978 das Geothermie-Ausbildungsprogramm GRÓ GTP für Studierende aus Entwicklungsländern. 718 Stipendiaten haben einen Abschluss erworben und wenden nun ihre Ausbildung in Geothermie-Wissenschaften und -Ingenieurwesen in ihren Heimatländern an, um diesen bei der Nutzung ihres geothermischen Potenzials zu helfen.

So wie in Island die Nutzung von Erdwärme und Wasserkraft für die Energiewende sinnvoll war, werden die lokalen Bedingungen in anderen Ländern bestimmen, welche erneuerbaren Ressourcen dort am effizientesten sind und wie sie am besten genutzt werden können.

Da jedes Land einzigartig ist, wird auch jede Umstellung anders verlaufen. Die isländische Transformation ist daher eher eine besondere Erfolgsgeschichte als ein Modell für alle. Aber sie zeigt auch, dass nicht nur reiche Industrieländer es schaffen können, mit den Kosten und internen Hindernissen für einen grünen Übergang zurechtzukommen.

Möglicherweise ist es einfacher, neue Energielösungen dort einzuführen, wo die Energiesysteme noch nicht vollständig etabliert sind und wo die Betroffenen besser mobilisiert werden können, den Status quo zu ändern.

Ein wirkungsvolles Instrument

Die gute Nachricht ist, dass die Welt noch nie so gut auf den bevorstehenden Wandel vorbereitet war wie heute. Ständig stehen neue und bessere Technologien und Finanzierungsmodelle zur Verfügung. Die Zusammenarbeit und der Austausch von Know-how rund um den Globus werden immer einfacher und schneller.

Die Kombination dieser Faktoren mit den zahlreichen Lektionen, die in der Vergangenheit gelernt wurden, wird sich für die Länder als ein mächtiges Instrument erweisen, um einen nachhaltigeren Weg einzuschlagen.

Nicht zuletzt liegt es auf der Hand, dass Länder auf der ganzen Welt, sowohl reiche als auch arme, eine starke Führung auf allen Ebenen benötigen, um die anstehende Energiewende zu bewältigen. Diese Führungspersönlichkeiten brauchen aussagekräftige Beispiele, um die Menschen zum Handeln zu inspirieren.