Im hüfthohen Wasser stehend schütten zwei Leute einen Damm für eine neue Garnelenzuchtanlage auf.
Ob für die neue Garnelenfarm an der Nordküste von Java auch Mangroven weichen mussten, ist nicht bekannt. (Foto: Stephen Kennedy/​Wikimedia Commons)

Menschen versuchen seit jeher Fische zu züchten. Die Aborigines in Australien haben schon im Jahr 4500 vor Christus in einem Kanal- und Dammsystem Aale für den ganzjährigen Konsum produziert.

Ein Durchbruch gelang dann dem deutschen Naturwissenschaftler Stephan Ludwig Jacobi. Dieser entnahm laichreifen Fischen Eier und Samen, befruchtete die Eier künstlich und brachte sie dann zur Entwicklung. Jacobi veröffentlichte seine Entdeckung im Jahr 1776 in dem Wissenschaftsmagazin Lippische Intelligenzblätter unter dem Titel "Von der künstlichen Erzeugung der Forellen und Lachse".

Trotzdem blieb der Anteil an Zuchtfischen noch für mehr als 200 Jahre weit hinter dem an gefangenen Fischen zurück. Erst in den frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts nahm die Produktion von Fischen, Muscheln und Algen in Aquakulturen Fahrt auf (Grafik unten).

Seither ist sie von unter 20 Millionen Tonnen pro Jahr auf über 110 Millionen Tonnen gewachsen und übertrifft nun die Menge an Fischen und Algen aus der Natur. Den größten Anteil haben Süßwasserfische, gefolgt von Algen.

Aquakulturen leisten heutzutage einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der Weltbevölkerung und zum Schutz vor Überfischung, denn drei Viertel aller Fischereigebiete der Welt sind bereits überfischt oder kurz davor.

Aquakulturen sind geografisch stark konzentriert: Über 90 Prozent aller Fische und Algen werden in Asien gezüchtet. Führend ist hier China gefolgt von Südostasien. Außerhalb Asiens gibt es nur in Norwegen, Chile und Ägypten größere Fischzuchten.

In Asien zeigen sich denn auch die Probleme von Aquakulturen in großem Stil am stärksten. Das offensichtlichste Problem ist die Abholzung von Mangrovenwäldern an den Küsten, um Platz für Garnelenfarmen zu schaffen. Mangroven sind nicht nur Biodiversitäts-Hotspots, sondern auch CO2-Speicher.

Vor allem in den 1980er Jahren fielen in Ländern wie Thailand oder Indonesien große Mangrovenwälder Aquakulturen zum Opfer. Seither ist die Abholzung allerdings stark zurückgegangen.

Fischfutter führt zu Überdüngung

Das nächste Problem ist das Fischfutter. Vor allem fischfressende Fische werden mit Fischmehl und Fischöl gefüttert, produziert aus gefangenen Fischen. Die schlechteste Bilanz haben hier Aale. Sie fressen während ihres Wachstums knapp ihr dreifaches Körpergewicht in Form von Wildfischen. Dieses Verhältnis wird auch als Fifo-Rate (fish-in/fish-out) bezeichnet.

In den letzten 20 Jahren hat sich das Fifo-Verhältnis allerdings deutlich verbessert. Während sich die Menge an gefütterten Zuchtfischen verdreifacht hat, ist der Einsatz von Fischmehl und -öl von 23 Millionen Tonnen auf 16 Millionen Tonnen gefallen. Das liegt nicht zuletzt am Preis: Diese beiden Fischprodukte haben sich deutlich verteuert.

Kurvendiagramm: Aquakulturen nehmen in allen Weltregionen stark zu, wobei 90 Prozent auf Ostasien entfallen.
Marktführer Ostasien: In wenigen Branchen ist eine Weltregion so dominant wie bei Aquakulturen. (Grafik: Our World in Data; Daten: FAO/​Weltbank)

Fischfutter wird daher zunehmend auf pflanzlicher Basis hergestellt. Aber auch das hat Folgen. Mittlerweile werden vier Prozent aller Futtermittel an Fische verfüttert. Bei manchen Futtermitteln wie Soja aus Brasilien und Palmöl aus Indonesien kann das zur Abholzung der Regenwälder beitragen.

In Fischzuchtanlagen werden also riesige Mengen an Nahrungsmitteln ins Wasser gekippt. Was die Zuchtfische nicht vertilgen, gelangt in Seen und küstennahe Gewässer. In manchen Provinzen Chinas stammt ein Fünftel der Nährstoffe im Wasser aus Fischzuchten, hat eine Studie im Wissenschaftsmagazin Nature ausgerechnet.

Das kann nicht zuletzt zu Überdüngung führen. Letzteres erhöht die Gefahr für die sogenannte Algenblüte, eine plötzliche, massenhafte Vermehrung von Algen, die bei der Zersetzung dem Wasser Sauerstoff entziehen. Im schlimmsten Fall kippt ein Gewässer dann um und es entsteht eine tote Zone für alle anderen Lebewesen.

Ein Forscherteam des Leibniz-Zentrums in Bremen hat in Gewässern vor der chinesischen Insel Hainan untersucht, wie viel Stickstoff aus Fischfarmen im Wasser ist. Auf ganz China hochgerechnet, belasten Fischfarmen die Gewässer danach mit 510.000 Tonnen Stickstoff pro Jahr. Das sind drei Prozent des jährlichen Stickstoffeintrags in die Meere weltweit.

Immer noch Antibiotikaresistenzen

Das letzte große Problem entsteht durch den Einsatz von Medikamenten in Fischfarmen. Auch diese gelangen schließlich in natürliche Gewässer und können zu Resistenzen gegen Antibiotika führen.

Der Einsatz von Medikamenten ist allerdings stark zurückgegangen. Lachse in Norwegen werden mittlerweile geimpft, sodass nun 95 Prozent weniger Antibiotika ins Wasser gelangen. Ein anderer Ansatz ist der Wechsel zu weniger krankheitsanfälligen Arten. In Thailand wurden viele Aquakulturen von den "Black Tiger"-Garnelen auf Weißbeingarnelen umgestellt.

Ganz gebannt ist das Problem der Resistenzen aber nicht, wie eine Studie des Leibniz-Instituts in Braunschweig zeigt. Dabei wurden in einer spanischen Fischfarm antibiotikaresistente Bakterien gefunden.

Einer der Autoren, Jörn Petersen, sagte dazu: "Ergebnisse wie das unsrige zur Verbindung von Gesundheitswesen, Tierzucht und mariner Aquakultur machen deutlich, wie eng die Welt heutzutage aus biologischer Sicht vernetzt ist. Der Mensch sollte sich bewusst sein, welchen Fußabdruck er im Anthropozän hinterlässt."

Es gibt allerdings auch zwei Produkte aus Aquakulturen, die keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt haben: Algen und Muscheln wie Austern. Diese nehmen Nährstoffe aus dem Wasser auf und reduzieren so die Überdüngung von Gewässern. Wenn Algen und Muscheln nahe Flussmündungen gezüchtet werden, können sie folglich den negativen Effekten von Fischfarmen an diesen Flüssen teilweise entgegenwirken.

Anzeige