Gero Lücking. (Foto: Amac Garbe)

Immer wieder sonntags: Unsere Herausgeber erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Gero Lücking, Geschäftsführer für Energiewirtschaft beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Lichtblick.

Klimareporter°: Herr Lücking, der Kovorsitzende der Kohlekommission Ronald Pofalla hat einen Kompromissvorschlag zum Kohleausstieg aus der Tasche geholt und damit Kritik von allen Seiten auf sich gezogen. Verstehen Sie die Aufregung?

Gero Lücking: Offensichtlich völlig unabgesprochen hat Herr Pofalla Zahlen, Daten und Fristen in den Raum geworfen. Zumindest für maximale Irritation bei allen Beteiligten hat dieses Vorgehen geführt. Sinn und Zweck einer solchen Aktion erschließen sich nicht. Dass er dann der dem Eklat folgenden Sitzung einfach fernblieb, spricht Bände.

Ein Kompromissvorschlag kann es nicht sein. Das würde ja voraussetzen, man hätte vorher mit allen Beteiligten verhandelt und darüber gesprochen. Dass dies nicht passiert ist und der Vorschlag von einem Großteil der Beteiligten offen abgelehnt wird, zeigt, dass es sich eher um ein einseitiges Vorpreschen handelt.

Positiv ist, dass die parallel laufende Vorbereitung zur Rodung des Hambacher Waldes die Bilder zur abstrakten Diskussion liefert. Das Thema Kohleausstieg ist in aller Munde. Vielen wird jetzt erst klar, dass dieser Raubbau nicht in Australien oder Südafrika stattfindet, sondern im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands.

Die Auseinandersetzung um den Hambacher Forst emotionalisiert die abstrakte Debatte um Jahreszahlen, Klima- und Zwei-Grad-Ziele. Der Protest hat einen neuen Kristallisationspunkt. Es verdeutlicht auch, dass RWE zu keinen Kompromissen bereit ist.

Und beim Anblick der massiven Polizeipräsenz und der sonstigen Ereignisse in diesem Land stellt sich die Frage: Hat die Polizei ihre Einsatzkräfte deutschlandweit falsch eingeteilt? Ist es nötig, im Hambacher Forst eine solche Präsenz zu zeigen, wo an anderen Orten in Deutschland offenbar Polizeikräfte fehlen oder vielleicht dringender gebraucht oder besser eingesetzt wären? Und deutlich wird auch: Die Mehrheit der Deutschen ist für den Kohleausstieg.

Umso tragischer, dass ein Mensch sein Leben verloren hat.

Fehlender Klimaschutz in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude könnte die Steuerzahler in Deutschland Milliarden kosten, hat die Denkfabrik Agora Energiewende errechnet. Wird Klimaschutz nun auch Sache des Bundesfinanzministers?

Die Strafzahlungen sind fester Bestandteil der vertraglichen Regelungen mit der EU. Also kann sich in der Tat Olaf Scholz schon mal mit dem Thema befassen. Aber es ist nicht das Geld des Finanzministers, sondern das Geld der Steuerzahler, also auch unser Geld.

Das zeigt einmal mehr: In Sachen Klimaschutz fehlt es der Regierung an einem ganzheitlichen Konzept. Was will man erreichen, was nicht? Es wird an allen Ecken und Enden rumgeschustert, vorgeprescht, zurückgerudert, aber keine Strategie verfolgt. So werden weitere Hiobsbotschaften auf uns zukommen.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Der Stromanbieterwechsel rückt mit der Diskussion um die Braunkohle, die Kohlekommission und die Ereignisse im Hambacher Forst wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

Die Menschen sind geradezu erschrocken und fassen es nicht, dass solche Tagebaue und die dreckigsten Kraftwerke Europas in Deutschland betrieben werden. Deutschland ist bei der Braunkohleverstromung Weltmeister und liegt damit noch weit vor China. Ein Irrsinn, den RWE zu verantworten hat.

Gleichzeitig versorgt RWE über seine sogenannte Ökostromtochter Innogy Millionen Haushalte mit Strom. Wir haben nachgeschaut: Ganze drei Prozent erneuerbaren Strom hat Innogy in seinem Strommix.

Was liegt vor diesem Hintergrund näher, als Innogy den Rücken zu kehren und mit wenigen Klicks im Internet zu einem echten Ökostromanbieter zu wechseln? Die Verbraucher haben Macht. Mit dem Wechsel fließt das Geld der eigenen Stromrechnung nicht mehr in die Taschen der Klimakiller von RWE und Innogy, sondern zu den Unternehmen, die für die Energiewende stehen. Rote Karte für Innogy per Mausklick.

Fragen: Verena Kern

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