Schaut man auf die Umfragen, scheint die Sache klar. Eine große Mehrheit der Deutschen ist gegen eine CO2-Steuer. Und das selbst dann, wenn die Einnahmen an die Bürger zurückfließen sollen.
In dieser Woche hat die Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer folgende Frage gestellt: "Beim Thema Klimaschutz wird darüber diskutiert, eine sogenannte CO2-Steuer einzuführen, also eine Steuer, die auf den Verbrauch fossiler Brennstoffe wie Benzin, Diesel, Gas oder Heizöl erhoben wird. Dafür sind Entlastungen der Steuerzahler in anderen Bereichen vorgesehen. Finden Sie eine solche CO2-Steuer eher gut oder eher nicht gut?"
Die Ergebnisse sind alles andere als knapp. Fast zwei Drittel der Befragten – nämlich 61 Prozent – bewerteten den Vorschlag als "eher nicht gut". Nur 35 Prozent fanden ihn "eher gut".
Eine Umfrage von Infratest Dimap für den ARD-Deutschlandtrend eine Woche zuvor hatte ein ähnliches Bild ergeben. Hier waren 62 Prozent gegen die Einführung einer CO2-Steuer und bloß 34 Prozent dafür.
Wer sich bislang gegen eine CO2-Steuer ausgesprochen hat, kann diese Zahlen als Bestätigung seiner Ablehnung deuten. Seht her, könnte man argumentieren, die Bürger wollen keinen Klimaschutz, der womöglich richtig ins Geld geht. Und, jaja, Wirtschaftsminister Altmaier hat ganz Recht, vor zusätzlichen Belastungen zu warnen. Oder gar vor einer Rezession, die ausbrechen könnte, falls man diese Sache mit der CO2-Steuer übers Knie bricht.
Allerdings kann man die Umfrage-Ergebnisse auch ganz anders interpretieren. Nämlich, dass die Bürger es der Bundesregierung einfach nicht zutrauen, ein solches Projekt vernünftig zu stemmen.
Die Einführung einer CO2-Steuer wäre ein Kraftakt. Damit das Instrument die erwünschte klimapolitische Lenkungswirkung entfalten kann und zugleich sozial ausgewogen gestaltet ist, müsste ein ganz großes Rad gedreht werden.
Das bizarre Dickicht des bisherigen Abgabensystems bei den unterschiedlichen Energieträgern müsste konsequent gelichtet und neu geordnet werden.
Die umwelt- und klimaschädlichen Subventionen müssten gestrichen werden.
Investitionen in Infrastrukturen, die die bisherige fossile Lebensweise weiter verlängern, müssten gestoppt werden.
Stattdessen müssten alle verfügbaren Mittel in den Aufbau einer klimafreundlichen Infrastruktur gesteckt werden, also Schienennetz, öffentlicher Nahverkehr, Ökolandbau und so weiter.
Den Bürgern müssten Alternativen zur Verfügung gestellt werden – damit es überhaupt möglich ist, von dem, was durch eine CO2-Steuer dann irgendwann teurer wird, umzusteigen auf weniger klimaschädliche Varianten.
Eine Regierung, der es mit der Zukunft nicht ernst ist
Die – ganz sicher nicht vollständige – Liste ist im Übrigen genau das, wozu sich Deutschland mit der Unterschrift unter das Paris-Abkommen verpflichtet hat.
Mehr als drei Jahre ist das jetzt her. Doch kein einziger Vertreter der Bundesregierung hat den Bürgern bislang erklärt, worin diese Verpflichtung besteht, die wir – ja, wir alle – eingegangen sind.
Und erst recht hat niemand aus der Regierung Merkel den Versuch unternommen, die Bürger dafür zu begeistern. Sie einzubinden und mitzunehmen. Und aus den anstehenden Veränderungen hin zu einer klimafreundlichen Gesellschaft ein großartiges Zukunftsprojekt zu machen, bei dem es verdammt viel zu gewinnen gibt.
Dass die große Koalition die Chance liegen lässt, Klimaschutz zu einem positiven Zukunftsthema zu machen, und stattdessen immer nur vor zu hohen Kosten und zu viel Ambitionen warnt, ist fahrlässig.
Verena Kern ist stellvertretende Chefredakteurin des Online-Magazins Klimareporter°.
Kein Wunder, dass die Bürger abwinken. Sie haben in den letzten Jahren immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die Bundesregierung selbst die vielversprechendsten Zukunftsprojekte in den Sand setzt. Etwa die Energiewende, die nur halbherzig umgesetzt und immer weiter verschlimmbessert wird.
Warum sollte irgendjemand annehmen, dass es bei der Einführung einer CO2-Steuer besser laufen würde?
Zuvor müssten die Großkoalitionäre überzeugend und glaubwürdig vermitteln können, dass es ihnen wirklich ernst ist mit den Verpflichtungen des Paris-Abkommens und dem Kampf gegen die Klimakrise.
Aus Sicht der Bürger zeichnet sich diese Ernsthaftigkeit bislang nicht ab, beziehungsweise immer weniger. Mehr als zwei Drittel, nämlich 68 Prozent, erklärten bei derselben Umfrage für das ZDF-Politbarometer, in Deutschland werde zu wenig für den Klimaschutz getan. Vor anderthalb Jahren waren es erst 57 Prozent.
Und bei der Umfrage für den ARD-Deutschlandtrend sagten sogar 81 Prozent, dass sie sehr großen oder großen Handlungsbedarf in Sachen Klimaschutz sehen.