Dass die Kohlekommission ihre entscheidende Phase erreicht hat, sieht man daran, dass nun mit harten Bandagen gekämpft wird. Am Freitag berichtete der Spiegel über einen "Abschlussentwurf" mit konkreten Zahlen – der aber gar nicht mit allen Mitgliedern der Kommission abgestimmt war. Einige zeigten sich entsprechend empört. "Es gibt gar keinen Endbericht, ich weiß nicht, wo die Zahlen herkommen", sagte Antje Grothus von der Initiative "Buirer für Buir" gegenüber Klimareporter°.
Grothus geht davon aus, dass es am kommenden Montag, wenn die Kommission das nächste Mal tagen wird, "heftige Diskussionen" geben wird.
Das Durchstechen eines "Abschlussentwurfs" verwundert schon deshalb, da die Bundesregierung auf Druck der ostdeutschen Minister die Verabschiedung des Endberichts auf Januar verlegen will – was ja zeigt, dass noch viel Diskussionsbedarf besteht. "Ich finde es unglaublich, dass die Ostländer hier so reingrätschen", sagte Grothus.
Mehreren Kommissionsmitgliedern waren die Zahlen ganz fremd. "In der Kommission wurde bisher weder über ein Abschlussdatum, noch darüber geredet, wieviel Megawatt abgeschaltet werden und welche Kraftwerke kurzfristig von Netz gehen", wunderte sich Kai Niebert, der als Chef des Deutschen Naturschutzrings in der Kommission sitzt, am Freitag in Berlin. "Alles, was da nach draußen getragen wird, ist tatsächlich Fantasie."
"Dieser Entwurf liegt den Mitgliedern der Kommission nicht vor", erklärte auch Greenpeace-Geschäftsführer und Kohlekommissionsmitglied Martin Kaiser gegenüber Klimareporter°.
In dem Spiegel-Bericht heißt es, die Kommission plane laut dem Abschlussentwurf, 5.000 Megawatt Kohlekraftwerkskapazität bis 2022 stillzulegen, darunter sechs Braunkohleblöcke im Rheinischen Revier. Das würde bedeuten, dass der Hambacher Forst stehen bliebe. "Es ist selbstverständlich, dass der Hambacher Wald erhalten bleiben muss", erklärte Kaiser. "Alles andere ist nach dem friedlichen Widerstand aus breiten Teilen der Gesellschaft gar nicht vorstellbar."
Bericht: Die Lausitz kommt als Letztes dran
Der Abschlussentwurf sieht laut Spiegel außerdem vor, dass die Mehrzahl der Kohlekraftwerke bis 2030 vom Netz geht, und zwar über ein Ausschreibungsmodell: Je früher ein Betreiber auf ein Kohlekraftwerk verzichtet, desto höher wird die Ausgleichssumme. Erst nach 2030 allerdings seien die Braunkohlekraftwerke in der Lausitz und bei Leipzig an der Reihe, also etwa 16.000 Megawatt.
Letzte Kraftwerke könnten dann als Sicherheitsreserve bis 2038 oder 2039 vorgehalten werden. Beobachter werten den "Abschlussentwurf" eher als einseitigen Vorstoß. Allerdings ist unklar, von welcher Seite.
Im September hatte es schon einmal einen Vorstoß zum Kohleausstieg gegeben, damals aus der Feder von Ronald Pofalla, Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn und einer der vier Kommissionsvorsitzenden. Er war mit einem Papier vorgeprescht, das einen Kohleausstieg vorsieht, der zwischen 2035 und 2038 abgeschlossen sein soll. Das wäre ein Kompromiss zwischen den Umweltverbänden in der Kommission, die einen Kohleausstieg bis 2030 fordern, und den Industrievertretern, die im Grunde noch so lange wie möglich abwarten wollen.
Anfang November hatte die Kohlekommission bereits einen Zwischenbericht vorgelegt. Doch darin ging es erst einmal um Fördermaßnahmen für die heutigen Kohlereviere, noch nicht um den Kohleausstieg an sich.
Laschet: Ausstieg vor 2040, aber mit Klausel
Unterdessen sprach sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) für ein Ausstiegsdatum in den 2030er Jahren aus – allerdings nur zusammen mit einer Klausel, die berücksichtige, ob dann auch die Versorgungssicherheit gegeben und der Ausbau der Netze vorangekommen sei. "Man kann nicht 2018 beschließen, was an welchem Tag in den 30er Jahren erreicht ist."
Antje Grothus fordert nun von der Bundesregierung, zumindest mit einem nachgebesserten Plan zur Annäherung an das Klimaziel für 2020 zur UN-Klimakonferenz zu reisen, die vom 3. bis 14. Dezember in Katowice tagt. "Sonst blamieren wir uns ja endgültig."