Über einem futuristisch aussehenden weißen Auto hängt ein ebensolches Fluggerät von ähnlicher Größe
Mit Flugtaxis wollen Audi und Airbus den Stau auflösen – oder aus Sicht der Kritiker auf den Himmel ausdehnen. (Foto: Matti Blume/​Wikimedia Commons)

Wieder mal Stop-and-go in der Innenstadt. Dauerstau, weil alle gleichzeitig zur Arbeit oder wieder nach Hause wollen. Aber: bald kein Problem mehr. Dann gibt es ja den "City-Airbus" – ein Taxi für die Luft, das sein Ziel auf direktem Weg und ohne rote Ampeln zurücklegt. "Damit können bis zu vier Passagiere sicher, schnell, bei niedrigen Betriebskosten und lokal emissionsfrei mit Geschwindigkeiten von bis zu 120 Kilometern pro Stunde über verstopfte Megastädte transportiert werden", beschreibt Projektleiter Martin Nüsseler von Europas größtem Flugzeugbauer die Vision, die der Airbus für den Stadtverkehr wahr machen soll.

Starten und landen soll das Flugtaxi zum Beispiel an Flughäfen und Bahnhöfen oder auch auf Hochhausdächern. In der ersten Version soll der City-Airbus mit einem Piloten an Bord unterwegs sein, geplant ist aber auch schon eine weitere, die autonom fliegen soll.

Als die frisch ins Amt gekommene Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär (CSU), in einem ihrer ersten Interviews über Flugtaxis sprach, die künftig auch in deutschen Städten fliegen könnten, erntete sie viel Spott. Sie bekam den Spitznamen "Flugtaxi-Ministerin" verpasst. Viele dürften den Begriff dadurch zum ersten Mal gehört haben.

Tatsächlich sind die Taxis der Lüfte keine so ferne Vision mehr. Inzwischen arbeiten weltweit bereits rund 50 Unternehmen an solchen Projekten – mal als Flugtaxi oder fliegendes Auto bezeichnet, mal als Drohne mit Passagieren, Kleinstflugzeug oder "Copter".

Start-up-Unternehmen sind darunter, aber auch die großen Flugzeugkonzerne Airbus und Boeing. Prototypen wurden bereits erfolgreich getestet, und ein chinesischer Hersteller hofft auf die Zulassung von kommerziellen Flügen bereits in diesem Sommer.

Im Prinzip handelt es sich bei einem Flugtaxi um eine große, senkrecht startende Flug-Drohne mit mindestens vier Propellern, die aber nicht nur Kameras oder Pakete transportiert, sondern Menschen. Der Antrieb ist elektrisch, der Strom kommt aus Batterien, die nach dem Flug neu geladen werden müssen oder durch bereits aufgeladene Akkus ersetzt werden. Als Maximaltempo peilen die meisten Hersteller um die 100 Stundenkilometer an, die Reichweiten liegen dann bei 30 bis 50 Kilometern.

Flugtaxi-Hersteller

Rund 50 Hersteller weltweit arbeiten an Flugtaxis, darunter neben Airbus und Boeing auch zwei deutsche Start-ups.

Airbus: Der Flugzeugbauer entwickelt das einsitzige, mit Kippflügeln ausgestattete Flugtaxi "Vahana", benannt nach den Reittieren hinduistischer Gottheiten, sowie den Viersitzer "City-Airbus", der Ende des Jahres zum ersten Flug abheben soll. Die Antriebe baut Siemens. In Singapur testet Airbus derweil die digitale Infrastruktur für den urbanen Luftverkehr.

Boeing: Der US-Konzern arbeitet an einem Hybrid-Helikopter, der senkrecht starten kann, aber dank seiner Tragflächen und eines zusätzlichen Propellers am Heck ein vergleichsweise hohes Reisetempo erreichen kann. Er basiert auf dem Projekt "X-Plane", das die Boeing-Tochter Aurora Flight Sciences für das Pentagon entwickelt hat. Beteiligt ist der Fahrdienst-Anbieter Uber, Nutzer sollen per App Flüge buchen können.

E-Volo: Das Start-up-Unternehmen aus Bruchsal bei Karlsruhe entwickelt den zweisitzigen "Volocopter", der rein elektrisch fliegt und mit 18 fest verbauten Rotoren ausgerüstet ist. Ein Prototyp absolvierte 2017 erste Testflüge in Dubai. Beim Mitinvestor Daimler soll es Überlegungen geben, in die sich entwickelnde Flugtaxi-Produktion einzusteigen. E-Volo prüft die Einrichtung von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, etwa vom New Yorker Flughafen Newark in die City oder über den Bosporus in Istanbul.

Lilium: Das Münchner Start-up Lilium Aviation entwickelt ein Elektroflugzeug für fünf Personen, das 300 Kilometer Reichweite und Spitzentempo 300 erreichen soll – deutlich mehr als die reinen Flugtaxis. Der "Lilium Jet" verfügt über 36 schwenkbare Propeller, die das senkrechte Starten und Landen ermöglichen. Ein zweisitziger Prototyp wurde 2017 bei München erfolgreich getestet. Investoren haben bislang rund 100 Millionen Euro in das Projekt gesteckt.

Das Flugtaxi soll, zumindest in der Endstufe, autonom fliegen können und ist daher mit zahlreichen Sensoren, Kameras und Radar für die Navigation ausgerüstet, um unter anderem Position, Beschleunigung und Hindernisse zu erkennen. Eine Software ersetzt den Piloten.

Für ein bis fünf Personen

China ist, wie könnte es anders sein, ganz vorne mit dabei. Das "Kleinstflugzeug" des chinesischen Drohnen-Herstellers Ehang, ausgelegt allerdings nur für einen Passagier, ist nach Angaben der Firma bereits einsatzreif. Das Modell "Ehang 184" (Foto unten) erinnert an eine Foto-Drohne, wiegt rund 250 Kilogramm und misst vier mal vier Meter.

Ehang-Gründer Hu Huazhi erläutert im Firmenvideo, wie man damit umgeht: Der Passagier wählt nach dem Einsteigen auf dem Display im Flugtaxi einen der Landeplätze als Ziel und tippt nur auf "Take off". Die Software berechnet die Flugroute, die die Drohne dann automatisch abfliegt. Der Antrag für den kommerziellen Einsatz liegt bei den chinesischen Zulassungsbehörden, das Unternehmen hofft, dass es in ein paar Monaten loslegen kann.

Zum Teil deutlich größer sind die Flugtaxis, an denen andere Unternehmen werkeln – es geht um Maschinen für bis zu fünf Passagiere. Neben Airbus und Boeing ist eine ganze Reihe Start-ups dabei, darunter zwei aus Süddeutschland. Zum einen das Unternehmen E-Volo aus Bruchsal bei Karlsruhe, dessen zweisitziger "Volocopter" bereits 2019 in Dubai in den Testbetrieb gehen soll. Zum anderen die Münchner Firma "Lilium Aviation". Diese plant, mit ihrem fünfsitzigen "Leichtflugzeug" ab 2025 am Markt zu sein. "Wir werden die Art und Weise revolutionieren, wie wir uns in und rund um die Metropolen unserer Welt bewegen", sagt Lilium-Gründer Daniel Wiegand selbstbewusst.

Natürlich wollen auch die Granden der Flug-Industrie, Airbus und Boeing, bei dem Geschäft dabei sein, falls es denn tatsächlich eines wird. Airbus arbeitet für den E-Antrieb mit Siemens zusammen, und Boeing hat, um den Einstieg nicht zu verpassen, den US-amerikanischen Drohnen- und Roboter-Flugzeugbauer Aurora übernommen.

Kann das Auto "die Luft erobern"?

Aber auch andere Investoren scheinen sich viel von dem künftigen Flugtaxi-Business zu versprechen. Lilium zum Beispiel konnte im vorigen Jahr in einer zweiten Finanzierungsrunde 90 Millionen US-Dollar einwerben, unter anderem vom chinesischen Internet-Konzern Tencent und dem britischen Investmentfonds Atomico, der einer der größten Europas ist. Bei E-Volo wiederum ist mit Daimler ein Autokonzern eingestiegen. Das erinnert an den Ausspruch des früheren VW-Chefs Matthias Müller: "Das Auto erobert die Luft."

Kann das stimmen? Dass Flugtaxis einen wesentlichen Teil des Stadtverkehrs übernehmen könnten, ist tatsächlich nur schwer vorstellbar – wenn man sich dessen Dimensionen vergegenwärtigt. In einer Großstadt wie Frankfurt am Main gibt es täglich 350.000 Ein- und 90.000 Auspendler, und der Verkehrsverbund der Region, der RMV, transportiert per Tag 2,5 Millionen Passagiere.

Eine Mischung aus Flugdrohne und Hubschrauber steht in einer Ausstellung.
"Ehang 184", die erste elektrische Passagierdrohne, wurde im südchinesischen Guangzhou entwickelt. (Foto: Alex Butterfield/​Wikimedia Commons)

Sollte auch nur ein kleiner Prozentsatz dieser Menschen auf Flugtaxis umsteigen, wäre eine Armada von Drohnen über den Köpfen der Stadtbewohner unterwegs. Selbst wenn das sicher abzuwickeln ist – die Akzeptanz dieser neuen Schallquelle vom Himmel dürfte unter den Bürgern eher gering sein, auch wenn die Hersteller darauf verweisen, dass die neuen Fluggeräte sehr viel leiser seien als Flugzeuge.

Auch die Energie- und Umweltbilanz der Lufttaxis ist umstritten. Der Energieverbrauch eines senkrecht startenden und landenden Fluggeräts ist bei gleichem Gewicht grundsätzlich höher als der eines Autos – eine Sache der Physik.

Allerdings müsse man für den Vergleich in Betracht ziehen, dass ein Flugtaxi Luftlinie fliege und keine Umwege mache, heißt es beim Hersteller Airbus. Im Schnitt seien die Strecken, um von A nach B zu kommen, um 30 Prozent kürzer als im Autoverkehr, mit entsprechender Einsparung. Zudem müsse man, um fair zu vergleichen, die Energiekosten einbeziehen, die für Bau und Wartung der Straßen anfallen.

Auf der anderen Seite muss in die Klimabilanz eingerechnet werden, dass der Strom für die Lufttaxis aus wiederaufladbaren Batterien kommt, die einen großen "CO2-Rucksack" haben. Für die Herstellung der Akkus ist viel Strom nötig.

Nützlich bei weiträumigen Siedlungsstrukturen

Der zuständige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gibt sich offen für die neue Technologie, ohne sich allzu sehr festzulegen. "Auch Flugtaxis können zur Mobilität der Zukunft gehören", sagt er nur. In seinem Haus begrüßt man, dass auch deutsche Unternehmen die Entwicklung der neuen Fluggeräte vorantreiben. In jedem Fall werde die Bundesregierung aber dafür Sorge tragen, "dass beim Betrieb von Lufttaxis hohe Standards für die Sicherheit der Luftfahrt eingehalten werden".

Unabhängige Experten hingegen sehen kaum Perspektiven am Stadthimmel. "Flugtaxis sind keine Lösung für den Stadtverkehr", ist sich der Auto- und Verkehrsfachmann Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg sicher. Der Lärm vom Himmel werde, anders als der Autolärm, nicht von Häusern abgeschirmt. Und auch bei der Sicherheit setzt Dudenhöffer Fragezeichen. "Wenn einmal etwas passiert und ein Flugtaxi stürzt ab, dann sind die Folgen ungleich schwerer als im Straßenverkehr."

Angst vorm Einsteigen?

Viele haben Vorbehalte gegenüber Flugtaxis. Laut einer Studie zur "Zukunft des Reisens", die im März auf der Tourismusmesse ITB in Berlin vorgestellt wurde, wären 73 Prozent "sehr oder zumindest ein wenig besorgt", in die neuen Fluggeräte einzusteigen.

Eine andere Untersuchung im Auftrag der Schweizer Großbank UBS zeigte, dass mehr als die Hälfte einen Mitflug kategorisch ausschließt und nur rund 20 Prozent ihn wagen würden.

Besonders die Deutschen und Franzosen sind skeptisch. Allerdings: Unter der jungen Generation ist die Zustimmung deutlich größer als beim Durchschnitt der Bevölkerung, ebenso bei Bürgern mit höherem Bildungsgrad.

Zurückhaltung auch beim ADAC. "Flugtaxis können für einzelne attraktiv sein, werden aber keinen nennenswerten Beitrag zur Lösung der urbanen Verkehrsprobleme leisten", meint Stefan Gerwens, Verkehrschef bei dem Autoclub. Sie wären dann eher ein Nischen-Transportmittel, etwa für Geschäftsleute, die ohne Stau vom Flughafen zum Termin in die Innenstadt fliegen wollen.

Vielleicht ist das eine sehr eurozentrische Sicht. Der Experte des Verkehrsclubs VCD, Gerd Lottsiepen, hat zwar ebenfalls "große Bedenken wegen der Sicherheits- und Umweltprobleme der Flugtaxis". Er kann sich aber vorstellen, dass sie in anderen Ländern durchaus eine Chance haben, etwa in den USA, wo die Siedlungsstruktur viel weiträumiger ist als in Europa.

Auch bei Airbus erwartet man, dass das erste Pilotprojekt für den City-Airbus "wohl nicht in Deutschland" durchgeführt werden wird, wie ein Sprecher gegenüber Klimareporter° sagte. Die besten Chancen, kommerziell abzuheben, rechnen sich die meisten Flugtaxi-Entwickler in Ländern wie Dubai, Abu Dhabi, USA, Singapur oder der Türkei aus. Das Emirat Dubai, wo Ehang und E-Volo bereits Testflüge absolviert haben, würde am liebsten schon zur Expo 2020, die dort stattfindet, einen ersten Regelbetrieb starten.

 

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