E-Auto an der Ladesäule
Stecker statt Zapfpistole: E-Auto an der Ladesäule. (Foto: Mikesphotos/​Pixabay)

Die Elektromobilität wird unsere Lebensgewohnheiten verändern. Vielleicht so, dass der Feierabendeinkauf im Supermarkt oder die Mittagspause beim Pizza-Pasta-Italiener eine Zusatzfunktion bekommen, nämlich die Batterie des Automobils zu laden. Und beim Tankstopp an der Autobahn muss lediglich eine obligatorische Capuccino-Pause eingeplant werden, weil das Stromsaugen zehn bis 15 Minuten dauert, etwas länger als das Befüllen von Tanks für Benzin und Diesel.

Von solch arkadischen Zuständen bei der Versorgung mit Fahrstrom sind wir noch weit entfernt. Gleichwohl, es tut sich was. Der Energiekonzern Eon hat vor Kurzem mitgeteilt, dass er bis 2020 in Kooperation mit dem dänischen E-Mobilitätsdienstleister Clever 180 "ultraschnelle Ladepunkte" in sieben Ländern – von Norwegen bis Italien – errichten will. Die EU unterstützt das Vorhaben mit zehn Millionen Euro.

EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete hat ebenfalls kürzlich wissen lassen, dass die Kommission das Stromtanken in der EU mit insgesamt 800 Millionen Euro bis 2030 fördern will. Ein paar Tage zuvor hatten die Autokonzerne Volkswagen, BMW, Daimler und Ford gemeldet, dass ihr Joint-Venture Ionity 400 Schnellladestationen entlang der Hauptverkehrsachsen in Europa aufstellen will.

Die Deutsche Telekom denkt darüber nach, die grauen Kabelverteilkästen am Straßenrand zu Ladestationen aufzubohren, und Siemens ist beim Berliner Start-up Ubitricity eingestiegen, das Straßenlaternen mit Steckdosen versehen will, um E-Autos an allen möglichen Stellen im öffentlichen Straßenraum aufladen zu können.

Das ist bei Weitem nicht alles. Die Förder- und Pilotprojekt-Kulisse hat kaum mehr überschaubare Dimensionen angenommen. Die Bundesregierung will zusätzlich zur EU eine Milliarde Euro bereitstellen, ebenfalls bis 2020, dem Jahr, in dem es bei der Elektromobilität den großen Ruck nach vorne geben soll. Dann kommen zahlreiche neue Modelle der deutschen Autobauer auf den Markt. Allein in Berlin sind drei Bundesministerien mit dem Themenfeld betraut. Viel guter Wille ist allenthalben zu erkennen.

Doch was gut gemeint ist, ist noch lange nicht gut gemacht. "Es kommt darauf an, die Ladepunkte klug, also bedarfsgerecht zu entwickeln", sagt Florian Hacker, Mobilitätsexperte beim Öko-Institut. Davon wird maßgeblich abhängen, wie schnell sich Elektromobilität durchsetzen kann und das vielfach beschworene Henne-Ei-Problem gelöst wird. Ladestationen werden nur zögerlich eingerichtet, weil es an E-Autos fehlt. Stromer kommen nicht auf die Straße, weil es bei den Ladestationen klemmt – es ist der altbekannte Teufelskreis.

Aller Anfang ist chaotisch

So beklagt der Professor für Automobilwirtschaft Ferdinand Dudenhöffer, dass der Aufbau der Infrastruktur bislang eher chaotisch verlief. Es gebe derzeit noch nicht einmal ein verlässliches Verzeichnis über öffentliche Ladestationen. Wer die sechs verschiedenen Ladesäulenfinder im Internet konsultiere, erhalte höchst unterschiedliche Ergebnisse.

Das ist das Erbe der Vor- und Frühgeschichte der Stromtankstellen. Bürgermeister wiesen vielerorts ihre Stadtwerke an, Ladesäulen aufzustellen. Gerne auch direkt vor dem Rathaus. Der Bürgermeister stellte sich daneben und ließ sich für die Lokalpresse ablichten, um Zeugnis abzulegen, dass man fortschrittlich ist und die Zeichen der Zeit erkannt hat.

Einer ersten Euphorie folgte die Ernüchterung. Es stellte sich heraus, dass die Säulen kaum genutzt werden. Constantin Alsheimer, Chef des Frankfurter Stadtwerks Mainova, räumte kürzlich in einem Interview ein, dass die Säulen seines Unternehmens zu weniger als zwei Prozent ausgelastet sind.

Anderswo dürfte es ähnlich sein, was angesichts eines Marktanteils der Stromer an den Neuzulassungen von weniger als einem Prozent kein Wunder ist. Viele kommunale Betreiber haben schnell das Interesse an den Stromabgabestellen verloren. Unzulängliche Wartung führt dazu, dass viele nicht zu gebrauchen sind.

Das ist Negativwerbung für die Elektromobilität und führt zu viel Verdruss bei E-Autofahrern. Internetforen sind voll von Beschwerden über defekte und von Verbrennern zugeparkte Ladesäulen und davon, wie schwer es nach wie vor ist, eine öffentliche zugängliche Steckdose fürs Auto zu finden. Dabei existieren hierzulande nach Schätzung der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) schon insgesamt knapp 4.800 Ladesäulen mit fast 11.000 Ladepunkten, davon 530 Schnellladesäulen.

Und wohin soll das alles führen? Das weiß niemand ganz genau. "Wir müssen ausprobieren und uns langsam vortasten", sagt Öko-Instituts-Experte Hacker. Die NPE und der Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) haben ein Szenario mit einem Bedarf von insgesamt 70.000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten entwickelt. Das halten andere Experten für übertrieben. Die Bundesregierung kalkuliert in ihren Papieren mit etwa halb so viel.

Oder ist auch diese Zahl noch zu hoch gegriffen? Der E-Mobilitätspionier Günther Schuh will in diesem Jahr den E-Go auf den Markt bringen. Das ist ein Mini-Pkw für den urbanen Verkehr. Es brauche kein Ladenetz, das der Sprit-Tankstelleninfrastruktur vergleichbar sei, sondern nur eine Notfall-Versorgung im öffentlichen Raum. "Der typische E-Fahrzeugfahrer lädt zu 90 Prozent zuhause", sagt Schuh. Eine ganze Reihe von Studien geht ebenfalls davon aus, dass das Akkumulieren der Energie in den Batterien vornehmlich daheim stattfindet.

Auch das Projekt E-Powered Fleets hat das nachgewiesen – die Nutzung von knapp 500 E-Autos in Firmenflotten wurde zwei Jahre lang unter anderem vom Öko-Institut untersucht. Nach Feierabend würden die Fahrzeuge in der Regel ans Netz gehängt, so Hacker. Bis zum nächsten Morgen ist reichlich Zeit, um die Batterie über die normale Steckdose wieder zu befüllen. Es dauert etwa sechs Stunden, um Strom für 20 Kilowattstunden in den Akku zu pumpen. Damit kommt ein Pkw rund 100 Kilometer weit. Das reicht, um die durchschnittliche tägliche Fahrleistung abzudecken, die bei E-Powered Fleets festgestellt wurde. Denn diese lag deutlich unter 100 Kilometern. Mehr als 90 Prozent der Strecken waren sogar kürzer als 60 Kilometer.

Baurecht vereinfachen!

Dudenhöffer folgert aus der Priorität des heimischen Ladens, dass die Politik vor allem die Regeln im Baurecht zugunsten von Ladestationen etwa in Tiefgaragen vereinfachen muss.

So sieht das auch der BDEW. Die derzeit geltenden Bestimmungen seien nicht eindeutig. So müsse festgelegt werden, dass die Zustimmung von allen Miteigentümern und Mietern entbehrlich sei, wenn in einem Gebäudekomplex Ladestationen installiert werden sollen. Und fürs Laden im Eigenheim müssten die Normen der Bau- und der Garagenverordnungen vereinfacht werden, heißt es in einem Zehn-Punkte-Programm des Verbands.

Dudenhöffer macht indes darauf aufmerksam, dass einfache Ladestationen lediglich ungefähr 500 Euro pro Stück kosten. "Da ist viel möglich. Man muss es nur endlich tun."

Allerdings räumt Hacker ein, dass die Argumentation mit Durchschnittswerten und der relativ geringen Fahrleistung hinkt. Beim Pkw spiele vielfach nicht nur seine reale Nutzung eine Rolle. Enorm wichtig ist auch, was potenziell möglich sein muss. "Das Auto soll alles können", betont der Experte vom Öko-Institut.

E-Mobilität: Wer fördert was?

Mittlerweile gibt es rund um Elektroautos und Ladeinfrastruktur eine kaum noch überschaubare Zahl an Förderprogrammen und Projekten von Bund, Ländern und Kommunen. Informationen zu den einzelnen Maßnahmen sind etwa auf den entsprechenden Internetseiten der Ministerien und Ämter oder unter www.foerderdatenbank.de zu finden.

Einen Überblick über die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten bieten auch die Nationale Plattform Elektromobilität unter der Rubrik "Anwendung" und der Energiedienstleister The Mobility House auf seiner Seite über Förderprogramme.

Mithilfe des Portals www.förderlandschaft.de lassen sich über die jeweilige Postleitzahl zudem zahlreiche Förderinitiativen auf Landes-, Bundes- und Europaebene ermitteln. (mh)

Das heißt, der Stromer der Zukunft wird nicht nur vom Typus E-Go sein. Es wird auch Wagen à la Tesla Model S geben, die den Fahrer in die Lage versetzen, spontan eine Strecke von mehreren hundert Kilometern zu bewältigen. Dazu braucht es nicht nur E-Autos mit großen Batterien. Es bedarf auch öffentlicher Ladestationen, an denen in zehn Minuten oder noch schneller Strom getankt werden kann. Eine zuverlässige Grundversorgung sei psychologisch extrem wichtig, so Hacker.

Das alles würde darauf hinauslaufen, dass zum langsamen Laden zuhause oder auf dem Parkplatz der Firma Schnellladestationen hinzukommen müssen, die an strategisch wichtigen Orten stehen. Kein Wunder also, dass jetzt die Projekte fürs Laden an der Autobahn in Gang kommen. Die Frage ist nur, ob all das reichen wird, um den Autofahrern die Reichweitenangst zu nehmen.

Ein Vergleich: Es gibt in Deutschland um die 14.000 Tankstellen für Benzin und Diesel. NPE und BDEW haben für 2020 einen Bedarf von 7.100 Schnellladesäulen ermittelt. Die beiden Organisationen fordern ein 10.000-Säulen-Programm, das von privaten Unternehmen und der öffentlichen Hand gemeinsam getragen werden soll.

Ein Lösungsvorschlag – der allerdings viele weitere Fragen aufwirft. Eine Schnellladesäule kostet heute mehr als 20.000 Euro. Zum Umsetzen des Programms würden demnach mindestens 200 Millionen Euro benötigt. Woher soll das Geld kommen? Zumal derzeit offen ist, ob und, wenn ja, wann insbesondere die ultraschnellen elektrischen Zapfsäulen lukrativ betrieben werden können.

Mainova-Chef Alsheimer jedenfalls sieht nicht ein, dass Stadtwerke gewissermaßen in Vorleistung treten. Dies würde letztlich bedeuten, dass Stadtwerke-Kunden die Infrastruktur finanzieren, obwohl sie zunächst nur von einem sehr kleinen Teil der Klientel genutzt wird. Michael Ebling, Präsident des Stadtwerkeverbands VKU, hat denn auch mehrfach eine massive Aufstockung der Fördermittel des Bundes gefordert. Hier dürfte es in den nächsten Jahren noch heftige politische Diskussionen geben.

Daneben ist natürlich der Preis der entscheidende Faktor für den ökonomischen Erfolg der Stromtankstellen. Die Autofahrer werden ihre Gewohnheiten ändern müssen. Alles läuft beim Laden auf das Prinzip hinaus: je schneller, des to teurer. Derzeit werden teilweise mehr als 65 Cent pro Kilowattstunde verlangt.

Zudem dürfte der Preis des Ladestroms künftig stark von der Tageszeit abhängen, würde also je nach Produktion und Verbrauch von elektrischer Energie variieren, auch um übermäßige Belastungen des Stromnetzes zu verhindern. Am frühen Abend, wenn die Pendler nach Hause kommen und ihr Auto intuitiv ans Kabel hängen wollen, wäre der Strom beispielsweise sehr teuer. Nachts, wenn künftig viel überschüssiger Windstrom anfällt, würde elektrische Energie dagegen extrem günstig angeboten werden. Das Laden ließe sich dann ganz simpel per Zeitschaltuhr auf diesen Zeitraum verschieben.

Derweil wird allenthalben an Geschäftsmodellen für halb-öffentliches Laden gebastelt. Hacker berichtet, dass sich beim Öko-Institut unter anderem Anfragen von Einzelhändlern häuften. Auch E-Auto-Pionier Schuh sieht Perspektiven für Hotels, Einkaufszentren und Sportstätten.

Wie wäre es, wenn etwa Supermarktbetreiber Sonderangebote der anderen Art machen und billigen Autostrom ab einem Einkaufswert von 50 oder 100 Euro anbieten? Oder die Variante: Beim Italiener könnte es anstelle eines Grappas auf Kosten des Hauses künftig elektrische Energie gratis geben, geladen wird während des Essens.

Dass das keine Fantastereien sind, zeigt die Firma Circle K. Sie will demnächst im E-Auto-Musterland Norwegen ein erstes Schnellrestaurant testen. Die Idee: Der Fahrer füllt seinen Magen etwa mit Burritos, während die Batterie seines Wagens wird mit Strom gefüllt wird. "Das ist ein Trend, der sich verstärken wird", sagte Jacob Schram, Europa-Chef der Circle-K-Mutter Couche Tard, kürzlich dem Finanznachrichtendienst Bloomberg. Die Ladestation von Circle K soll übrigens von dem Joint-Venture Ionity betrieben werden. An Konzepten mangelt es in den großen Konzernen demnach nicht.

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