Äcker, von denen außer Feldfrüchten auch Solarstrom "geerntet" wird, sind ein noch seltener Anblick. Oft sind es auch nur Werbebilder. Die wenigen Projekte für diese "Agri-Photovoltaik" sehen aber erstaunlich vielfältig aus.
So werden Mähdrescher präsentiert, die auf einem Getreidefeld ihre Bahn ziehen, links und rechts eingerahmt von Solarmodulen, die sich in die Sonne drehen können. Bei anderen Projekten glänzen hoch aufgeständerte Module als nahezu geschlossenes Dach. Wieder andere Konzepte begnügen sich damit, den Rand des Ackers mit vertikalen Modulen zu "garnieren". Dort stören sie den Landwirt sicher am wenigsten.
Mit einer besonders auffallenden Variante trat das Unternehmen Agrosolar Europe kürzlich an die Öffentlichkeit. Die 2020 als deutsch-österreichische Kooperation gegründete Firma will die Solarmodule nicht mehr von hoch aufragenden Ständern aus Stahl tragen lassen, sondern dafür künftig Flachs, Holzfasern oder andere Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen nutzen.
Unternehmen will ohne EEG-Förderung auskommen
Diese "Bio"-Ständer sollen sich in einer Art "gewickelter Leichtbauweise" in Höhen von bis zu sechs Meter schrauben, schreibt die Solarfirma. Tatsächlich erinnern die neuen Träger entfernt an Bäume. Davon soll es dieses Jahr Prototypen geben, für 2026 plant Agrosolar die Serienproduktion.
Die gewickelte Konstruktion sei um 90 Prozent leichter als übliche Photovoltaik-Aufständerungen aus Stahl. Anlagen für die "Agri-PV" könnten so mit weniger Maschinen- und Personaleinsatz und weitaus schneller errichtet werden, wirbt Agrosolar Europe.
Die Anlagen könnten, abgesehen von den Solarmodulen, künftig sogar aus den Materialien gefertigt werden, die unter den Anlagen angebaut werden, hebt Markus Haastert hervor. Der Agrosolar-Geschäftsführer hofft damit auch Wertschöpfung wieder nach Deutschland zu holen.
Die Projekte mit den "Bio"-Trägern will die Solarfirma nach eigener Aussage nicht mithilfe einer Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) finanzieren, sondern über Investoren, die an nachhaltigen Energielösungen interessiert sind.
Dabei haben sich mit dem jüngst verabschiedeten Solarpaket der Ampel die Bedingungen für die agrarische Photovoltaik verbessert. Agri-PV ist jetzt im EEG mit anderen Doppelnutzungen – Moor-PV, Floating-PV und Parkplatz-PV – in einem Sondersegment zusammengepackt. Dort gibt es nach erfolgreicher Teilnahme an einer Ausschreibung 9,5 Cent EEG-Förderung pro Kilowattstunde. Das sind im Schnitt drei Cent mehr, als herkömmliche Freiflächen-Photovoltaik in diesem Jahr erhält.
Marktfähigkeit muss noch nachgewiesen werden
Fachleute von der Uni Hohenheim in Stuttgart halten die naturnahe Idee von Agrosolar Europe für interessant. Um sich auf dem Markt behaupten zu können, müsse das Konzept "Bio"-Ständerung am Ende aber auch wettbewerbsfähig sein, was Kosten, Haltbarkeit und Zuverlässigkeit betrifft, meint Agrarökonom Arndt Feuerbacher.
"So eine Agri-PV-Anlage wird für 20 bis 25 Jahre gebaut und muss windfest und stabil verankert sein", betont der Hohenheimer Forscher, der sich auch mit der Frage befasst, wie Agri-Photovoltaik zu Ernährungssicherung und Klimaschutz beitragen kann.
Feuerbacher weist darauf hin, dass Investoren und Betreiber sowie finanzierende Banken sich zunächst dafür interessieren werden, inwieweit die neue Technik ausführlich getestet wurde. Hier lasse sich niemand auf kaum abschätzbare Risiken ein.
Für den Forscher überwiegen aus der Sicht des Umwelt- und Ressourcenschutzes die Vorteile des "Bio"-Trägers. Deswegen hält Feuerbacher auch eine Unterstützung durch die öffentliche Hand gerade bei Erforschung und Entwicklung des Konzepts für angebracht.
Bei Agrosolar Europe wird das auf offene Ohren stoßen. Denn mehr als ein Versprechen ist das Konzept bisher nicht. Für eine Studie, die klären kann, wie nachhaltig die "Bio"-Träger wirklich sind, soll die Firma derzeit mit einem Forschungsinstitut im Gespräch sein – und hofft wohl auch darauf, wie zu hören ist, dass die Studie gefördert wird.
Die Landwirte interessiert vor allem die Schutzwirkung
Untersucht werden sollte dabei nach Expertenmeinung auch, ob das "Bio"-Ständerwerk, weil es mehr Raum als Stahlträger einnimmt, eine stärkere Beschattung verursacht. Das könnte Kulturen im Wuchs zusätzlich ausbremsen.
Einige Nachteile einer aufgeständerten Agri-PV kann auch eine nachhaltige Bauweise nicht außer Kraft setzen. So ist nach Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) die photosynthetisch wirksame Sonneneinstrahlung unter einer Agri-PV-Anlage im Schnitt um 30 Prozent niedriger. Die damit verbundenen Ertragsverluste und höheren Bewirtschaftungskosten können für die Landwirte Grund genug sein, auf Agri-PV zu verzichten.
Den landwirtschaftlichen Mehrwert von Agri-PV erkennen die ISE-Forscher vor allem in verringertem Hitzestress für die Pflanzen, dem Schutz vor Extremwetter, einem geringeren Pflanzenschutz-Bedarf, in höherer Biodiversität oder stabileren Erträgen.
Agrosolar Europe sieht das ähnlich. Für die Landwirte, mit denen man zusammenarbeite, stehe die Schutzwirkung im Vordergrund, nicht die Energiegewinnung, teilt das Unternehmen auf Nachfrage mit. Solche Schutzsysteme würden benötigt, damit Landwirte überhaupt noch Landwirte bleiben können.
Klar ist aber: Auch mit nachhaltiger "Bio"-Ständerung wird Agri-PV in Deutschland auf längere Sicht eine Marktnische bleiben. In diesem Jahr sollen im gesamten Sondersegment 300 Megawatt ausgeschrieben werden. Bis 2029 soll die jährliche Menge dann auf etwas über 2.000 Megawatt steigen.
Das beschlossene Solarpaket deckelt jetzt den gesamten Ausbau von Freiflächen-Photovoltaik bis 2030 auf 80.000 Megawatt. Da ist schon jetzt abzusehen, dass Agri-PV höchstens eine Nische besetzen wird und Solarmodule auf "Bio"-Trägern auch im besten Fall eine Rarität in der Landschaft bleiben.