Das Thema künstliche Intelligenz (KI) und Energieverbrauch hat es in sich. Der Boom bei den KI-Aufwendungen besonders seit der Einführung des Sprachassistenten Chat-GPT Ende 2022 erfordert immer mehr Rechenzentren, um die Prozesse bewältigen zu können – und damit mehr Strom.

Andererseits kann KI eingesetzt werden, um die Umwelt- und Klimabelastung in vielen Bereichen, auch der Energiewirtschaft, zu senken.

Das Öko-Institut plädiert jetzt dafür, die Technikfolgenabschätzung in dem Sektor zu verbessern. Das Ziel: sicherstellen, dass die positiven Aspekte überwiegen und negative Entwicklungen gebremst werden.

 

Intelligente Software-Anwendungen werden schon seit vielen Jahren genutzt. Beispiele sind das Aussortieren von Spam-Mails, die Routenplanung im Navi, Produktempfehlungen auf Basis bisheriger Einkäufe im Internet oder die Zusammenstellung der Lieblings-Playlist aufgrund der Hörgewohnheiten.

Die Fortschritte bei der KI haben sich in den letzten Jahren jedoch stark beschleunigt. Das "Machine Learning" nutzt sehr große Datenmengen und erfordert parallele Rechenprozesse, was den Stromverbrauch der Server stark erhöht. So verbraucht eine Anfrage via Chat-GPT gegenüber einer normalen Google-Suche ein Mehrfaches an Elektrizität, wobei die Angaben dazu differieren.

Beim Öko-Institut heißt es: dreimal so viel. Die Internationale Energieagentur IEA in Paris errechnete sogar einen Faktor zehn.

Halten KI-Funktionen auch in normale Office-Anwendungen wie Text- und Bildbearbeitungsprogramme Einzug, steigt deren Strombedarf laut Öko-Institut erheblich an – und zwar sowohl beim Training als auch im Betrieb der Systeme. Allein das Trainieren von Chat-GPT in der Version 3 habe schätzungsweise 500 Tonnen des Treibhausgases CO2 verursacht, eine einzelne Anfrage im Internet falle mit 4,5 Gramm CO2 ins Gewicht.

KI treibt den Stromverbrauch hoch

Ende 2023 gab es weltweit laut IEA mehr als 8.000 Rechenzentren, die meisten davon in den USA, es folgen Deutschland, Großbritannien und China.

Derzeit liegt deren Verbrauch nach Schätzungen bei zwei bis drei Prozent der weltweiten Elektrizitätsproduktion. Die Agentur erwartet, dass er sich schon bis 2026 von 460 Milliarden auf bis zu 1.050 Milliarden Kilowattstunden erhöhen könnte, ein Zuwachs, der höher liegt als der gesamte Stromverbrauch Deutschlands. Die künstliche Intelligenz würde damit ein Haupttreiber für den Stromverbrauch.

Ob künstliche Intelligenz auf sinnvolle Anwendungen beschränkt wird, entscheidet über ihre Klimawirkung. (Bild: Sebastian Voortman/​Pexels)

Energiemarkt-Fachleute der US-Investment-Bank Goldman Sachs rechnen zum Beispiel für Europa damit, dass der Boom bei der Datenverarbeitung den Strombedarf stärker anwachsen lässt als die Umstellung im Verkehr auf Elektromobilität.

Die IEA nennt den durch KI ausgelösten Boom bei den Rechenzentren eine "Herausforderung für das Stromsystem", und der Energietechnik-Historiker Daniel Yergin vergleicht sie plastisch mit einer "hungrigen Raupe", die einen nimmersatten Energiebedarf habe.

Tatsächlich hält der Ausbau der Netze vielerorts mit der sprunghaften Nachfrage nach Server-Kapazitäten kaum Schritt. Im US-Bundesstaat Virginia, dem weltweiten Hotspot der Branche mit rund 500 dieser Riesenanlagen, wurde deswegen zeitweise bereits ein Ansiedlungsstopp erlassen.

Doch auch in Deutschlands Region Nummer eins für Rechenzentren, dem Großraum Frankfurt am Main mit seinem europäischen Internet-Knoten und inzwischen rund 80 Rechenzentren, könnte das Wachstum an Grenzen stoßen.

Die Branche verbraucht hier schon heute rund 20 Prozent der Elektrizität, und die Nachfrage nach zusätzlichen Kapazitäten ist weiterhin hoch. Branchenvertreter klagen, die Wartezeiten für einen Netzanschluss seien in Deutschland mit bis zu fünf Jahren zu lange.

Dabei haben die Netzbetreiber ohnehin viel zu tun. Denn auch die Energiewende erhöht die Anforderungen ans Netz, etwa durch mehr Wärmepumpen und Ladestationen für E‑Autos.

"Das kann vehement in die falsche Richtung gehen"

Das Öko-Institut betont jedoch auch das positive Potenzial der Nutzung von KI. Sie könne zum Beispiel eingesetzt werden, um die fluktuierende Wind- und Sonnenenergie effizienter zu nutzen.

Auch erlaube sie es, technische Prozesse – wie bei Herstellung, Wartung, Nutzung und Wiederverwertung von Produkten – zu optimieren und damit zur Energie- und Ressourceneinsparung beizutragen sowie die Kreislaufwirtschaft zu fördern.

Ob die positiven Effekte die Nachteile ausgleichen, ist laut dem Institut noch offen. Doch es gibt Ansätze, die Klimabilanz von KI zu bemessen.

Dazu werden drei Ebenen unterschieden. Erstens geht es um die "direkte Effekte", die der Digitaltechnik unmittelbar zugeordnet werden können – etwa die Herstellung und Nutzung der Endgeräte, Datenleitungen und Rechenzentren.

Zweites Thema sind indirekte Effekte, die mit der Nutzung von digitalen Anwendungen oder KI zusammenhängen. Beim Online-Einkauf zum Beispiel geht es um Verpackung und Anlieferung, bei der Optimierung von Produktionsprozessen um den reduzierten Energiebedarf.

Drittens geht es um "systemische Effekte", die die Gesellschaft als Ganzes betreffen, etwa das KI-gestützte veränderte Mobilitätsverhalten durch Carsharing-Angebote oder der so erzeugte Wandel der Arbeitswelt.

 

Der Energieingenieur Jens Gröger vom Öko-Institut mahnt: "Bei der Digitaltechnik und der KI können wir die technische Entwicklung nicht einfach laufen lassen. Das kann vehement in die falsche Richtung gehen." Eine Technikfolgenabschätzung und darauf basierende Regulierung seien unabdingbar.

Fehlentwicklungen sollten frühzeitig erkannt werden, bevor sie unkontrollierbar werden. Aus diesem Grund spricht sich Gröger dafür aus, eine Art Ökobilanz für KI-Anwendungen aufzustellen.

"Bei der Ökobilanz untersuchen wir den gesamten Lebenszyklus eines Produktes, von der Rohstoffgewinnung und Produktion über den Transport und Nutzung bis hin zur Entsorgung. Diese Methodik ist auch auf digitale Anwendungen, wie Software und KI übertragbar", so der Experte. Damit lasse sich dann im zweiten Schritt eine Reduktion des Energieverbrauchs organisieren.

Konkret plädiert der Wissenschaftler dafür, zusammen mit jeder digitalen Dienstleistung eine umweltbezogene Produktinformation auszuliefern, zum Beispiel in Form eines kleinen Datenpakets mit Angaben zum Energie- und Ressourcenverbrauch sowie den CO2-Emissionen.

Der Vorteil: Wer sie nutzt, vor allem, wenn es sich um berichtspflichtige Unternehmen handelt, könne dann den jeweiligen CO2-Fußabdruck und andere Umweltwirkungen bewerten – und entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Ökobilanz ergreifen.