Deutschland und Europa haben, besonders verglichen mit den USA, aber auch China, einen großen Nachholbedarf bei der Nutzung von künstlicher Intelligenz. Die EU-Kommission kündigte dazu im Februar auf einem Gipfel in Paris Unterstützung in Milliardenhöhe für die KI-Branche an.

Wenig wird bisher allerdings darüber nachgedacht, wie der dazu notwendige Ausbau von Rechenzentren ökologisch verträglich umgesetzt werden kann.

 

Die Deutsche Energieagentur (Dena) schlägt nun vor, diese Anlagen hierzulande stärker in Regionen anzusiedeln, in denen viel erneuerbare Energie produziert wird. Derzeit konzentrierten sich die Neuansiedlungen vor allem in Frankfurt am Main und dem Rhein-Main-Gebiet, was das Stromnetz dort stark belastet.

Die Dena, ein bundeseigenes Unternehmen, sieht in Deutschland grundsätzlich attraktive Standortbedingungen für regionale, nationale und internationale Rechenzentren. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur sei ein wichtiger Faktor für das Wirtschaftswachstum. Stichworte: zentrale Lage in Europa, hohe Nachfrage nach Rechenleistung, politische Stabilität, gute Datenschutzstandards.

Hinzu komme die sehr zuverlässige Stromversorgung mit einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien. Im vorigen Jahr lag der Ökostrom-Anteil bundesweit bereits bei 60 Prozent.

Norddeutschland statt Rhein-Main

Die Rechenzentren boomen bereits jetzt. Deutschland ist der führende Standort für diese Anlagen in Europa, und die Branche wächst schnell – und mit ihr der Stromverbrauch.

Laut Dena gibt es über 2.000 Rechenzentren mit einer Anschlussleistung von mehr als 2.700 Megawatt, was drei bis vier Kohlekraftwerken entspricht. Prognosen zufolge könnte der jährliche Strombedarf von aktuell rund 20 Milliarden Kilowattstunden bis 2030 auf 31 Milliarden und bis 2045 auf 80 Milliarden Kilowattstunden steigen, das wäre dann eine Vervierfachung gegenüber heute.

In einem Raum stehen große schwarze Schränke mit Server-Computern, in die jeweils einige Kabel nach immer gleichem Schema eingestöpselt sind.
Künstliche Intelligenz frisst immer mehr Strom. Das hört sich nicht nach einem intelligenten Konzept an. (Bild: Imgix/​Unsplash)

Die Agentur plädiert dafür, den weiteren Ausbau der Rechenzentren gezielt mit dem Aus- und Umbau der Energiesysteme zu verknüpfen, um eine Überlastung der Stromnetze zu verhindern. Bei einer stärker über ganz Deutschland verteilten Ansiedlung, vor allem in Regionen mit hoher Ökostrom-Produktion – also etwa Norddeutschland mit viel Windenergie an Land und auf See – profitiere nicht nur die regionale Wirtschaft in der Fläche. Die neuen Rechenzentren könnten als Großverbraucher auch besser in das Energiesystem eingebunden werden.

Die Dena schlägt vor, dies mit Pufferspeichern und der Nutzung von Abwärme zur Einspeisung in lokale Wärmenetze zu kombinieren. Auch sei es möglich, Flexibilitätsoptionen bei der Elektrizitätsnutzung wahrzunehmen, um die Stromnetze und den Strompreis zu stabilisieren.

Deutschlands Region Nummer eins für Rechenzentren ist der Großraum Frankfurt am Main mit seinem europäischen Internet-Knoten und inzwischen über 80 Rechenzentren. Hier könnte das Wachstum der Branche tatsächlich an Grenzen stoßen. Die Anlagen verbrauchen heute bereits rund 20 Prozent der Elektrizität, und die Nachfrage nach Kapazitäten ist weiterhin hoch. Branchenvertreter klagen, die Wartezeiten für einen Netzanschluss seien in Deutschland mit bis zu fünf Jahren zu lange.

Verdoppelter Stromverbrauch in drei Jahren

Dena-Geschäftsführerin Corinna Enders sagte jetzt bei der Vorlage eines Gutachtens zu dem Thema: "Deutschland braucht eine klare Strategie für den Ausbau digitaler Infrastruktur, um die Entwicklung des Energiesystems mit Sicherheitsfragen und Wirtschaftswachstum zu verbinden." Die nächste Bundesregierung könne hierfür bessere Rahmenbedingungen schaffen.

Die Studie wurde von der Dena gemeinsam mit Projektpartnern erarbeitet, darunter das Borderstep Institut, die Universität Stuttgart und das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe.

Die Agentur betont die ökonomischen Chancen für die Regionen durch die Rechenzentrums-Branche. Dort könnten sich durch Zuzug von Anbietern der IT-Infrastruktur, Unternehmen der Digitalwirtschaft und Forschungsinstituten neue "Cluster" entwickeln. So entstünden durch den Betrieb eines Rechenzentrums im Schnitt zwar nur drei bis neun Arbeitsplätze je Megawatt Stromverbrauch, in nachgelagerten Unternehmen aber zwischen 35 und 140.

Um diese Potenziale zu heben, brauche es eine lokale und regionale Standort- und Ansiedlungspolitik, die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen sowie eine Anbindung an die Strom-, Wärme- und Glasfasernetze.

Wie wichtig eine klimafreundliche Planung des IT-Ausbaus ist, hat voriges Jahr auch eine Analyse des Internationalen Energieagentur IEA in Paris gezeigt. Danach lag der Verbrauch der weltweit rund 8.000 Rechenzentren Ende 2023 bei zwei bis drei Prozent der weltweiten Stromproduktion. Er könnte sich schon bis 2026 drastisch erhöhen, von 460 Milliarden auf bis zu 1.050 Milliarden Kilowattstunden – ein Zuwachs, der den gesamten Stromverbrauch Deutschlands übertrifft.

Fossilstrom oder Atomstrom

Die künstliche Intelligenz würde damit ein Haupttreiber für den Stromverbrauch. Die meisten Rechenzentren stehen in den USA, es folgen Deutschland, Großbritannien und China. Energiemarkt-Fachleute der US-Investment-Bank Goldman Sachs rechnen für Europa damit, dass der Boom bei der Datenverarbeitung den Strombedarf hier stärker anwachsen lässt als die Umstellung im Verkehr auf Elektromobilität.

Dass eine gut verfügbare, günstige und CO2-freie Stromversorgung für die KI-Aufholpläne Europas wichtig ist, zeigte sich übrigens auch auf dem Pariser Gipfel, auf dem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr Konzept vorstellte. Hier ging es konkret um einen neuen europäischen Fonds in Höhe von 20 Milliarden Euro für KI-Gigafabriken und eine Aufstockung der sogenannten Invest‑AI-Initiative um 50 Milliarden Euro.

 

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron warb für eine Ansiedelung neuer Unternehmen der Branche in seinem Land damit, dass es dort viel CO2-freien Atomstrom gebe, um die nötigen Rechenzentren zu betreiben. Macron stellte das als Vorteil gegenüber dem KI-Vorreiter USA heraus, wo Präsident Donald Trump die fossile Energiegewinnung weiter pushen will.

"Hier gibt es keinen Grund zu bohren. Hier heißt es einfach: 'Plug, baby, plug!'", rief er den Gästen auf der Konferenz im Pariser Grand Palais auf Englisch zu. Mit diesem "Einfach einstöpseln" griff er Trumps "Drill, baby, drill"- Slogan zur Ausweitung der Öl- und Gasförderung auf.

Deutschland könnte hier immerhin selbstbewusst mithalten, in dem es darauf hinweist, dass der Strom hierzulande nach den bisherigen Plänen bereits 2030 zu 80 Prozent erneuerbar sein soll und bis 2035 komplett. Und das zu langfristig günstigen Preisen und ohne Hochrisikotechnologien.