Ein aufgeklappter Laptop auf einem Baumstumpf im Wald.
Heute schon aufgeforstet? (Bild: Lukáš Blažek/​Goumbik/​Pixabay)

Klimareporter°: Herr Kroll, Sie haben vor 15 Jahren die grüne Internet-Suchmaschine Ecosia gegründet, die positiv aufs Klima wirken soll. Wie kommt man auf solch eine Idee?

Christian Kroll: Das Internet war schon früh mein Ding. Ich habe als Jugendlicher begonnen, mit Aktien zu handeln. Ich wollte viel Geld verdienen. Ich habe Stunden vor dem Computer verbracht, um unterbewertete Unternehmen aufzuspüren, ziemlich gewissenlos war das.

Im BWL-Studium kamen mir dann schwere Zweifel, ob es richtig ist, dass Unternehmen auf reine Profitmaximierung getrimmt werden. Danach habe ich eineinhalb Jahre in Entwicklungsländern gelebt, in Nepal und in Südamerika. Dort habe ich erfahren, wie ungerecht die Welt ist. Viele Menschen arbeiten hart, haben aber trotzdem Probleme, über die Runden zu kommen.

In Südamerika sah ich, wie groß gleichzeitig der Raubbau an der Natur ist. Dort wurden – und werden – Waldflächen abgeholzt, die so groß sind wie Bundesländer bei uns. Das war ein Aha-Erlebnis für mich: Dagegen muss man etwas unternehmen. Und das war es, was ich mit meinem Leben machen wollte.

Aber wieso dann ausgerechnet eine Suchmaschine gründen?

Ich wollte nicht auf Spenden angewiesen sein, sondern ein sinnvolles Internet-Produkt kreieren, mit dem Geld zu verdienen ist – und den Gewinn dann in den Umweltschutz stecken. Ich habe als Erstes einen Online-Finanzcheck gegründet, der ganz gut lief. Aber ich stellte fest: Das meiste verdiente Geld geht gleich an Google. Die haben nämlich ein sehr cleveres Geschäftsmodell.

Und ich dachte mir: Könnte man nicht dieses Geschäftsmodell nutzen, um den Menschen, der Umwelt und dem Klima zu helfen? Damals, Ende der 2000er Jahre, wurde klar, wie stark sich die Klimakrise zuspitzt und dass etwas dagegen getan werden muss. Daraus entstand die Idee, eine Suchmaschine zu entwickeln, die das Bäumepflanzen unterstützt.

Kein einfacher Job, oder?

Ich war da ziemlich blauäugig. Aber damals ging das noch relativ einfach. Ich musste programmieren lernen, und ich brauchte nicht viel Geld, um das Projekt zu starten. Damals war es relativ leicht möglich, auf die Such-Algorithmen anderer Suchmaschinen aufzusetzen. Die erste Version von Ecosia war auch noch nicht so gut wie die heutige. Es war wirklich ziemlich rudimentär ...

Ecosia ist die Nummer acht unter den Suchmaschinen weltweit, der Marktanteil beträgt freilich nur 0,15 Prozent. In Deutschland ist es etwa ein Prozent. Keine Chance gegen Google und Bing?

Christian Kroll

ist Gründer und Chef der grünen Internet-Such­maschine Ecosia. Auf­gewachsen in Witten­berg, studierte er Betriebs­wirtschaft. 2009 gründete er in Berlin das Non­profit-Unter­nehmen, dessen finanzieller Über­schuss in Solar- und Wind­parks sowie Wald- und Land­wirtschafts­projekte fließt. Ecosia hat rund 100 Beschäftigte.

Es ist schwierig, in einem so stark monopolisierten Markt Anteile zu gewinnen. Google ist ja nicht nur eine Suchmaschine, dazu gehört auch Youtube, Chrome, Android und was weiß ich noch alles. Deswegen kommen die Wettbewerbshüter auch immer mehr auf dieses Thema.

Denn man kann die beste Suchmaschine haben – wenn man keinen Zugang zu den Usern hat, hilft das nicht. Und die Großen im Geschäft tun alles, damit es so bleibt. Google zum Beispiel zahlt Apple viel Geld dafür, um beim I‑Phone die Standardsuchmaschine zu sein. Man hat es als kleiner Anbieter wirklich nicht leicht. Umso wichtiger ist es, dass wir es machen.

Wir sind inzwischen immerhin die größte europäischstämmige Suchmaschine. Mit den 0,15 Prozent Anteil im Weltmarkt konnten wir seit 2009 über 200 Millionen Bäume pflanzen. Wenn alle Suchmaschinen so arbeiten würden wie wir, wäre die Welt beim Klimaschutz schon ein ganzes Stück weiter.

Die EU versucht, die Dominanz von Google und Co zu bremsen, zum Beispiel jetzt durch Umsetzung des Digital Markets Act am 7. März. Welche Chancen hat das?

Ich begrüße es sehr, dass die EU das Problem angeht. Bei den meisten Nutzern wird an dem Tag auf dem Handy, Tablet oder PC ein Fenster aufploppen, in dem rund zwölf verschiedene Suchmaschinen ausgewählt werden können, Ecosia darunter als größtes Non-Profit-Unternehmen.

Ich hoffe natürlich, dass möglichst viele dann umsteigen. Die meisten haben ja Google nie selber ausgewählt, sondern es war voreingestellt. Wir haben eine Umfrage gemacht, sie ergab: Rund 20 Prozent der Nutzer können sich vorstellen, die Suchmaschine zu wechseln. Wenn es so käme, wäre das ein großer Schritt zu einem offeneren Markt ...

Aber?

Die Idee ist gut, sie muss aber auch gut umgesetzt werden. Und da habe ich meine Zweifel. Das Problem ist: Die sechs großen "Gatekeeper", die den Zugang zum Internet ermöglichen, wie Apple, Alphabet und Meta, sind selbst damit beauftragt. Und sie nutzen Tricks, um die freie Wahl von Suchmaschinen doch wieder einzuschränken.

Dagegen konnten Sie nichts unternehmen?

Wir haben von einer Verbraucherschutzorganisation einen Vorschlag entwickeln lassen, wie der Auswahl-Bildschirm aussehen sollte, um echte Auswahl und Transparenz herzustellen. Danach hätte es eine Erklärung zu jeder Suchmaschine geben sollen. Bei uns zum Beispiel: die Suchmaschine, die Bäume pflanzt. Aber das wurde nicht umgesetzt.

Nun kommt es für die Nutzer ja auch darauf an, dass die Suchmaschine gute Ergebnisse liefert. Ist die Suchqualität bei Ecosia denn inzwischen vergleichbar mit der von Google?

In den meisten Fällen ist Ecosia genauso gut. Aber ich gebe zu: Ich selbst google ab und an auch noch.

Warum?

In einigen Fällen, vielleicht fünf Prozent, sind die Ergebnisse derzeit noch besser. Ich nutze Google zum Beispiel, wenn ich technische oder wissenschaftliche Recherchen mache. Es gibt ja kein Tabu, Google zu nutzen. Es geht nicht um einen Boykott von Google, sondern darum, Alternativen mehr Raum zu geben.

Ich persönlich war am Anfang auch begeistert von der Ecosia-Idee, mit einem Klick etwas für Klima und Umwelt zu tun. Dann bin ich aber wieder zur Konkurrenz zurück, weil die Suchergebnisse besser waren.

Wir haben im Laufe der Jahre hart daran gearbeitet, die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern. Ich schätze, heute ist für 95 Prozent der Nutzer ein Unterschied zu Google nicht spürbar.

Ecosia greift im Hintergrund auf Microsoft Bing zurück. Was unterscheidet Ihre Suchmaschine dann von den anderen?

Der größte Teil unseres Such-Algorithmus kommt von Bing, und in einigen Märkten und bei einigen Themen beziehen wir auch Google-Ergebnisse mit ein. Aber wir bauen eigene Technologien hinzu, um die Nutzung zu verbessern und um eine einfache Möglichkeit zu bieten, klimaaktiv zu sein.

Wir haben zum Beispiel das Climate Pledge Rating eingeführt, das in den Suchergebnissen der meistgesuchten Unternehmen auf Ecosia erscheint, darunter Amazon, Meta und Spotify. Das Rating analysiert die offenen Klimaverpflichtungen jedes Unternehmens im Vergleich zu dem vom IPCC festgelegten 1,5-Grad-Ziel.

 

Wir haben zudem über 6.000 grüne Icons für grüne Unternehmen und 1.000 Fabrik-Icons für große Umweltverschmutzer, damit unsere Nutzer informiert bleiben. Und: Bäume pflanzt sonst keiner.

Sie werben damit, sogar CO2-positiv zu sein. Wie soll das gehen?

Das ist möglich, in dem wir 100 Prozent unserer Gewinne in Klimaprojekte fließen lassen.

Eine normale Internet-Suche erzeugt beim aktuellen deutschen Strommix 0,2 Gramm CO2-Ausstoß. Bei uns ist das anders, weil wir 100 Prozent Ökostrom nutzen, der zumeist aus eigenen Wind- und Solaranlagen stammt, die wir in den letzten 15 Jahren haben bauen lassen. Wir produzieren inzwischen sogar mehr Strom, als wir verbrauchen.

Hinzu kommt, dass wir kontinuierlich in Waldschutz- und Aufforstungsprogramme investieren, durch die CO2 aus der Atmosphäre entfernt wird. Unsere Bilanz schätzt: Pro Suche wird ein Kilogramm CO2 absorbiert.

Ecosia arbeitet neuerdings auch mit einem KI-Chatbot. Anwendungen der künstlichen Intelligenz sind extrem energieaufwändig. Kein Problem?

Genaue Daten dazu sind auch für uns schwer zu bekommen, die Entwickler wie Open AI halten sich da bedeckt. Wir würden es begrüßen, wenn die Big Tech den Energieverbrauch transparenter darstellen würden, damit wir unsere Investitionen in erneuerbare Energien genau anpassen können. Aber wir schätzen, dass das bisher weniger als fünf Prozent unseres Energieverbrauchs ausmacht. Es ist ein Thema, aber noch kein Gamechanger.

Auch andere Suchmaschinen-Anbieter werben damit, mit Ökostrom zu arbeiten, Google zum Beispiel ...

Richtig, den Hauptunterschied dazu machen unsere Wald- und Landwirtschafts-Projekte aus, die wir in rund 30 Ländern vor allem im globalen Süden durchführen, von Madagaskar über die Sahel-Zone und Brasilien bis Indonesien. Hinzu kommen Öffentlichkeitskampagnen wie etwa der "Berliner Baumentscheid", den wir mitinitiiert haben.

Bäume zu pflanzen kann ein wichtiges Mittel sein, um CO2 wieder aus der Atmosphäre zu entfernen. Es gibt aber auch, gerade in jüngster Zeit, Kritik an der Umsetzung von Projekten. Wie stellen Sie denn sicher, dass das CO2 auch dauerhaft gebunden bleibt?

Wir legen viel Wert auf die Nachhaltigkeit unserer Projekte. Wir haben eine eigene Abteilung, die dafür zuständig ist, die mit verschiedenen Baumpflanz-Organisationen zusammenarbeitet und deren Qualität laufend prüft.

Wir tracken die Forstflächen, unter anderem per Satellit. Dabei wird dokumentiert, ob und wie stark die Biomasse zugelegt hat. Wir betreiben einen "Baumzähler", in dem der Zustand der Bäume genau dokumentiert wird. Und wenn ein Baum abstirbt, fliegt er raus.

Ich stehe dazu: Wenn das Baumpflanzen richtig gemacht wird, ist es immer noch ein der effektivsten Möglichkeiten, um die Klimakrise zu lösen.

Viele Unternehmen versuchen, sich "grün" oder "klimaneutral" darzustellen. Oftmals fliegt das aber als "Greenwashing" auf. Wie kann man sicher sein, dass es bei Ecosia anders ist?

Manche Firmen streichen sich dann ein wenig grün an, weil es in der Öffentlichkeit gut ankommt oder die Mitarbeiter auf ein gutes Image drängen. Der Unterschied bei uns ist: Wir haben uns rechtlich – und irreversibel – verpflichtet, 100 Prozent unserer Gewinne in Klimaprojekte zu investieren.

Diese Gemeinwohlorientierung macht inzwischen Schule, es gibt inzwischen rund 100 Unternehmen, die ähnlich arbeiten und sich zusammengeschlossen haben. Bei fast allen anderen Unternehmen weltweit geht es darum, den Shareholder-Value zu maximieren.

Wir veröffentlichen auch monatliche Finanzberichte, damit die Nutzer wissen, wofür wir Geld ausgeben, und machen "Tree Updates" auf Youtube.

Die EU will gegen das Greenwashing vorgehen.

Gut so. Doch es kommt auf die Umsetzung an. Es muss auch mit Strafen belegt sein, wenn Unternehmen Falschaussagen treffen, um sich als besonders öko und sozial dazustellen. Sonst nützt es nichts.

 

Nochmal zurück zu Ecosia. Sie bezeichnen sich als "Social Business". Was haben die rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Berlin davon?

Wir bieten freie Zeiteinteilung, Homeoffice, wir haben eine Tischtennisplatte im Büro, mittwochs gibts ein kostenloses Mittagessen aus regionalen Produkten und freitags nachmittags Freibier. Wir zahlen normale Gehälter, bei unseren Online-Stellenausschreibungen geben wir auch offen die Gehaltsspannen an.

Aber darum geht es gar nicht. Die meisten Leute arbeiten hier, weil das Unternehmen eine positive Mission hat und nicht auf Gewinnmaximierung für die Besitzer oder Aktionäre aus ist. Das ist "sozial".

Herr Kroll, Sie haben Ihre Anteile am Unternehmen in eine Stiftung gegeben und zahlen sich nur ein Geschäftsführergehalt. Sagen Sie uns, wie viel Geld Sie im Monat bekommen?

Ich sage es Ihnen hier nicht. Aber sie können es gerne bei uns im Internet nachschauen.