Eingerüsteter kleiner einstöckiger Betonhaus-Rohbau.
Der "Cube" ist das erste komplette Modellhaus aus vorgefertigten Carbonbeton-Elementen. (Foto: Stefan Gröschel/​IMB/​TU Dresden)

Beton – es kommt darauf an, was man daraus macht. Frank Schladitz interpretiert diesen über drei Jahrzehnte alten Slogan aus der Bauindustrie ganz neu.

Der Dresdner Bauingenieur will den weltweit meistgenutzten Baustoff, ohne den es weder Hochhäuser noch Autobahnbrücken oder große Tunnel gäbe, viel haltbarer und klimafreundlicher machen, als er heute ist. "Beton ist ein geniales Baumaterial, aber er kann noch viel besser werden", sagt er.

Der Baustoff Beton stellt, anders als viele denken, ein sehr altes Material dar. Schon die Phönizier vermischten vor 3.000 Jahren Mörtel mit vulkanischem Gestein, um ein formbares, nach dem Aushärten druckfestes Material zu gewinnen.

Seinen weltweiten Siegeszug begann der Baustoff um 1900, als der Franzose Joseph Monier den Stahlbeton erfand. Erst durch die Verstärkung mit Stahl in Form von Stäben oder Matten ("Moniereisen") kann Beton hohe Zugkräfte aufnehmen, und die vielfältigen Nutzungen, die man heute kennt, wurden möglich.

Doch der Siegeszug hat eben auch große Nachteile. Neben ästhetischen Fragen einer "betonierten Welt" geht es vor allem um zwei Probleme: Haltbarkeit und Umweltwirkung.

Erstens ist die Lebensdauer von Betonbauten begrenzt. Meist müssen sie schon nach 40 bis 80 Jahren wegen der Korrosion der Stahlbewehrung abgerissen und ersetzt werden – teuer und lästig, wie Autofahrer von den vielen sanierungsbedürftigen Autobahnbrücken wissen.

Zweitens ist Beton ein echter Klimakiller. Allein die Herstellung des Bindemittels Zements verursacht weltweit pro Jahr rund 2,8 Milliarden Tonnen CO2. Das sind knapp acht Prozent der globalen Emissionen, mehr als Flugverkehr und Rechenzentren zusammen ausstoßen. Auch die Herstellung des Stahls ist mit hoher Klimabelastung verbunden.

Hinzu kommt, dass der zweite Hauptrohstoff des Betons, Sand, wegen des weltweiten Baubooms knapp wird.

Deutschlands größtes Bauforschungsprojekt

Schladitz sagt: "Carbonbeton kann einen wesentlichen Beitrag liefern, um diese Probleme zu entschärfen." Bei dieser Betonalternative ersetzt man den Festigkeit gebenden Stahl durch Stäbe oder Matten aus Kohlenstoff-Fasern, auch Carbonfasern genannt, wie sie heute bereits im Rennsport, in der Luftfahrt oder für Windrad-Rotoren benutzt werden.

Carbonfasern sind nicht nur bedeutend leichter als Stahl und trotzdem fester, sie korrodieren auch nicht. Dadurch können viele Bauteile aus Beton schlanker gefertigt werden, und ihre Haltbarkeit ist deutlich erhöht, auf bis zu 200 Jahre, so die Schätzung.

Diese Vorteile führen zu einer deutlich besseren Ökobilanz des Baustoffs. Es werden bereits in der Produktion weniger Ressourcen verbraucht, und der CO2-Fußabdruck wird kleiner – vor allem auch durch die Langlebigkeit.

"Wir haben mit unserer Entwicklung nicht bei null angefangen, aber Carbon kann den Durchbruch bringen", sagt Schladitz, der Forschungsgruppenleiter am Institut für Massivbau der TU Dresden und Chef von Deutschlands größtem Bauforschungsprojekt "C3" (Carbon Concrete Composite) ist. Letzteres wird vom Bundesforschungsministerium finanziert.

Tatsächlich versuchen Experten das Problem der Korrosion beim Stahlbeton schon seit rund 20 Jahren zu lösen, indem sie mit anderen Materialien zur Stabilisierung experimentieren – mit Glasfasern zum Beispiel.

Doch keine Stahlalternative funktioniert so gut wie Carbonfaser-verstärkter Kunststoff, an dessen Einsatz Schladitz bereits seit 2007 arbeitet. Damals begann er mit seiner Doktorarbeit zu dem Thema.

Inzwischen ist Carbonbeton aus der Entwicklungs- und Testphase längst heraus. In diesem Jahr wird in Sachsen die erste Straßenbrücke komplett daraus gefertigt, nachdem das Material 2020 in Frankfurt am Main zur raumsparenden Stabilisierung einer 50 Jahre alten Autobahnbrücke eingesetzt wurde.

Ausgangsmaterial Erdöl

Auch Fertigteilgaragen, Vorhangelemente für Fassaden und Sandwich-Wände aus dem neuen Material werden bereits angeboten.

Das erste Modellhaus komplett aus vorgefertigten Carbonbeton-Elementen inklusive Dach entsteht derzeit auf dem Gelände der TU Dresden und nennt sich "Cube". Die Wände mit integrierter, vom BASF-Konzern entwickelter Hightech-Wärmedämmung sind nur 24 Zentimeter dick, wo sonst heute 40 Zentimeter nötig sind, um die Energievorschriften einzuhalten.

Carbonfasern werden bisher fast zu 100 Prozent aus Erdöl hergestellt. Ausgangsmaterial kann aber auch Pflanzenmaterial, etwa Lignin, ein Reststoff aus der Papierherstellung, und, zumindest theoretisch, auch CO2 aus der Luft sein.

Ein Problem ist derzeit noch der Preis. Carbon kostet 15-mal so viel wie Stahl. Schladitz: "Das relativiert sich aber, weil man viel weniger Carbonmaterial braucht, um die gleiche Tragfähigkeit und Zugfestigkeit zu erreichen."

Der Experte schätzt, dass schon heute 20 Prozent des Weltmarkts ohne Zusatzkosten mit dem neuen Baustoff abgedeckt werden könnten. "Aber es könnte noch viel mehr werden."

Carbonbeton-Rohbau von innen.
Carbonbeton-Wände mit integrierter Wärmedämmung können viel dünner sein, das spart Zement. (Foto: Stefan Gröschel/​IMB/​TU Dresden)

Großen Wert legt Schladitz übrigens auf eine gute Wiederverwertbarkeit des neuen Baustoffs. "Mir war von Anfang an klar: Wenn das Recycling nicht klappt, hat es gar keinen Sinn, Carbonbeton einzuführen – auch wenn Bauwerke aus dem Material erst viel später als herkömmliche abgerissen werden dürften."

Tatsächlich habe sich in entsprechenden Tests gezeigt, dass das Trennen von Beton und Carbon ähnlich gut funktioniert wie beim Stahlbeton. "Wir erreichen einen Reinheitsgrad von 97 bis 98 Prozent."

Ganz gelöst ist das Problem damit aber noch nicht. Die Carbonfasern werden bei jedem erneuten Recycling kürzer und sind irgendwann nicht mehr nutzbar.

Fällt Alt-Carbon bisher in anderen Branchen an, wird es daher meist verbrannt. "Hierfür brauchen wir noch bessere Lösungen", sagt Schladitz.

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