Dampfende Kühltürme des Kernkraftwerk Dukovany, in der Dämmerung aus der Ferne aufgenommen.
Eines von zwei tschechischen Atomkraftwerken steht in Dukovany bei Brno (Brünn). Hier laufen vier WWER-440-Blöcke sowjetischer Bauart. (Foto: Petr Pavlíček/​IAEA/​Flickr)

Mehrere Länder in Osteuropa betreiben Atomkraftwerke russischer Bauart, darunter Bulgarien, die Slowakei, Tschechien und Ungarn. Bisher sind sie bei bestimmten Reaktortypen davon abhängig, dass Russland Brennelemente liefert. Trotz des Krieges in der Ukraine gab es daher eine Ausnahmeerlaubnis für entsprechende Transportflüge, etwa in die Slowakei.

Doch nun verringert sich die Abhängigkeit: Zumindest Tschechien will ab 2024 keine russischen Brennelemente mehr nutzen. Dann soll das US-Unternehmen Westinghouse Kernbrennstoff für das dortige AKW Dukovany liefern.

Eine Tochter des russischen Nuklearkonzerns Rosatom, das Unternehmen TWEL, war laut dem tschechischen Energiekonzern ČEZ bisher der einzige Hersteller von Brennelementen für den älteren Reaktortyp WWER-440, der in Dukovany steht.

Für sein zweites AKW Temelín war ČEZ bereits vor zehn Jahren auf Westinghouse als Lieferanten umgestiegen, der eine Produktionsstätte in Schweden betreibt.

Wie stark die Marktmacht Russlands im Bereich Atombrennstoffe aber weiterhin ist, illustriert eine aktuelle Nachricht zur Brennelementefabrik in Lingen im Emsland, die einer Tochter der französische Atomfirma Framatome, Advanced Nuclear Fuels (ANF), gehört.

ANF will dort künftig zusammen mit der Rosatom-Tochter TWEL auch Brennstäbe für russische Meiler älterer Bauart in Osteuropa produzieren. Dazu haben beide Unternehmen ein Joint Venture in Frankreich gegründet.

Bisher produziert Lingen vor allem für AKW in westlichen Ländern. Rosatom besitzt das Monopol für die sechseckigen Brennstäbe, wie sie in den Alt-Reaktoren benötigt werden. Wegen des Ukraine-Kriegs stehen russische Unternehmen und Privatpersonen allerdings auf der Sanktionsliste der EU.

Grüner Minister muss entscheiden

Ein entsprechender Antrag für Lingen liegt dem niedersächsischen Umweltministerium vor, wie die Behörde jetzt bestätigte. Über die Genehmigung des Antrags muss Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) entscheiden. Er kritisiert das Vorhaben.

"Geschäfte mit Putin sollten beendet werden, das gilt auch und gerade für den Atombereich", sagte Meyer gegenüber dem NDR. Sie durch Joint Ventures, direkte oder indirekte Beteiligungen Russlands zu verfestigen, halte er angesichts von Putins brutalem Krieg für fatal.

Meyer betonte, Niedersachsen setze sich gemäß dem rot-grünen Koalitionsvertrag auch für eine Beendigung der Urananlieferungen aus Russland an die Brennelementefabrik in Lingen ein. Wann Meyers Ministerium über den Antrag entscheidet, ist derzeit noch unklar.

Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren das Vorhaben massiv. Udo Buchholz vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) sagte: "In Lingen werden aktuell die Energie-Fehler der Vergangenheit einfach wiederholt, von einer Abhängigkeit zur nächsten."

In einer gemeinsamen Mitteilung von Bündnissen, Initiativen und Verbänden fordert Buchholz "dringend ein politisches Veto aus Hannover und Berlin". Die Atomgegner verweisen darauf, dass ein weiterer Urantransport nach Lingen bevorstehe. Ein russisches Uranschiff war nach ihren Angaben vorige Woche dem Weg nach Rotterdam, von wo aus der Transport per Bahn weitergeht.

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