Einige Windräder in Großaufnahme vor einer kargen Landschaft mit Fluss.
Die Windkraft ist weltweit gesehen auf Erfolgskurs. Liegt das an den Ausschreibungen? (Foto: Nordex)

Die Windenergie ist weltweit auf Erfolgskurs – wobei zugleich immer mehr Länder Ausschreibungen bei der Projektvergabe einsetzen. Anlagen mit mehr als 52.000 Megawatt Nennleistung wurden laut dem internationalen Dachverband Global Wind Energy Council (GWEC) im vergangenen Jahr aufgestellt. Damit stieg das global installierte Volumen auf 539.000 Megawatt. Ausbaurekorde seien in Europa, in Indien und im Offshore-Bereich auf See erzielt worden, teilte der Weltverband in seinem Global Wind Report mit, die Autoren der Analyse erwarten auch über das laufende Jahr hinaus ein rasantes Wachstum. Gute Nachrichten – nicht zuletzt für den Klimaschutz.

Kein Wunder, dass die gute Gesamtlage im Vorfeld des Branchen-Events Global Wind Summit, der im September in Hamburg stattfindet, heiß diskutiert wird. GWEC-Generalsekretär Steve Sawyer wies jüngst auf die großen Potenziale hin, die internationale Märkte für Windenergie weltweit bieten. So gebe es in Südamerika Länder, in denen in den nächsten Jahren mehrere tausend Megawatt an neuen Ausbaukapazitäten zu erwarten seien. Ein ähnliches Bild zeichnete Sawyer für Russland und Saudi-Arabien, die er als "schlafende Giganten" bezeichnete. In Indien rechnet er mit jährlich 6.000 bis 8.000 Megawatt an neuen Wind-Kapazitäten.

Immer mehr Staaten setzen auf Auktionen

Nachdem in früheren Zeiten Einspeisetarife nach dem Modell des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes für gute Erfolge bei der Einführung von Sonne, Wind und Co sorgten, wird in allen oben genannten Staaten die Erneuerbaren-Vergütung aber entweder schon jetzt durch Ausschreibungen geregelt oder es bestehen entsprechende Pläne, das künftig zu tun.

Nur: Sind Ausschreibungen dafür das richtige Instrument? Bisherige Erfahrungen können bestenfalls als durchwachsen bezeichnet werden, wie eine aktuelle Studie zeigt. Experten wie Steve Sawyer kritisieren, dass man stärker aus früheren Fehlern lernen müsse.

Dennoch setzen weltweit immer mehr Staaten auf Auktionen. Laut Statusreport des Erneuerbaren-Netzwerks REN 21 aus dem letzten Jahr führen mittlerweile über 80 Länder Auktionen für Ökoenergie durch. Allerdings nicht alle davon regelmäßig. 2014 waren es noch 60 Länder.

Daniel Peschel vom energiewirtschaftlichen Beratungsbüro Enervis spricht gar von einem "Ausschreibungsboom" in den letzten Jahren. Das liege vor allem an "explodierenden Kosten" durch die bisherige Erneuerbaren-Förderung. "Auktionen sind das Mittel der Wahl, um diese Kosten durch ein wettbewerbliches Verfahren mit kontrollierter Zubauentwicklung zu reduzieren", sagt Peschel. Vor diesem Hintergrund habe in Europa die Europäische Kommission in ihren Beihilferichtlinien das Verfahren vorgeschrieben.

"Preissenkung kommt nicht nur durch Ausschreibungen zustande"

Stimmt schon: Nach Einführung von Auktionen sind die Preise etwa in Brasilien, Mexiko und Chile auf ein Rekordtief gesunken. Der weltweite Preisverfall gilt als einer der Erfolgsfaktoren für die Windenergie. Auch in Deutschland waren die Effekte eindeutig: Kam es hierzulande in der ersten Windkraft-Auktion 2017 noch zu einem Zuschlagswert von 5,71 Cent je Kilowattstunde, lag er in der dritten Runde bei nur noch 3,82 Cent.

Bei der Photovoltaik sank der Wert von 9,17 Cent im Jahr 2015 auf 4,33 Cent 2018. Noch stärker ist der Preisverfall international. In sonnenreichen Regionen wie dem Nahen Osten wurden etwa bei Solar-Ausschreibungen schon Gebote von unter drei Cent abgegeben. In Mexiko waren es Ende letzten Jahres umgerechnet 1,64 Cent pro Kilowattstunde. Für Offshore-Windenergie wurden in Deutschland dieses und letztes Jahr sogar null Cent geboten.

Peschel stellt jedoch klar, dass es grundsätzlich falsch sei zu sagen, dass die Kostensenkung nur durch Ausschreibungen zustande komme. Denn auch in den letzten 17 Jahren mit EEG-Vergütung seien die Stromgestehungskosten stark zurückgegangen.

Zu dem Ergebnis, dass sinkende Kosten nicht zwangsläufig mit Ausschreibungen zusammenhängen, kommt auch eine Studie des Instituts für Zukunftsenergiesysteme (Izes) in Saarbrücken im Auftrag des österreichischen Verbands IG Windkraft. Die Autorinnen sind der Frage nachgegangen, was sich aus den bisherigen Erfahrungen mit Ausschreibungen für Windenergie in den Ländern Argentinien, Brasilien, Deutschland, Italien, Spanien und Südafrika lernen lässt. Neben der Kostenentwicklung wurden dabei die Ziele des Erneuerbaren-Ausbaus, ihre Erfüllung sowie die Auswirkung auf die jeweilige Akteursstruktur analysiert.

Kosten der Windenergie ohnehin konstant rückläufig

In fast allen untersuchten Märkten gingen die Vergütungen mit jeder Ausschreibungsrunde zurück, so die Izes-Studie. Lediglich in Ländern, in denen die Teilnahmebedingungen erschwert wurden, stiegen die Preise wieder.

Das trifft etwa auf Deutschland zu, wo seit Jahresbeginn eine in der Vergangenheit aufgestellte Ausnahmeregel für Bürgerenergieprojekte wieder entfällt. Im Gegensatz zu 2017 wird jetzt bis 2020 die Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz für alle Bieter vorausgesetzt. Das Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten: In den ersten beiden Runden von 2018 stieg der Preis deutlich auf 5,73 Cent pro Kilowattstunde an.

Doch ist in der Debatte um Kostensenkung und Auktionen nicht einfach nur viel Rhetorik im Spiel? Die Studien-Autorinnen kommen zu dem Schluss, dass "die Kosten neuer Windenergieprojekte weltweit ohnehin seit Dekaden und insbesondere seit 2012 konstant rückläufig sind, in vielen Ländern jedoch andere Politikinstrumente als Ausschreibungen genutzt werden". Sinkende Preise sind demnach nicht nur den Ausschreibungen zu verdanken.

Bereits 2014 hatte das Izes, damals im Auftrag des Bundesverbands Windenergie, internationale Märkte untersucht und war zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Zudem stellte man fest, dass mit Ausschreibungen die staatlichen Ausbauziele häufig verfehlt wurden. Oft wurden die vergebenen Megawatt einfach nicht installiert. Dabei versprechen sich Befürworter des Instruments genau das Gegenteil: die zielgenaue Steuerbarkeit des Ausbaus.

Zuschlag heißt noch nicht, dass die Anlage auch gebaut wird

Auch in der neuen Studie kann kein durchweg positives Ergebnis präsentiert werden. So gebe es in Italien mit knapp 80 Prozent eine relativ hohe Realisierungsrate. Das liege aber nur daran, dass die Fristen für die Umsetzung der Projekte erheblich verlängert worden seien. Ebenso sei es in Brasilien, wo es starke Verzögerungen gegeben habe und der Anteil der tatsächlich gebauten Projekte ebenfalls erst nach Fristverlängerungen deutlich anstieg.

Zur Situation in Spanien, Argentinien und Deutschland konnten die Studienautorinnen noch keine Aussagen machen, da die Fristen für die Umsetzung der Projekte erst begonnen hatten. Lediglich Südafrika bescheinigen sie "hervorragende Ergebnisse". Hier wurden alle Windparks aus den ersten drei Auktionen 2011 bis 2013 bis zum jeweiligen Fristende gebaut. "Südafrika ist weltweit insofern eine Ausnahme, als über mehrere Runden 100 Prozent der Projekte umgesetzt wurden", sagt Izes-Expertin Katherina Grashof.

Der Erfolg habe jedoch seinen Preis: Die Teilnahmebedingungen seien "extrem anspruchsvoll" gewesen, sodass nach dem Zuschlag praktisch keine Risiken verblieben. Für die Bieter bedeutet das sehr umfangreiche Vorbereitungen, auf deren Kosten sie ohne Zuschlag sitzen bleiben.

Ausschreibungen in den 2000ern waren ein Desaster

Als Konsequenz wird der Markt dort von großen internationalen Konzernen dominiert – von Akteursvielfalt keine Spur. Großkonzerne profitieren gegenüber kleineren Unternehmen, weil sie das Risiko erfolgloser Gebote besser schultern können. Auch in Brasilien und Spanien stellt die Studie eine Tendenz zur Marktkonzentration fest.

"Leider hat die Studie des Izes unsere Befürchtungen klar bestätigt, dass es zurzeit bei Windfördersystemen in vielen Ländern große Schwierigkeiten gibt", sagt Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft. In Österreich stünden gerade Reformen des Fördersystems an. "Um ein optimales Design eines Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu erreichen, sollten wir aus den doch vielen schlechten Erfahrungen, die derzeit in einigen Ländern mit Ausschreibungen gemacht wurden, lernen und auf Ausschreibungen verzichten", so Moidl.

Auch Steve Sawyer mahnt an, mehr aus den bisherigen Erfahrungen zu lernen. "Ausschreibungen sind der letzte Schrei", beschrieb er die derzeitige Situation. Dabei werde jedoch vergessen, dass es bereits Ende der 1990er und Anfang der 2000er in Großbritannien und Irland erste Erfahrungen mit dem Instrument gab, die großenteils ein Desaster waren, weil die meisten der Anlagen nicht gebaut wurden – das befürchten viele Experten auch für die Projekte der 2017er Wind-Auktionen in Deutschland, weil beim Großteil der Vorhaben keine Genehmigung vorliegen musste. Der wichtigste Faktor bei Ausschreibungen sei deshalb die Präqualifizierung, so Sawyer.

Akzeptanz hängt von Ausgangslage ab

Erfolgreiche Gebote in anderen Ländern seien bislang in vielen Fällen nicht mehr als Versprechungen. Sawyer berichtet etwa von bereits gescheiterten Projekten in Indien und Mexiko. In anderen Ländern gebe es nicht genügend Netzanschlusspunkte. "Es gilt bei Auktionen eine Reihe von Fallen zu vermeiden", so Sawyer, "und ich glaube nicht, dass wir dabei schon genug Erfahrung haben."

Enervis-Fachmann Daniel Peschel merkt jedoch an, dass "in einigen Ländern durch die Ausschreibungen überhaupt erst eine Erneuerbaren-Förderung eingeführt wurde". Wie gut oder schlecht das Instrument in den einzelnen Märkten ankommt, hängt Peschel zufolge denn auch immer davon ab, wie die jeweilige Situation zuvor ausgesehen habe. Während das System in Kombination mit Ausbaudeckeln in Deutschland aufgrund der guten Erfahrungen mit einer festen Einspeisevergütung noch immer auf viel Kritik stößt, bietet sich in anderen Ländern durch Auktionen überhaupt erst eine Perspektive für die Etablierung erneuerbarer Energie.

Klar ist aber auch: Vor dem Hintergrund der gigantischen Mengen sauberer Energie, die für die Einhaltung des Pariser Weltklimavertrags benötigt werden, sind die Regierungen weltweit aufgerufen, sämtliche verfügbaren Instrumente hinsichtlich eines hohen Ausbautempos zu optimieren.

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