Der Stromzähler findet nun auch in Frankreich mehr Beachtung. (Bild: Arvydas Lakačauskas/​Shutterstock)

Deutschland und Frankreich sind die beiden größten Volkswirtschaften in der EU mit vergleichbarer Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung. In der Energiepolitik jedoch beschreiten sie Wege, die – vor allem bei der Elektrizitätsproduktion – unterschiedlicher nicht sein könnten.

Der im Nachbarland üppig fließende Atomstrom galt bisher als Garant für günstige Elektrizität. Derzeit und wahrscheinlich auch in Zukunft jedoch ist das anders. Während hierzulande die Strompreise bei Haushaltskunden für Neuabschlüsse zuletzt deutlich sanken, steigen sie in Frankreich stark an.

Nach einer Modellrechnung des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) in Münster beträgt die Jahres-Stromrechnung in Frankreich zum Beispiel bei einem Einfamilienhaus mit 4.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch im staatlich regulierten "blauen Tarif" neuerdings rund 1.385 Euro und erreicht damit ein ähnliches Niveau wie hierzulande.

Laut dem Vergleichsportal Verivox liegen Stromkosten eines Haushalts mit diesem Verbrauch derzeit im Durchschnitt bei 1.425 Euro. Allerdings können Neuverträge derzeit deutlich günstiger abgeschlossen werden, nämlich zu unter oder um 1.000 Euro.

Die Neukunden-Tarife seien hierzulande in den letzten Wochen weiter stark gesunken und befänden sich auf einem Mehrjahres-Tief, sagte Verivox-Energiexperte Thorsten Storck dazu. "Haushalte können ihre Energiekosten aktuell wieder spürbar senken."

Der Hintergrund der Erhöhung in Frankreich: Die Regierung in Paris schafft die Strompreisbremse schrittweise wieder ab, mit der sie 2022 den Anstieg der Elektrizitätspreise auf vier Prozent begrenzte.

Preisdeckel führte in die Verschuldung

Insgesamt geht es dabei um vier Schritte: Die Preise wurden im Februar 2023 um 15 Prozent anhoben, im August 2023 um weitere zehn und jetzt, im Februar 2024, noch einmal um zehn Prozent. Im Februar 2025 wird dann noch die "Steuer auf den Endstromverbrauch" (TICFE) erhöht.

Die Strompreis-Deckelung war von der Regierung in Paris bereits im Herbst 2021 angekündigt worden, also noch bevor der russische Ukraine-Krieg 2022 die Gas- und Strompreise explodieren ließ und ein Großteil der französischen Atomkraftwerke unter anderem wegen Sicherheitsproblemen abgeschaltet werden musste.

Weil der staatliche Energieversorger EDF den fehlenden Strom dann in Nachbarländern zu historisch hohen Preisen einkaufen musste und die Extrakosten wegen der Deckelung nicht weiterreichen durfte, kletterten seine Schulden allein 2022 um rund 18 Milliarden Euro auf den Rekordwert von knapp 65 Milliarden Euro.

Im letzten Jahr verbuchte EDF dann wieder einen hohen Gewinn, der die Schulden um rund zehn Milliarden sinken ließ. Laut dem Finanzministerium hat die Regierung während des Subventionszeitraums 37 Prozent der Stromkosten des Landes übernommen, was sich auf neun Milliarden Euro pro Jahr belaufe.

Der Präsident des Verbraucherverbandes CLCV, Jean-Yves Mano, kritisierte die aktuelle Strompreiserhöhung. Es wäre besser gewesen, sie zu einem "günstigeren Zeitpunkt" durchzuführen, etwa nach dem Winter, sagte er.

Mano zufolge haben 34 Prozent der französischen Bevölkerung Schwierigkeiten, ihre Heizrechnung zu bezahlen. Die Regierung müsse für höhere Einkommen sorgen, damit die Haushalte zusätzliche Preissteigerungen verkraften können, forderte der CLCV-Chef. Der Verband befasst sich vor allem mit Fragen der Grundversorgung wie Wohnen und Ernährung.

Strompreis steigt 2026 um zwei Drittel

In jedem Fall wird der Atomstrom in Frankreich künftig nicht mehr so billig sein wie bisher. Die Praxis, dass die Produktionspreise vom Staat künstlich niedrig gehalten werden, geht nämlich zu Ende. Bisher beträgt der festgelegte Großhandelspreis für Elektrizität aus französischen AKW 4,2 Cent pro Kilowattstunde, ab 2026 sollen es dann sieben Cent sein, eine Steigerung um 67 Prozent.

Darauf haben sich die Regierung in Paris und der EDF-Konzern Ende 2023 geeinigt. Ob die Erhöhung ausreicht, um die Reaktoren kostendeckend zu betreiben und die geplante Serie neuer AKW zu finanzieren, bleibt trotzdem fraglich.

Frankreich ist wie kein anderes Land weltweit von der Atomkraft abhängig. Es laufen dort 56 Reaktoren, die in den letzten Jahren im Schnitt rund zwei Drittel des verbrauchten Stroms lieferten, der übrigens in vielen Haushalten auch zum Heizen eingesetzt wird. Zum Vergleich: In Deutschland lag der Spitzenwert im Jahr 1999 bei rund 35 Prozent Atomstrom.

 

In Frankreich kommt erst rund ein Viertel der Elektrizität aus erneuerbaren Energien, hierzulande rund die Hälfte. Frankreichs CO2-Ausstoß liegt pro Kopf und Jahr mit rund 4,6 Tonnen (2022) derzeit noch deutlich unter dem in Deutschland von acht Tonnen, da hierzulande Kohle und Erdgas in der Verstromung noch eine größere Rolle spielen und bei der Gebäudeheizung Erdgas und Heizöl dominieren.

Die Bundesrepublik will allerdings den fossilen Anteil beim Strom bis 2030 auf 20 Prozent senken und beim Heizen die Nutzung von Wärmepumpen voranbringen.

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