Theoretisch könnte Photovoltaik auf Moorstandorten eine gute Sache sein. Zumindest, wenn es richtig gemacht wird. Dafür müssen die Wasserstände angehoben und die Moore nass werden. So können die Flächen doppelt zum Klimaschutz beitragen: erstens durch die Erzeugung erneuerbarer Energie und zweitens, weil die wiedervernässten Moore kein CO2 mehr ausstoßen.
Idealerweise kann Moor-Photovoltaik auch ein Türöffner bei Landbesitzer:innen sein, um Moore auch über einzelne Solarstromanlagen hinaus zügig und großflächig zu vernässen, sagt Monika Hohlbein. Die Landschaftsökologin koordiniert ein im Januar gestartetes Projekt der Universität Greifswald zur Solarstromgewinnung auf Mooren. Ob und wie eine solche Strategie in der Praxis funktioniert, sei zum jetzigen Zeitpunkt aber noch unklar.
Frank Woesthoff vom Umweltverband Nabu sieht ebenfalls mögliche positive Effekte von Photovoltaik auf Moorflächen: "Der relativ hohe Hektarertrag von Photovoltaikanlagen könnte ein Weg sein, in gut konzipierten Einzelfällen die je nach Bodenpreis sehr teure Wiedervernässung von Moorböden finanziell darzustellen."
Ein häufig erwähntes Positivbeispiel ist der Solarpark Lottorf in Schleswig-Holstein. Laut Tobias Keinath vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) ist diese Photovoltaikanlage des Unternehmens Wattmanufactur eine der ersten, bei der bereits Wiedervernässungsmaßnahmen umgesetzt wurden. Keinath bewertet die umfangreichen hydrologischen und
ökologischen Maßnahmen auf der Fläche als positiv.
Monika Hohlbein sieht aber noch Forschungsbedarf: "Es braucht noch wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, wie Moor-Photovoltaik als Kombination von Moor- und Klimaschutzprojekten funktionieren kann und wo die kniffligen Punkte sind, auf die geachtet werden muss." Hier müssten die Erfahrungen von Moor-Wiederherstellung und Photovoltaik-Installation zusammengebracht werden, betont die Wissenschaftlerin.
Weniger EEG-Förderung heißt weniger Moorschutz
Auch Bettina Dörr vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz bestätigt, dass es noch eine Reihe von Problemen geben könnte, wenn Photovoltaik auf Moorböden gebaut wird und letztere gleichzeitig wiedervernässt werden.
In einem Informationspapier von 2022 empfiehlt das Greifswald Moor Centrum deshalb "vorerst eine Flächenbegrenzung der Photovoltaikanlagen", bis klar ist, ob und wie sie auf Moorböden "torferhaltend umgesetzt werden können". Das Moorzentrum ist eine Kooperation zwischen der Uni Greifswald und zwei außeruniversitären Partnern.
Derzeit ist der Bau von Photovoltaik auf Moorböden wie folgt geregelt. Wenn die Stromabnahme einer Solarstromanlage auf Moor über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert werden soll, muss das Moor wiedervernässt werden.
Es gibt aber immer die Möglichkeit, dass eine Photovoltaikanlage nicht EEG-gefördert, sondern frei finanziert wird. Dann unterliegen die geplanten Anlagen nicht den Regelungen aus dem EEG. Damit ist auch die Wiedervernässung von Moorstandorten bei der Photovoltaik-Installation nicht grundsätzlich verpflichtend.
Wird aber Photovoltaik auf trockenen Mooren ohne geplante Wiedervernässung errichtet, wird die Vernässung für die nächsten Jahrzehnte verhindert. Denn die Solaranlagen sind dann nicht für einen nassen Moorboden ausgelegt. Das bedeutet auch, dass die Moore in dieser Zeit weiter CO2 ausstoßen und damit den menschengemachten Klimawandel vorantreiben, den die Solarstromerzeugung eigentlich eindämmen soll.
Entscheidung liegt bei den Kommunen
Monika Hohlbein sieht die Verpflichtung zur Wiedervernässung im EEG als gute Grundlage, diese Regelung müsste jedoch für alle Photovoltaikanlagen auf Freiflächen gelten. Die Forscherin schlägt vor, in den Klimaschutzgesetzen von Bund und Ländern die Pflicht zur Wiedervernässung festzuschreiben.
Die Entscheidung über eine nicht EEG-geförderte Photovoltaikanlage ist eine kommunale Angelegenheit. Wie bei allen Baumaßnahmen muss ein Bebauungsplan vorgelegt werden. Die Gemeinde entscheidet dann im Einzelfall über das Projekt. Dabei müssen auch Belange des Umwelt-, Wasser- und Klimaschutzes geprüft werden.
Aufgrund der Steuerungsmöglichkeiten auf kommunaler und planerischer Ebene, etwa durch Flächennutzungsplan, Bebauungsplan und Umweltprüfung, sieht Tobias Keinath keine Gefahr eines "Wildwuchses" von Moor-Solaranlagen, wie es ihn vor 15 bis 20 Jahren in der Biogasbranche gegeben hatte.
Frank Woesthoff vom Nabu hält dagegen wegen der fehlenden Gesetze die Möglichkeiten für begrenzt, den Solarausbau auf trockenen Mooren zu verhindern. "Man könnte Kommunen darin schulen, darauf zu achten beziehungsweise als verbindliches Kriterium zu verankern, dass auf degradierten Moorböden kein Ausbau stattfinden darf", schlägt er als Lösung vor.
Woesthoff beobachtet aber auch, dass der Nutzungsdruck in Richtung Photovoltaik in vielen Kommunen gerade sichtbar steigt. "Teilweise scheint es einen richtigen Run auf die Behörden zu geben mit dem Ziel, Moor-Photovoltaik zu genehmigen. Wir haben die Befürchtung, dass durch Photovoltaik-Installationen Klimaschutz verhindert werden könnte", warnt der Naturschützer.
Zahlen sind nicht verfügbar
Experti:nnen in den Bundesländern teilen die Befürchtung, dass immer mehr Solarparks auf trockenen Mooren errichtet werden könnten. "Der Betrieb von Freiflächen-Photovoltaikanlagen ist und wird auch künftig außerhalb der EEG-Förderung zunehmend lukrativ, wodurch die räumliche Steuerungswirkung der EEG-Förderung abnimmt", antwortet Bettina Dörr für Niedersachsen auf die entsprechende Anfrage.
Ein Sprecher des sachsen-anhaltischen Umweltministeriums äußert sich wie folgt: "Wir gehen davon aus, dass die Kombination 'Freiflächen-Photovoltaik mit Wiedervernässung' aufgrund des damit verbundenen Aufwandes derzeit grundsätzlich eher die Ausnahme sein dürfte."
Sprich: In Sachsen-Anhalt werden zwar Photovoltaikanlagen auf Moorböden gebaut, die Moore werden aber wegen des hohen Aufwands nicht wiedervernässt. Das Ministerium bereitet deshalb zurzeit eine sogenannte Moor-Potenzialkulisse vor, damit Freiflächen-Photovoltaik zielgerichtet mit Wiedervernässung von Mooren verbunden werden kann.
Florian Heinrich, der am Thünen-Institut in Braunschweig zu dem Thema arbeitet, rechnet hingegen wieder mit einem Rückgang beim Bau vor allem kleinerer Photovoltaikanlagen ohne EEG-Förderung. Die gefallenen Strompreise würden einen Bau ungeförderter Anlagen weniger lukrativ machen.
Konkrete Zahlen zum Bau von Photovoltaik auf trockenen Mooren kann allerdings keine der befragten Stellen liefern, weder die Umweltministerien von Bund und Ländern noch die genannten Forschungseinrichtungen. Die Universität Greifswald arbeitet jedoch an der Datenerfassung.
Frank Woesthoff fasst das Problem so zusammen: "Die behördliche Zusammenarbeit ist horizontal und vertikal nicht gut und es liegen nicht einmal ordentliche Daten zum aktuellen Zustand der organischen Böden grundsätzlich vor."