Gero Lücking. (Foto: Amac Garbe)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Gero Lücking, Geschäftsführer für Energiewirtschaft beim Hamburger Ökostrom-Anbieter Lichtblick.

Klimareporter°: Herr Lücking, laut der Umweltorganisation Robin Wood sind nur acht von 1.200 Ökostromanbietern empfehlenswert. Lichtblick ist nicht dabei. Wie finden Sie das?

Gero Lücking: Um es kurz zu sagen: sehr schade.

Im sogenannten Innovationsfördermodell des OK-Power-Labels, für das wir uns letztes Jahr haben zertifizieren lassen, stehen nicht der Anteil an neuen Kraftwerken im Vordergrund, sondern Projekte, über die Lösungen und neue Produkte für die Energiewende entwickelt werden.

Wir kommen hier mit dem bei OK-Power vorgesehenen spezifischen Investitionsbetrag in Höhe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde und der Energiemenge, die wir an inzwischen über 480.000 Haushalte liefern, auf rund 2,5 Millionen Euro Investitionssumme.

Das ist sicher mehr als der ein oder andere empfohlene Anbieter, der 0,5 Cent pro Kilowattstunde erfüllt, aber deutlich weniger Kunden versorgt. Aber ich will es nicht werten. Robin Wood hat die Kriterien so definiert und danach geurteilt.

Wir jedenfalls bleiben bei unserer klaren Positionierung und unseren Kriterien und werden auch weiterhin die Energiewende vorantreiben. Dies ist im Übrigen unstrittig und unabhängig davon, dass unsere niederländische Mutter Eneco im Geschäftskundensegment noch einen Restanteil konventionellen Stroms hat.

Eneco ist in den Niederlanden Marktführer bei der Erzeugung und im Handel nachhaltiger Energie: Es versorgt seine Privatkunden zu 100 Prozent mit Energie aus Wind- und Sonnenenergie und dieser Anteil wird auch bei den Geschäftskunden stetig ausgebaut. Wir sind und bleiben auf Energiewende-Kurs.

Mit Verfassungsbeschwerden wollen Klimaaktivisten und Umweltorganisationen die Bundesregierung zu mehr Klimaschutz bewegen. Sind Klimaklagen das letzte Mittel?

Klimaklagen sind ein weiteres Instrument, um Druck zu machen. Ich bin zwar persönlich skeptisch, was die Erfolgschancen angeht, aber das soll kein Argument sein, es nicht zu versuchen. Ich bin auch kein Jurist, der die Erfolgschancen wirklich einschätzen kann.

Die Klagen setzen natürlich etwas in Bewegung, wenn sich das Bundesverfassungsgericht als oberstes Organ der Judikative mit einem solchen Thema befasst. Ich bin mir sicher, dass wir Zeuge einer sehr gewissenhaften und ernsthaften Abwägung verschiedener Rechtsgüter werden.

Denn beispielsweise gehört das Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht nur zu den Grundrechten der Menschheit, sondern ist auch ein durch das Grundgesetz besonders geschütztes Gut. Und dieses Grundrecht gilt nicht nur für die älteren Generationen, sondern gerade auch für die jungen Generationen, und es sollte auch für die gelten, die noch nicht geboren sind.

Es ist also eine spannende Frage, inwieweit uns ein Recht auf Verschmutzung und Zerstörung zugebilligt wird, das unzweifelhaft das Leben zukünftiger Generationen deutlich negativ beeinflusst. Verantwortung wird neu interpretiert werden.

In der Nacht zum Donnerstag haben Bundesregierung und Kohle-Länder einen verbindlichen Fahrplan für ein Ende der Kohleverstromung vereinbart. Warum tut sich die Politik so schwer mit dem Ausstieg, wo doch die Kohlekommission schon Vorarbeit geleistet hat?

Dass jetzt der Durchbruch beim Kohleausstieg erreicht wurde, ist gut, aber eine Umsetzung der Empfehlungen der Kohlekommission ist es nicht.

Gut ist, dass der Hambacher Forst erhalten bleibt – oder zumindest das, was von ihm übrig geblieben ist. Schlecht ist der Preis: 40 Milliarden Euro an Strukturfördermitteln zuzüglich dem sogenannten Anpassungsgeld in Höhe von 4,8 Milliarden. Mit 280.000 Euro pro Arbeitsplatz soll der Jobverlust für die 17.000 Beschäftigten ausgeglichen werden.

Kostentreibend ist auch die Zusage an die stromintensive Industrie, die ab 2023 zusätzliche Kompensationszahlungen für gegebenenfalls steigende Strompreise erhalten soll.

Die Empfehlung der Kohlekommission werden in zwei Punkten nicht eingehalten: Statt 3.000 Megawatt Kraftwerksleistung werden nur 2.820 Megawatt stillgelegt. Die Bundesregierung rechnet zusätzlich noch 120 Megawatt für die Brikettierung mit ein. Die Kohlekommission hatte 3.000 Megawatt ohne Brikettierung vorgeschlagen.

Zudem soll mit Datteln 4 ein weiteres Kohlekraftwerk ans Netz gehen. Das widerspricht eindeutig dem Votum der Kohlekommission. Die Inbetriebnahme eines Kohlekraftwerks im Jahr 2020 ist nicht nur ein falsches Signal. Es bringt auch die ganze Berechnung zu den beabsichtigten CO2-Reduktionen durcheinander. Denn die zusätzlichen Emissionen aus der Inbetriebnahme des 1.100 Megawatt starken Kraftwerksblocks wirken natürlich kontraproduktiv.

RWE erhält pro 1.000 Megawatt stillgelegter Kraftwerkleistung 900 Millionen Euro Entschädigung – für Kraftwerke, von denen das jüngste 44 Jahre alt ist und die Ältesten noch aus der Adenauerzeit stammen! Kein Wunder, dass sich RWE freut und die Aktie steigt. Vielleicht landet das Geld irgendwann sogar als Dividende wieder bei den klammen Kommunen in Nordrhein-Westfalen.

Es ist ein einziger Verschiebebahnhof von Steuergeldern. Deswegen dauert es auch so lange. Alle Interessen müssen berücksichtigt und bedient werden: die Kraftwerksbetreiber RWE und Leag, die Steuerzahler, das Land Nordrhein-Westfalen und so weiter.

Um Klimaschutz geht es am Ende am wenigsten. Hoffen wir auf hohe CO2-Preise, denn dann werden die Kraftwerksbetreiber aus einer betriebswirtschaftlichen Optimierung heraus die Kraftwerke früher vom Netz nehmen.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Sonne, frühlingshafte Temperaturen jenseits der zehn Grad. Frühlingsgefühle Mitte Januar. Dazu passend Autogipfel, Kohlegipfel, während in Australien die Hölle los ist.

Fragen: Sandra Kirchner

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