Protest gegen den Ausbau der 3. Piste am Flughafen Wien
Gegen den Ausbau des Wiener Flughafens protestieren Initiativen schon seit Jahren, wie hier im Jahr 2017. (Foto: Christian Bock/​System Change not Climate Change/​Flickr)

Am späten Nachmittag wollen heute wieder tausende Menschen beim Klimaprotest in Wien auf die Straße gehen. Ihre Forderungen kommen bisher kaum bei der hohen Politik in Österreich an. Unlängst jubelte das gesamte politische Spektrum, als das Bundesverwaltungsgericht den Bau der umstrittenen "Dritten Piste" am Wiener Flughafen genehmigte. Die Klimagerechtigkeitsbewegung hingegen wächst.

Eine der Aktivistinnen ist Jutta Leth. Die Ärztin ist so etwas wie ein Aushängeschild in der Bewegung. Konkret, der Bewegung gegen den Ausbau des Flughafen Wien. Bereits seit den 1990er Jahren steht er zur Diskussion.

Leth ist von Anfang an dabei, die Erfahrung hat sie aber auch verändert: "Anfangs ging es uns nur um unsere Gesundheit und die unserer Kinder, die Nachteile für die Ortsentwicklung. Später erst haben wir die Klimarelevanz der Thematik erkannt", erzählt die streitbare Niederösterreicherin.

Die geplante dritte Start- und Landebahn des Flughafen Wien-Schwechat ist ein 200 Hektar großer Betonstreifen. Allein 200.000 Quadratmeter Wald sollen dafür gerodet werden.

Berechnet man alle klimaschädlichen Auswirkungen des Fliegens mit ein, so ergebe dies eine Steigerung von 3,2 Millionen Tonnen klimawirksame Emissionen pro Jahr durch die Dritte Piste, rechnet Mira Kapfinger vor. "Der Ausbau des Flughafens ist demzufolge das klimaschädlichste Projekt Österreichs", sagt die Sprecherin der Klimagerechtigkeitsorganisation "System Change, not Climate Change". Die Gründer und Gründerinnen des jährlich stattfindenden Klimacamps sind vor ein paar Jahren in die Proteste gegen die neue Landebahn eingestiegen.

Bahnbrechendes Urteil von 2017 wieder kassiert

Jutta Leth hingegen setzt schon seit 25 Jahren alles daran, den Bau der Dritten Piste zu verhindern. Und das nicht ohne Grund: Zwölfaxing, ihr Wohnort, liegt in der Einflugschneise des Flughafens, und zwar noch direkter, wenn die neue Landebahn gebaut ist.

"Wir können unseren Garten schon jetzt kaum benutzen", sagt Leth. "Die Ortschaften in der Umgebung können sich nicht entwickeln." Und die von ihren Großeltern aufgebaute Landwirtschaft würde massiv an Wert verlieren. Deswegen hat sich die Medizinerin ganz dem Kampf gegen den Flughafenausbau verschrieben.

Bis 2005 gab es ein Mediationsverfahren zwischen Anwohnern und Flughafen, das Jutta Leth zufolge weder ergebnisoffen gestaltet noch unabhängig geführt wurde. Die 27 Bürgerinitiativen aus drei Bundesländern, die damals dem Ergebnis nicht zugestimmt haben, schlossen sich im "Dachverband unabhängiger Bürgerinitiativen gegen den Bau der 3. Piste" zusammen, dem auch die Ärztin angehört. Sie haben bis heute nichts unversucht gelassen, das Projekt auf juristischem Weg zu bekämpfen.

Dabei hatte es im Februar 2017 noch richtig gut ausgesehen, als das Bundesverwaltungsgericht den Bau der Dritten Piste mit bestechenden Argumenten untersagte: "Insgesamt überwiegt das öffentliche Interesse, dass es in Österreich zu keinem weiteren markanten Anstieg an Treibhausgas-Emissionen durch Errichtung und Betrieb der dritten Piste kommt." Eine weitere Landebahn sei nicht zuträglich, wolle Österreich seinen internationalen Klimaverpflichtungen nachkommen, so die Richter. Daher sei vom Bau der Landebahn abzusehen.

Das Gerichtsurteil wurde allerdings wenig später vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, und vor der Neuverhandlung startete die Flughafen Wien AG gemeinsam mit ihren Eigentümern wie der Stadt Wien und dem Land Niederösterreich eine beispiellose PR-Kampagne, die schließlich zum Erfolg führte. Im März 2018 gab das Bundesverwaltungsgericht nach erneuter Prüfung bekannt: "Die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb der geplanten dritten Start- und Landebahn wurde bestätigt."

Breite gesellschaftliche Mehrheit gegen Klimaschutz

Dabei haben die Flughafenbetreiber nicht nur die gesamte österreichische Bundesregierung aus konservativer ÖVP und rechtspopulistischer FPÖ hinter sich, sondern auch die Sozialdemokraten, derzeit in der Opposition, sowie die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida. Sogar die christliche Gewerkschaft und die Arbeiterkammer jubeln über den "Jobmotor" und die "Entscheidung für Wirtschaftsstandort und Arbeitsplätze".

Immer mehr Flugzeuge starten und landen in Wien

Auch ohne Dritte Piste starten und landen immer mehr Flugzeuge in Wien-Schwechat. Im Februar 2019 stieg das Passieraufkommen nach Angaben des Flughafens Wien um knapp 26 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres auf 1,86 Millionen Reisende an. Vor allem die Zahl der Kurzstreckenflüge legte deutlich zu. Mit einem Wachstum von 16 Prozent nahmen die Flugbewegungen im Februar gegenüber dem Vorjahreszeitraum ebenfalls zu.

Mira Kapfinger hält an ihrer Kritik fest: "Mit dem Projekt wird fossile Mobilität für weitere Jahrzehnte in Beton gegossen." Sie kritisiert auch die vom Gericht verhängten Auflagen, etwa die Vorgabe, der Flughafen selbst müsse in fünf Jahren CO2-neutral sein. Die Flughafenemissionen seien schließlich "nur ein Bruchteil der Emissionen des gesamten Flugverkehrs". Die Auflage folge dem international verbreiteten Schema der Airport Carbon Accreditation Initiative, die damit "Greenwashing von Flugverkehr" betreibe.

Die Flughafengegner werden weitermachen: "Ich gehe bald in Pension", erzählt die Zwölfaxinger Ärztin Jutta Leth. "Dann werde ich mein ganzes Wissen und meine ganze Energie in die Klimaschutzbewegung stecken." Zurzeit werden dort die juristischen Möglichkeiten auf supranationaler Ebene abgewogen. Darüber ­hinaus sehe sie sich nach einem Plan B um, "ein Ausstiegsszenario für mich und meine Familie".

Mira Kapfinger will heute am Klimaprotest in der Wiener Innenstadt teilnehmen. Bereits am 15. März sind anlässlich des weltweiten Klimastreiks Tausende Schüler und Schülerinnen in ganz Österreich auf die Straße gegangen. Sie wollen, so der Aufruf, "mit allen Solidarischen an Schulen, Unis und Arbeitsplätzen streiken und für radikale und schnelle Maßnahmen gegen die Klimakrise auf die Straße gehen".

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