Auf über 40 Millionen Hektar – eine Fläche größer als Deutschland – wird allein in Brasilien Soja angebaut. (Bild: Charles Ricardo/​Pixabay)

60 Kilogramm Soja verzehren Europäer:innen pro Kopf und Jahr. Nur ein Bruchteil davon in Form von Tofu oder Sojasauce. Der Löwenanteil versteckt sich in Fleisch und anderen Tierprodukten.

Der deutsche Sojahunger beläuft sich auf sechs Millionen Tonnen, die jedes Jahr mit riesigen Containerschiffen vor allem aus den USA und Brasilien über den Atlantik geschippert werden. Das niederländische Forschungsinstitut Profundo hat im Auftrag der Umweltinitiative Aktion Agrar die Lieferkette für brasilianische Soja in einer neuen Studie genauer unter die Lupe genommen.

Etwa ein Drittel des Sojas wird, kaum in Deutschland angekommen, weiterexportiert. Von den übrigen 3,9 Millionen Tonnen sind rund 80 Prozent Sojaschrot und wandern in die Futtertröge von Rindern, Schweinen und Geflügel. Knapp die Hälfte des Schrots stammt aus Brasilien.

Die Lieferkette der eiweißreichen Bohne stehe exemplarisch für das globalisierte Agrarsystem, hieß es bei Aktion Agrar. Soja gelangt von den Produzent:innen in Brasilien über Händler und Logistikunternehmen zu Futtermittelherstellern. Diese beliefern Tierhalter:innen, von denen wiederum die Fleischverarbeitungsindustrie und der Einzelhandel mit Fleisch, Milch und Eiern versorgt werden.

Doch wer profitiert eigentlich von diesem System? Dieser Frage gingen die Autor:innen der Studie nach.

Dazu untersuchte Profundo zehn große deutsche Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette: das Logistikunternehmen J. Müller, die Futterhersteller Mega und Agravis, die Fleischverarbeiter Tönnies und PHW sowie die großen Einzelhandelsketten Edeka, Rewe, Lidl, Aldi Nord und Süd.

Die Analyse zeigt, dass die zehn Unternehmen 2022 einen Bruttogewinn von zusammen rund 280 Millionen Euro mit Soja erwirtschaftet haben. Abzüglich aller Lohn- und Betriebskosten bleiben für das Jahr 24 Millionen Euro Betriebsgewinne übrig.

Gewinne der Konzerne gehen auf Kosten der Bauern

Die größten Gewinne konnten Einzelhandelskonzerne einfahren, allen voran Lidl und Rewe. Am meisten verdienen in der gesamten Soja-Wertschöpfungskette die nachgelagerten Unternehmen, also die Einzelhandelsketten, gefolgt von den Fleischverarbeitungskonzernen.

"Diese Gewinne entstehen auch, weil es den mächtigen Einkäufern gelingt, die Preise für die Höfe massiv zu drücken", erklärte Lucia Müller von Aktion Agrar.

Dabei schneiden die deutschen Landwirt:innen noch wesentlich schlechter ab als ihre Kolleg:innen im EU-Ausland. Die Bruttogewinnspanne bei Soja liegt hier in Deutschland bei 3,3 Prozent, während sie im EU-Durchschnitt mehr als 13 Prozent beträgt. Nach Abzug von Betriebskosten und einem "existenzsichernden" Lohn, wie es in der Studie heißt, schreiben die deutschen Landwirt:innen rote Zahlen.

Das wird zwar von Subventionen aufgefangen, aber auch davon profitieren die Betriebe sehr unterschiedlich. Der Großteil der EU-Agrarsubventionen wird per Fläche ausgeschüttet und benachteiligt damit kleinere Betriebe.

Dass die großen Supermarktkonzerne zu viel Marktmacht haben, kritisieren landwirtschaftliche Initiativen wie Aktion Agrar oder auch die Initiative faire Preise in der Lieferkette (Inifair), seit Jahren. Edeka, Rewe, Aldi und Lidl beherrschen 76 Prozent des Lebensmittelmarktes und bestimmen so die Preise.

Während das im Grundsatz auch auf andere EU-Länder zutrifft, ist das Machtungleichgewicht in Deutschland besonders eklatant. Laut Inifair fallen für deutsche Landwirtschaftsbetriebe nur 18 Prozent der gesamten Wertschöpfung der Lebensmittelkette ab, während EU-Betriebe im Durchschnitt immerhin 27 Prozent der Wertschöpfung erhalten.

Um das zu ändern, hat die Initiative ein ganzes Maßnahmenpaket vorgeschlagen. Sie fordert etwa die Einrichtung von Ombudsstellen, an die sich Betroffene von unfairer Preisgestaltung wenden können.

Außerdem soll der Einkauf unterhalb der Produktionskosten gesetzlich verboten werden.

Allen Grund zum Protest

Die Gewinne der großen Lebensmittelkonzerne gehen nicht nur auf Kosten der Bäuer:innen. Der Sojaanbau hat auch zahlreiche negative Auswirkungen für das Klima und die Umwelt in den Anbauländern.

Auf einer Fläche sechsmal so groß wie Deutschland beherbergt die brasilianische Feuchtsavanne Cerrado rund fünf Prozent der biologischen Vielfalt der Erde. Zudem speichert das Ökosystem enorme Mengen CO2.

In den letzten 40 Jahren wurde laut WWF etwa die Hälfte der natürlichen Vegetation in Acker- und Weideflächen umgewandelt. Der Sojaanbau zählt neben der Rinderhaltung zu den Haupttreibern dieser Entwicklung.

Die Abholzung von Regenwald und die Vertreibung von Kleinbäuer:innen sind weitere Folgen der stetigen Ausweitung des Sojaanbaus.

Vorhandene Regelwerke wie das EU-Lieferkettengesetz, so Jutta Sundermann von Aktion Agrar im Gespräch mit Klimareporter°, reichten nicht aus, um Schäden für Mensch und Umwelt durch den Sojaanbau auszuschließen. Freihandelsabkommen wie das seit Jahrzehnten verhandelte EU‑Mercosur-Abkommen würden weitere Anbauanreize schaffen und dürften daher nicht ratifiziert werden.

Landwirt:innen hätten jeden Grund, gegen das Agrarsystem zu protestieren, erklärt Sundermann. "Viele der aktuellen Proteste lassen sich jedoch von rechts vereinnahmen oder holen zu einem Pauschalschlag gegen Umweltvorgaben aus."

Zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ruft Aktion Agrar deshalb zu einer Demonstration gegen Sojaimporte am Hafen in Brake in Niedersachsen auf. Auch eine Aktion mit zahlreichen Booten ist an dem Spezialhafen an der Weser zwischen Bremen und Bremerhaven geplant.

Die Erkenntnisse der Studie sind für Sundermann ein weiteres Argument, um sich "vom globalen Fleisch- und Tierfuttermarkt abzuwenden" und Klima, Artenvielfalt und die Zukunft der Höfe in den Mittelpunkt zu stellen. "Wir freuen uns über alle Bäuer:innen, die sich unserem Protest anschließen."