Gero Lücking. (Foto: Amac Garbe)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Gero Lücking, Geschäftsführer für Energiewirtschaft beim Hamburger Ökostrom-Anbieter Lichtblick.

Klimareporter°: Herr Lücking, die scharfe Kritik am Kohleausstiegsgesetz zeigt Wirkung: Ein Pauschalabstand für Windräder ist im neuen Entwurf nicht mehr drin. Offenbar sollen aber nun die Ausbaudeckel für Offshore-Wind und Photovoltaik unverändert bleiben. Ist das insgesamt noch ein guter Deal für die Erneuerbaren-Branche?

Gero Lücking: Nein. Es ist ein Trauerspiel. So willkürlich und fahrlässig ist noch nie eine Bundesregierung mit der Branche umgegangen. Es besteht weiterhin völlige Unsicherheit, wie es mit den erneuerbaren Energien weitergehen wird.

Die Bundeskanzlerin hatte in ihrer Rede am Mittwoch im Parlament angekündigt, dass die bisherige Windabstandsregel so nicht kommen wird. Es ging der Regierungschefin aber nicht um die komplette Streichung einer Abstandsregel, sondern nur darum, den Begriff "Siedlung" neu zu definieren. Nicht schon fünf Wohngebäude sollen wohl künftig als Siedlung gelten, sondern mehr. Wie viel mehr, blieb offen.

Dass nun mit dem Mindestabstand auch die Erhöhung des Offshore-Ziels und die Streichung des Solardeckels aus dem Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes gestrichen wurden, ist ein trickreicher taktischer Winkelzug der Unionsfraktion. Sie hat von Anfang an darauf bestanden, dass Verbesserungen für einzelne erneuerbare Energien an die Mindestabstandsregel für Wind an Land gebunden werden. Deswegen ist jetzt das ganze Paket aus dem Gesetzentwurf entfernt worden.

Das zeigt, wie erbarmungslos vor allem die Union die erneuerbaren Energien für ihre Machtspiele und Ziele benutzt. Gibt es ungeachtet der Ankündigung der Bundeskanzlerin keine Einigung mit dem Umweltministerium, droht neben der Windkraft an Land auch dem Solarstromausbau der völlige Zusammenbruch.

Der Wirtschaftsflügel der Union ist gegen die Energiewende und führt den Stift im zuständigen Bundeswirtschaftsministerium.

Die Bundesregierung hat sich ja eigentlich zum Ziel gesetzt, dass der Ökostrom-Anteil von heute 43 auf 65 Prozent im Jahr 2030 klettern soll. Welchen politischen Rahmen brauchen Ökostrom-Unternehmen, damit so ein Zuwachs realistisch wird?

Ihre Formulierung "eigentlich" zeigt es ja schon. Weder Sie noch ich und wahrscheinlich auch nicht die Bundesregierung selbst glauben daran, dass so das 65-Prozent-Ziel erreicht wird.

Was wir in erster Linie brauchen, sind ökonomische Rahmenbedingungen, die den Ausbau erneuerbarer Energien wirtschaftlicher werden lassen als den Weiterbetrieb fossiler Kraftwerke. Also muss CO2 einen Preis bekommen, der die fossilen Kraftwerke ökonomisch aus dem Markt preist.

Für RWE muss es wirtschaftlich unattraktiv sein, Braunkohletagebaue zu betreiben und mit der Braunkohle seine Klimakillerkraftwerke zu bestücken – damit RWE die Kraftwerke aus eigener, betriebswirtschaftlicher Motivation heraus abschaltet und damit auch das Erpressungspotenzial gegenüber der Bundesregierung beim Kohleausstieg verliert.

Im europäischen Emissionshandel treffen hohe CO2-Preise natürlich nicht nur RWE und die anderen Betreiber fossiler Kraftwerke in Deutschland, sondern auch alle anderen, die in der EU für weitere klimaschädliche Emissionen verantwortlich sind.

CO2 muss einen höheren Preis bekommen. Es muss richtig teuer werden, das Klima zu zerstören. Diese Weichenstellung ist das Wichtigste. Ganz neue Marktmechanismen werden sich dann etablieren, die den Umbau automatisch aus sich selbst heraus beschleunigen werden.

Am Freitag war ein weiterer globaler Aktionstag von Fridays for Future. Haben Sie eigentlich schon mal mitgestreikt oder demonstriert?

Ja, ich bin regelmäßiger Teilnehmer. Wie es immer so ist, leider nicht an diesem Freitag.

Lichtblick gibt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern frei, um sich zu beteiligen und teilzunehmen. Und das Wetter spielte auch mit!

Alle Jahre wieder: Lichtblick hat das Meinungsforschungsinstitut Yougov beauftragt, die Deutschen zu ihrer Weihnachtsbeleuchtung zu befragen, um Rückschlüsse auf den Energieverbrauch zu ziehen. Was ist dieses Jahr herausgekommen?

In diesem Jahr werden rund 17 Milliarden Lämpchen in und an deutschen Haushalten blinken und flackern. Das sind rund eine Milliarde mehr als noch 2018. Drei Viertel davon sind aber mittlerweile stromsparende LEDs, sodass der Verbrauch insgesamt zurückgehen wird – von rund 600 Millionen auf 510 Millionen Kilowattstunden. Damit könnten im Schnitt 170.000 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgt werden.

Mit 153 Millionen Euro Kosten ist die Adventsbeleuchtung für die Deutschen kein Black-Friday-Schnäppchen. Und dabei ist die Weihnachtsbeleuchtung der Städte und Gemeinden noch gar nicht eingerechnet.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Die Entscheidung des Europaparlaments zum Klimanotstand mit dieser überragend breiten Unterstützung und die Berufung von Frans Timmermans zum Kommissar für den europäischen Green Deal. Das sind zwei positive Überraschungen und sehr gute Signale aus Brüssel.

Auch wenn das Ausrufen des Klimanotstands symbolisch ist, so ist die Berufung von Timmermans und die Entscheidung, ihn für den Green Deal mit einem Budget von einer Billion Euro auszustatten, alles andere als Symbolik. Die EU wird zum Motor für eine ambitionierte Klimapolitik. Sie wird die Bundesregierung vor sich hertreiben.

Wir werden – das ist meine Überzeugung – noch viel Freude mit der EU und ihrer ambitionierten Klimapolitik bekommen!

Fragen: Susanne Schwarz