Hier ist das polnische Braunkohlekraftwerk Bełchatów zu sehen. Es stößt in Europa am meisten CO2 aus.
Das polnische Braunkohlekraftwerk Bełchatów stößt in Europa am meisten CO2 aus. Gleich danach folgen Anlagen in Deutschland. (Foto: Grzegorz Mordalski/​Wikimedia Commons)

Kurz bevor in Polen die Klimakonferenz COP 24 beginnt, kommen hoffnungsvolle Signale aus dem Nachbarland. Bis zum Jahr 2035 will Polen 8.000 Megawatt Offshore-Windkraft installieren. Das kündigte Energiestaatssekretär Grzegorz Tobiszowski in dieser Woche an. Derzeit werde an den rechtlichen Rahmenbedingungen gearbeitet.

Außerdem fand in dieser Woche eine Auktion für Windenergie an Land statt, für die eine Kapazität von 1.000 Megawatt ausgeschrieben war – eine weitere soll in den nächsten Monaten folgen.

Bei der Land-Windkraft steht Polen auch nicht ganz am Anfang: 2017 waren bereits knapp 6.000 Megawatt installiert. Im selben Jahr kamen fast neun Prozent des erzeugten Stroms von den Onshore-Windanlagen.

Gegenüber dem Kohlestrom-Anteil ist das allerdings immer noch wenig: 78 Prozent des erzeugten Stroms kamen im vergangenen Jahr aus Stein- und Braunkohle. Will Polen mit dem Offshore-Windausbau jetzt endlich das Ruder herumreißen, um von der Kohle wegzukommen? Ist das der Beginn der polnischen Energiewende?

Aleksandra Gawlikowska-Fyk vom polnischen Thinktank Forum Energii dämpft die Hoffnungen: "Die Ausschreibungen kommen nach einer Phase, in der wenig investiert wurde. Sie sind das erste Zeichen dafür, dass sich etwas ändert", sagt sie gegenüber Klimareporter°.

Auch bei der Offshore-Windenergie bremst Gawlikowska-Fyk die Euphorie: "Vertreter des Energieministeriums haben schon oft gesagt, dass Polen ein hohes Potenzial von 8.000 bis 10.000 Megawatt hat, das genutzt werden soll." Trotzdem bräuchten die Offshore-Windparks eine gute Strategie, auch was die Anbindung und die Netz-Investitionen angeht.

Immer noch 50 Prozent Kohle im Jahr 2050

Dass diese Entwicklungen die Energiewende einleiten, glaubt die Expertin nicht: "Die Erneuerbaren-Branche ist begeistert, aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer." Gawlikowska-Fyk weist darauf hin, dass Polens Energiestrategie noch in Arbeit ist. "Wir sollten uns erst einmal anschauen, welche Ideen für den polnischen Energiemix die Regierung darin vorstellt."

Die neue polnische Strategie für die Energieerzeugung der kommenden Jahrzehnte wird noch für dieses Jahr erwartet. Allerdings ist jetzt schon klar, dass die Kohle in Polen noch lange wichtig bleiben soll. "Bis 2050 wollen wir den Anteil des Kohlestroms auf 50 Prozent zurückfahren", sagte heute beispielsweise der polnische Botschafter in Deutschland, Andrzej Przyłębski, auf einer Veranstaltung des Klima-Konsortiums in Berlin.

Von fast 80 auf 50 Prozent in 30 Jahren, das klingt erst einmal viel. Kurz vor der UN-Klimakonferenz COP 24, die im Dezember im polnischen Katowice stattfindet, dürfte eine Strategie mit dieser Ankündigung viel Aufmerksamkeit bekommen. Allerdings ist 2050 das Jahr, in dem laut dem neuen Sonderbericht des Weltklimarats die CO2-Emissionen aus der Kohle weltweit nahezu bei null liegen müssen, will die Menscheit die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad eingrenzen.

"Klimaneutralität" statt Dekarbonisierung

Eine schnelle Dekarbonisierung gehört jedenfalls nicht zu den Schwerpunkten, die der polnische Präsident des Klimagipfels, Michał Kurtyka, für die COP 24 gesetzt hat: Elektromobilität, ein sozial abgesicherter Strukturwandel ("Just Transition") und die Aufnahme von CO2-Emissionen durch Wälder. "Auch der Weltklimarat hat sich in seinem aktuellen Bericht zu Klimaneutralität und der Aufnahme von CO2 durch Wälder geäußert", sagte Kurtyka bereits vor einem Monat. "Auf dieses Thema wollen wir ebenfalls aufmerksam machen."

Wie Polen mit Aufforstung das Klima retten will, wird auf der offiziellen Gipfel-Website kurz erläutert. "Während der COP 24 will Polen den anderen Ländern eine Technologie vorstellen, mit der CO2 durch Böden und Wälder gespeichert werden kann", heißt es dort. Passieren soll das in sogenannten Forest Coal Farms. Zunächst 12.000 Hektar sollen dabei so aufgeforstet oder verändert werden, dass sie innerhalb von 30 Jahren eine Million Tonnen zusätzliches CO2 aufnehmen können.

Allerdings dürfte diese Technik kaum den Kohleausstieg überflüssig machen. Denn laut Greenpeace Polen kann das Projekt in 30 Jahren gerade einmal die Emissionen kompensieren, die das größte Braunkohlekraftwerk des Landes in Bełchatów in zehn Tagen ausstößt.

"Die Wälder können niemals die Emissionen von Bełchatów kompensieren", sagt Greenpeace-Energieexpertin Anna Ogniewska gegenüber Klimareporter°. Sie findet es problematisch, dass die COP-Präsidentschaft viel über Klimaneutralität und nicht über die Reduktion der Emissionen spricht.

Dennoch kommt der Gipfelpräsident bei ihr ganz gut weg: "Kurtyka ist vergleichsweise progressiv. Er ist ein guter Diplomat und hat ein umfangreiches Wissen über das Klima", sagt Ogniewska. "Aber er ist nicht derjenige, der die Entscheidungen trifft."

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