Am heutigen Freitagmorgen ist in Genf die zwölfte Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO zu Ende gegangen. Das Treffen hat zwei Tage länger gedauert als geplant, aber die Minister konnten sich auf mehrere Abkommen einigen, das "Genf-Paket".
Nach Abschluss der Konferenz zeigte sich WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala erleichtert: "Die Ergebnisse zeigen, dass die WTO tatsächlich in der Lage ist, auf die Notlagen unserer Zeit zu reagieren."
Das war lange nicht sicher. Das Genf-Paket ist erst das zweite multilaterale Handelsabkommen in der 27-jährigen Geschichte der WTO. Das andere ist ein Abkommen zum Bürokratieabbau aus dem Jahr 2013.
Die größte Aufmerksamkeit galt den Patenten für Impfstoffe und Medikamente gegen Covid-19. Vor allem Indien und Südafrika hatten darauf gedrängt, diese selbst herstellen und auch exportieren zu dürfen. Die EU hingegen hat dies stets abgelehnt – mit der Begründung, dann hätten Hersteller keinen Anreiz mehr, bei einer Pandemie schnell die nötigen Mittel zu entwickeln.
In Genf einigte man sich nun auf einen Kompromiss. Für Corona-Impfstoffe ist es in den nächsten fünf Jahren einfacher, eine Ausnahme unter dem Trips-Abkommen zu bekommen, das den Handel mit patentgeschützten Gütern regelt. Für Corona-Medikamente gilt dies hingegen nicht.
Der Chef der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, Christos Christou, kritisierte den Deal: "Er hebt die geistigen Eigentumsrechte nicht für alle erforderlichen medizinischen Mittel in angemessener Weise auf und gilt nicht für alle Länder." Außerdem schaffe die Vereinbarung "einen schlechten Präzedenzfall für zukünftige Pandemien".
Leerfischen der Meere wird erschwert
Für die zweite globale Großkrise, die steigenden Nahrungsmittelpreise und den zunehmenden Hunger in der Welt, konnten sich die Länder ebenfalls auf ein Abkommen einigen. Exportverbote wie das für indischen Weizen sollen nicht für das Welternährungsprogramm WFP gelten – mit einer Ausnahme: Wenn ein WTO-Mitgliedsland die eigene Ernährungssicherheit gefährdet sieht, dann darf es auch dem WFP verwehren, dort Hilfsgüter zu beschaffen.
Durchgesetzt hat diese Ausnahme Indien. Das Land hatte gedroht, andernfalls diesen Teil des Genf-Pakets zu blockieren. Nach Abschluss der Konferenz sagte der indische Handelsminister Piyush Goyal denn auch: "Indien ist mit dem Ergebnis der zwölften Ministerkonferenz zu 100 Prozent zufrieden."
Der größte Erfolg des Genf-Pakets ist das Abkommen über Subventionen für illegalen und unregulierten Fischfang. Über ein Verbot dieser Hilfen wurde 21 Jahre lang verhandelt. Rund ein Drittel der globalen Fischbestände gilt als überfischt. Indem nun zumindest Subventionen für den illegalen Fischfang wegfallen sollen, könnten sich einige Fischbestände in der Zukunft wieder erholen.
Der WTO-Mitglieder haben sich zudem darauf geeinigt, den Fischfang auf der Hochsee nicht länger zu subventionieren. Fischfang außerhalb der 200-Meilen-Zone (370 Kilometer) dürfte sich damit in vielen Fällen nicht mehr lohnen. In einer Studie aus dem Jahr 2018 heißt es: "Das aktuelle Ausmaß der Hochseefischerei wird durch hohe Subventionen ermöglicht, ohne die 54 Prozent der Fischgründe in der Hochsee unprofitabel wären."
Neuer Anlauf für WTO-Reform
Die Länder einigten sich schließlich auch darauf, sich noch einmal an einer Reform der WTO zu versuchen. Derzeit ist das Schiedsgericht der WTO für Handelsstreitigkeiten nicht entscheidungsfähig, weil die Zahl der Richter das nötige Quorum nicht erfüllt. Grund dafür ist die Weigerung der USA, neue Richter zu berufen.
Die USA werfen dem Gericht vor, seine Befugnisse allzu großzügig zu interpretieren, und verlangen daher eine Reform. Diese Blockade soll nun in den kommenden beiden Jahren gelöst werden, damit die WTO-Länder wieder "ein vollständig und gut funktionierendes Streitbeilegungssystem haben".
Aus Sicht von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis ist dies von zentraler Bedeutung: "Letztlich geht es darum, das regelbasierte multilaterale Handelssystem mit einer reformierten WTO als Kernstück aufrechtzuerhalten."