Dichter Regenwald: Blauer Himmel und Wolkenberge über den Wipfeln.
Der Regenwaldschutz hat unter Bolsonaro einen schweren Rückschlag erlitten. (Foto: Kathrin Henneberger)

Das war knapp. Mit 50,9 Prozent der Stimmen hat Lula da Silva von der Arbeiterpartei gestern die Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien für sich entschieden. Der bisherige Amtsinhaber, der ultrarechte Jair Bolsonaro, kam auf 49,1 Prozent.

Für den Waldschutz ist das eine gute Nachricht. Die vergangenen vier Jahre unter Bolsonaro waren verheerend für den Amazonas-Regenwald und führten zu einer besorgniserregenden Zunahme von Menschenrechtsverletzungen und Gewalt gegen indigene Brasilianer:innen und Umweltschützer:innen – und einer regelrechten Welle von Landraub.

Abholzung und Brandrodung erreichten extreme Höchstwerte, so sehr, dass Teile des Regenwalds mittlerweile kein CO2 mehr aufnehmen können, sondern sogar abgeben. Durch Bolsonaros Anti-Umweltpolitik mit dem Abbau von Schutzmaßnahmen und der Lockerung von Kontrollen ist die Gefahr massiv gestiegen, dass der Regenwald insgesamt kollabiert.

Er würde sich dann in eine Steppenlandschaft verwandeln, wo es nur noch einzelne Baumgruppen gibt, aber nicht mehr einen großen, zusammenhängenden Wald. Das hätte weitreichende Folgen für das globale Klima und für den Wasserhaushalt großer Teile des südamerikanischen Kontinents.

Die Hoffnung ist nun, dass Lula anknüpfen wird an seine Umweltpolitik aus den Jahren 2003 bis 2010, als er schon einmal, als Vor-Vor-Vorgänger von Bolsonaro, Brasiliens Präsident war. Seine Amtszeit war so etwas wie die goldene Zeit beim Waldschutz.

Es gab neue umweltpolitische Maßnahmen, und die Gesetze gegen die Entwaldung wurden viel konsequenter durchgesetzt und kontrolliert. Unter Lula ging die Entwaldung im Amazonas-Regenwald um 84 Prozent zurück – ein sensationeller Wert.

Die Rechte dominiert das Parlament

Lula hat versprochen, dass er die Rettung des Amazonaswalds zu einer Priorität machen will, mit strengeren Auflagen, strengeren Kontrollen, auch mit sozialen Initiativen und einer nachhaltigeren Agrarpolitik.

Beobachter:innen halten das für durchaus möglich und wahrscheinlich. Es gibt aber auch skeptische Stimmen, die vor zu hohen Erwartungen warnen. Denn Brasilien hat noch viele andere Probleme. Die Wirtschaft ist seit Jahren in der Krise, Armut und soziale Ungleichheit haben zugenommen. Zudem ist die Gesellschaft nach vier Jahren Bolsonaro extrem polarisiert.

Das zeigt sich auch am Wahlergebnis. Lula erhielt gestern, bei rund 156 Millionen Wahlberechtigten, nur gut zwei Millionen Stimmen mehr als Bolsonaro. Beim ersten Wahldurchgang vor vier Wochen hatte Lulas Vorsprung noch sechs Millionen Stimmen betragen.

Hinzu kommt, dass bei den Parlamentswahlen, die ebenfalls Anfang Oktober stattfanden, in vielen Regionen die Bolsonaro-Partei die Mehrheit holte. Das engt Lulas Spielräume ein. Es wird für ihn nicht einfach, seine Politik durchzusetzen, geschweige denn, das gespaltene Land zu versöhnen.

Den internationalen Klimaverhandlungen kann Lulas Sieg dennoch neuen Schwung verleihen. Für die UN-Klimakonferenz COP 27, die am kommenden Wochenende in Ägypten beginnt, ist es ein positives Signal, dass in einem wichtigen Schwellenland wie Brasilien künftig wieder Klima- und Umweltschutz ernst genommen werden sollen. Ein solches Signal ist derzeit auch dringend nötig.

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