
Vor über 25 Jahren reiste ich zum ersten Mal ins Amazonasgebiet. Noch heute erinnere ich mich an die unvergesslichen Geräusche: summende Insekten, rufende Vögel und das geheimnisvolle Rascheln im dichten Unterholz. Die Farbenpracht der Fische im gewaltigen Süßwasserstrom, der sich von den Anden bis zum Atlantik erstreckt, war faszinierend.
Dass ein derartiger Anblick sich mir überhaupt bieten konnte, ist zu einem großen Teil auch den dort lebenden Menschen und indigenen Gemeinschaften zu verdanken. Trotz ständiger Bedrohungen durch Abholzung und industrielle Ausbeutung kämpfen sie unermüdlich für ein Leben in Harmonie mit ihrer Umwelt.
Das Amazonasbecken, das größte tropische Regenwaldgebiet der Welt, ist nicht nur ein Naturwunder und großer Kohlenstoff-Speicher, sondern gerät durch fortwährende Brandrodung, Entwaldung und globale Erwärmung immer stärker unter Druck. Das verschärft die Klimakrise dramatisch.
Der Amazonas-Regenwald wird als ein Kippelement in der Klimakrise bezeichnet. Seine Versteppung würde große Mengen an CO2 freisetzen. Die Folgen wären weltweit spürbar: intensivere Dürren, heftigere Stürme und katastrophale Überschwemmungen ähnlich dem schlimmsten Hochwasser, das 2024 den Süden Brasiliens heimsuchte.
Kippt der Amazonas-Wald, wird die ganze Welt leiden
Dieses Ereignis war ein düsterer Vorbote dessen, was die Welt erwartet, wenn wir den Amazonaswald verlieren. Kippt der einzigartige Lebensraum in Südamerika, steigt die Wahrscheinlichkeit zerstörerischer Starkregen und Hochwasser weltweit, auch von der Nordsee bis zu den Alpen.
Doch 2025 könnte ein Wendepunkt sein – eine neue Chance für den Regenwaldschutz. Brasilien richtet die Weltklimakonferenz aus, und mit Präsident Lula da Silva steht ein erfahrener Diplomat und Brückenbauer an der Spitze des Gastgeberlandes.

Martin Kaiser
ist seit 2016 geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland. Bei der Umweltorganisation, für die er sich seit 1998 engagiert, leitete der studierte Geoökologe und Forstingenieur zuvor internationale Biodiversitäts- und Klimaprojekte und vertrat Greenpeace auf den Weltklimagipfeln.
Seine Regierung hat bereits einen ambitionierten Amazonas-Plan vorgestellt: Indigene und lokale Gemeinschaften sollen finanziell unterstützt werden, um ihre Rolle als Hüter des Regenwaldes zu stärken. Die Mittel dafür könnten aus einer globalen CO2-Abgabe stammen, für die besonders die großen Emittenten wie die Luft- und Schifffahrtsindustrie aufkommen müssten.
Eine andere Idee für die Finanzierung ist die Einführung einer Milliardärssteuer, die derzeit ernsthaft diskutiert wird.
Unabhängig davon, wo das Geld herkommt: Der Schutz des Amazonas-Regenwaldes ist keine Wohlfühlmaßnahme, sondern eine globale Notwendigkeit.
Die Kosten dafür sind enorm. Um den Finanzbedarf von etwa 120 Milliarden US-Dollar auch nur annähernd durch die Staatengemeinschaft decken zu können, müssen wohl alle diese Instrumente genutzt werden.
Doch jeder Euro, der in den Erhalt des Regenwaldes investiert wird, zahlt sich aus: Er mindert die Risiken für Starkregen und Überschwemmungen, auch in Europa.
Deutschland spielt Schlüsselrolle bei Rettung des Regenwaldes
Bei aller Notwendigkeit und Hoffnung stiftenden Ansätzen: Die Hürden auf diesem Weg sind hoch. Kriege wie in der Ukraine und im Nahen Osten belasten die internationalen Beziehungen und binden finanzielle Ressourcen, die dringend für den Klimaschutz benötigt werden.
Noch besorgniserregender ist die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus. Seine Forderung nach einem dramatischen Anstieg der Militärausgaben könnte internationale Klimaverhandlungen lähmen. Ob sich die USA unter seiner Führung überhaupt noch am Schutz des Amazonaswaldes beteiligen werden, bleibt fraglich.
Doch selbst ohne Washington könnte eine Koalition der Willigen – angeführt von Brasilien, Indonesien, der EU und anderen Staaten – Fortschritte erzielen.
Dabei spielt auch Deutschland eine Schlüsselrolle. Unter deutschen Bundesregierungen gibt es eine lange Tradition im Regenwaldschutz. Bereits unter Helmut Kohl wurden erste Fonds für die Tropenwälder geschaffen, und Angela Merkel erhöhte die deutschen Beiträge auf jährlich über 500 Millionen Euro.
Jetzt liegt es an der bald zu wählenden neuen Regierung, diesen Kurs fortzusetzen – nicht aus Altruismus, sondern aus Eigeninteresse. Denn der Amazonas-Regenwald ist kein fernes Problem, sondern ein Lebensraum, dessen Schicksal auch unser aller Zukunft beeinflusst.
Václav Havel, Bürgerrechtler und ehemaliger tschechischer Präsident, sagte einst: "Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht."
2025 stellen wir uns erneut an die Seite der Menschen, die den Amazonaswald bewohnen, und setzen uns maßgeblich für seinen Erhalt ein. Denn auch wir brauchen den intakten Regenwald – so wie die gesamte Welt. Diese Chance zu ergreifen, ist unsere Verantwortung.