Am 11. November 2019 beginnt die alljährliche UN-Klimakonferenz womöglich in einem Land, dessen oberster Klimadiplomat den Klimawandel als Teil einer Verschwörung von "kulturellen Marxisten" ansieht, um westliche Ökonomien "zu ersticken" und "das Wachstum Chinas zu fördern".
So abwegig das auch klingt, die Vorstellung ist keineswegs unrealistisch. Brasilien hat sich Anfang Oktober darum beworben, die übernächste Weltklimakonferenz auszurichten. Der Austragungsort der Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention wechselt jedes Jahr nach einem bestimmten Muster zwischen fünf Weltregionen – und 2019 ist Lateinamerika an der Reihe. Entschieden ist entgegen anderslautenden Meldungen noch nichts, aber Brasilien ist als wirtschaftliches und politisches Schwergewicht in der Region Favorit – oder war es zumindest bis zur Wahl Bolsonaros.
Der neue Präsident Jair Bolsonaro gilt als Klimaleugner, will den Amazonas-Regenwald für die Rinderindustrie freigeben und das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium zusammenlegen. Und am Mittwoch hat er Ernesto Araújo zum Außenminister berufen. Der bekennende Klimaleugner hat in der Vergangenheit etwa über die "Kriminalisierung" von Rindfleisch, Öl und Heterosexualität gebloggt.
In einem Eintrag vom 12. Oktober schreibt er von einer "Ideologie des Klimawandels" und einem "wissenschaftlichen Dogma". "Dieses Dogma hat dazu gedient, die Regulierungsmacht der Staaten über die Wirtschaft und die Macht internationaler Institutionen über die Nationalstaaten und ihre Bevölkerung zu erheben, das Wirtschaftswachstum in den demokratischen kapitalistischen Ländern zu bremsen und Chinas Wachstum zu fördern."
Trump als Vorbild
Araújo nennt US-Präsident Trump als Vorbild, der "diesen bereits laufenden Prozess" zu unterbrechen versuche. "Der Klimatismus ist im Grunde eine globalistische Taktik, Angst zu schüren, um mehr Macht zu erlangen", schreibt er.
Welche Rolle Brasilien in den kommenden Klimaverhandlungen spielen wird und ob das Land weiterhin zum Pariser Klimaabkommen steht, ist noch unklar. Schon jetzt zeichnet sich allerdings ab, was die neue Regierung für den Amazonas-Regenwald bedeutet.
Die Entwaldungsrate ist schon während des dreimonatigen Wahlkampfs um mindestens 50 Prozent gestiegen, berichtet das britische Fachmagazin Climate Home mit Berufung auf offizielle Angaben. Damit seien allein von August bis Oktober mehr als 167.000 Hektar Wald verschwunden – was der doppelten Fläche der Stadt New York entspricht. Beobachter sehen das als Folge der Ankündigungen Bolsonaros im Wahlkampf, den Amazonas-Regenwald für die Wirtschaft zu "öffnen" und die Umweltregulierung zurückzufahren.
Der Amazonas-Regenwald ist einer der größten CO2-Speicher der Welt. Etwa ein Fünftel der Waldfläche wurde in den vergangenen Jahrzehnten bereits gerodet. Experten fürchten, dass weitere Abholzungen den Wasserkreislauf zusammenbrechen lassen könnten, der nötig ist, um das Waldsystem und die Bewässerung eines Großteils des Kontinents zu erhalten. Und damit auch, um die Lebensgrundlage der Landwirtschaft in Brasilien und mehreren Nachbarländern zu sichern.