Ein Mähroboter fährt über einen Rasen.
Kurz soll der Rasen sein. (Foto: distel2610/​Pixabay)

Es gibt in der jetzt beginnenden Hauptreisezeit ein Szenario, dass jedem Urlauber maximalen Schrecken einjagt. Wenn man nämlich auf der ewigen Suche nach Sonne in den Süden entflohen ist und dort unverrichteter Dinge von Dauerregen erwischt wird. Das ist, auch in Zeiten des Klimawandels, nicht ganz ausgeschlossen. Und wenn man dann in den Nachrichten zur Kenntnis nehmen muss, dass in der Heimat gerade "Traumwetter" angesagt ist.

Gerhard Polt, der große bayerische Kabarettist, hat dazu einen unvergesslichen Sketch geschrieben. Eine deutsche Kleinfamilie verbringt ihren Sommerurlaub in einem spartanischen Ferienhaus in Jugoslawien – mit Tito-Porträt an der Wand – und wird von einem hartnäckigen Mittelmeertief heimgesucht. Polt als Familienvater im Trainingsanzug hält sich wacker mit der Hoffnung aufrecht, dass der Regen ja bald aufhören müsse. Schließlich befinde man sich im "Mittelmeerraum".

Derweil versucht Mutti, gespielt von der unvergleichlichen Gisela Schneeberger, die Moral aufrechtzuerhalten, trocknet die klammen Klamotten im viel zu engen Zimmerchen und kümmert sich um die in jeder Hinsicht verschnupfte Familie, während die ersten Touristen schon die Segel streichen. Schließlich herrscht in Deutschland: Traumwetter! Das weiß man aus dem einzigen deutschsprachigen Sender, der über den betagten Radioempfänger aus sozialistischer Produktion zu empfangen ist. Wenn Mutti nicht gerade mit dem unzureichend entstörten Elektromixer hantiert, was augenblicklich zu Wellensalat führt.

Solche Stein-Zeiten haben wir hinter uns. Dank Internet, diverser Wetter-Apps und Kachelmann-Push-Nachrichten aufs Handy ist man heute jederzeit über die europäische Großwetterlage informiert. Und wenn sich im gewünschten Zielgebiet etwas zusammenbraut, wird der Urlaub erst gar nicht angetreten und auf booking.com oder expedia.com ein anderes Ziel mit besserer Wetterprognose ausfindig gemacht. Das zunehmend volatile Verhalten der Generation Überall und Nirgends treibt viele Gastgeber in den Wahnsinn oder in die Pleite.

Früher neigte man eher dazu, sich mit einer gegebenen Situation abzufinden und das Beste daraus zu machen. Ich kann mich ziemlich gut an diverse verregnete Familienurlaube in meiner Kindheit und Jugend erinnern. Man mopste sich, blickte ständig nach oben in der Hoffnung auf eine lichte Stelle im strukturlosen Grau-in-Grau, man las oder schlug mit Brettspielen die Zeit tot. Mutter häkelte. Manchmal fing man an zu streiten, weil man mit der ungewohnten Nähe nicht klarkam.

Urlaub hieß Abstand vom Alltag

Doch irgendwann hörte der Regen auf, die Sonne ließ sich wieder sehen und man hatte im Zweifelsfall noch ein oder zwei schöne Wochen vor sich. Am Ende fuhr man meist mit dem Gefühl nach Hause, doch einen ziemlich gelungenen Urlaub verlebt zu haben. Bei den heute üblichen Kurzurlauben ist jeder verregnete oder infolge Krankheit beeinträchtigte Tag nicht mehr aufzuholen.

Wie das Wetter zu Hause war und was sich sonst so zutrug an heimatlichen Gestanden, bekam man früher mangels geeigneter Medien nur bruchstückhaft mit. Und das war gut so. Nur so konnte man Abstand gewinnen vom Alltag, die unabdingbare Voraussetzung für einen erholsamen Urlaub, in dem es ja weniger darum geht, ob und wo gerade die Sonne scheint oder nicht, sondern um eine Auszeit, eine Änderung des gewohnten Rhythmus, eine kleine, wenn auch vorübergehende Kursänderung.

Und wenn man dann wieder nach Hause kam, nach drei, vier langen Wochen urlaubsbedingter Abwesenheit, musste man sich auch daheim wieder einleben. Alles wirkte wie verwandelt an dem Ort, den man doch so gut kannte. Das große, dunkle Haus mit den heruntergelassenen Rollläden, es roch ganz fremd, man musste es erst wieder in Besitz nehmen.

Irgendwann in den Siebzigern verbrachten wir die großen Ferien an der französischen Atlantikküste bei Bordeaux. Sonne satt von Anfang bis Ende. Dass es der Sommer auch mit den Daheimgebliebenen gut gemeint hatte, konnte man gelegentlich den Schlagzeilen der Bild-Zeitung am Zeitungskiosk des Feriendorfes entnehmen, wo das Blatt in boulevardesker Übertreibung von "Jahrhundertsommer" schwadronierte. Doch es kümmerte einen nicht besonders. Deutschland war weit weg.

Bei der Rückkehr nach stundenlanger Autobahnfahrt dann der Schock: Deutschland lag unter einer Hitzeglocke. Und ganz ohne erfrischende Meeresbrise. Der Garten eine einzige Tragödie, der Rasen eine staubige Wüste, die Blumen längst verblüht und vertrocknet, der Salat und die Kräuter im Gemüsebeet ebenfalls. Offenbar hatte der mit gelegentlichem Gießen beauftragte Nachbar seine Pflichten vernachlässigt.

Der Kolumnist

Der Autor und Journalist Georg Etscheit aus München engagiert sich seit vielen Jahren im Umwelt- und Naturschutz. (Foto: Monika Höfler)

Zum Glück gibts heute Smart Gardening. Hightech-Sprinkleranlagen mit Temperatur und Feuchtigkeitssensoren im Boden, auf Wunsch mit einer Wetter-App gekoppelt, machen Nachbarschaftshilfe überflüssig und sorgen für sattes Grün auch nach sechs Wochen hartnäckigem Omega-Hoch. Dazu schnurrt unablässig der Mähroboter. Notfalls kann man sich über Webcam vom ordnungsmäßen Zustand der eigenen Grünanlagen aus der Ferne überzeugen. Das erspart nicht nur viel Arbeit, sondern auch manch unliebsame Überraschung. Schade eigentlich.

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