Das hat es noch nie gegeben. Ein Land verabschiedet sich offiziell mit einer Art Beerdigungszeremonie von dem, was durch den Klimawandel verloren gegangen ist. So ist es gestern in Island geschehen.
Dort, wo sich der Gletscher Okjökull einst erstreckte, enthüllten Politiker, Wissenschaftler, Künstler und ganz normale Bürger eine Gedenktafel, um an den Verlust zu erinnern.
Der Okjökull existierte 700 Jahre lang. Vor fünf Jahren war er so weit geschmolzen, dass er nicht mehr Gletscher genannt werden konnte. Er ist nur noch "Toteis".
Damit ist der Okjökull der erste große Gletscher Islands, der dem Klimawandel zum Opfer gefallen ist. Nun ist er nur noch Ok (jökull ist isländisch für Gletscher), ein Schildvulkan im Westen Islands, mit etwas Schnee darauf (siehe Fotos).
Die Gedenktafel aus Bronze wurde von dem Künstler Olafur Eliasson und dem Schriftsteller Andri Snaer Magnason gestaltet. Auf Isländisch und Englisch steht dort ein "Brief an die Zukunft", versehen mit dem Datum – August 2019 – und der aktuellen CO2-Konzentration in der Atmosphäre: 415 ppm. Vor der Industrialisierung lag sie bei 280 ppm.
Auch Islands CO2-Ausstoß steigt
"In den kommenden 200 Jahren werden voraussichtlich alle isländischen Gletscher das Schicksal des Okjökull teilen", heißt es auf der Tafel. Und weiter: "Dieses Denkmal soll zeigen, dass wir wissen, was geschieht und was getan werden muss. Nur ihr wisst, ob wir es getan haben."
Die Geste ist groß. Und sie ist zweifellos wichtig. Es wäre zu wünschen, dass sie überall auf der Welt Nachahmer findet.
So kann der Klimakrise "ein Gesicht" gegeben werden, wie Islands Ministerpräsidentin Katrin Jakobsdóttir sagte, eine der Rednerinnen bei der Zeremonie. Um fassbarer, begreifbarer zu machen, was auf dem Spiel steht.
Allerdings steht das wirklich Schwierige erst noch bevor. Nämlich das rasche und drastische Herunterfahren der Treibhausgas-Emissionen.
Bis 2030 muss der globale CO2-Ausstoß halbiert werden, damit die Menschheit beim Klimawandel einigermaßen safe ist. Alles darüber hinaus ist brandgefährlich. So steht es im Sonderbericht der Weltklimarats IPCC zum 1,5-Grad-Ziel.
Neuere Berechnungen des verbleibenden CO2-Budgets gehen sogar davon aus, dass es noch schneller gehen muss mit der Emissionsreduktion.
Islands Premierministerin Jakobsdóttir hat deshalb recht, als sie sagte, das Thema müsse auf der Agenda ganz nach oben. "Die Zeit ist gekommen, um zu handeln. Wir müssen zusammenarbeiten, wie wir das nie zuvor getan haben. Wir müssen Berge versetzen, unsere Leben und unsere Systeme neu denken."
Das gilt auch für Island selbst. In den letzten Jahren ist der CO2-Fußabdruck des Landes deutlich angewachsen – obwohl Islands Stromproduktion dank Wasserkraft und Erdwärme emissionsfrei ist. Laut Europäischer Umweltagentur liegen die Pro-Kopf-Emissionen mittlerweile bei über zehn Tonnen pro Jahr, nachdem es zuvor nur sechs Tonnen gewesen waren.
Die größten Faktoren des Wachstums sind der Tourismus und die Aluminiumproduktion.