Filip Rambousek spricht ins Mikrofon, offenbar auf einer Veranstaltung oder bei einer Präsentation.
Filip Rambousek ist einer der Journalisten hinter dem Podcast "Karbon", der auf Tschechisch und Deutsch über die Energiewende informiert. (Foto: privat)

"Bis vor Kurzem mussten wir vielen Menschen in Tschechien noch erklären, dass der menschengemachte Klimawandel existiert", sagt der tschechische Journalist Filip Rambousek. Zusammen mit seinem Kollegen Štěpán Vizi produziert er den tschechisch-deutschen Klima-Podcast "Karbon", um mehr Verständnis für die mittelosteuropäische Perspektive auf die Klimakrise zu wecken.

"Durch die spürbaren Auswirkungen der Klimakrise in Tschechien ist es für Journalisten leichter geworden, zu vermitteln, dass es Anpassung braucht", sagt Rambousek.

Wie Deutschland war auch Tschechien im vergangenen Sommer von extremen Dürrewellen betroffen. Das führte zu Wassermangel und großflächigen Waldbränden. Laut Umfragen ist in Tschechien die Mehrheit der Bevölkerung heute davon überzeugt, dass die menschengemachte Klimakrise existiert.

Schwieriger ist jedoch zu vermitteln, dass auch Emissionen gesenkt werden müssen. "Das Thema ist viel abstrakter", so Rambousek. Tschechien ist stark industrialisiert und besonders an der Autoindustrie hängen viele Arbeitsplätze. Laut dem Recherchedienst des EU-Parlaments war der tschechische Treibhausgasausstoß pro Kopf 2019 der dritthöchste in der EU.

Eine Möglichkeit, die Emissionen zu senken, wären erneuerbare Energien. Aber darüber zu schreiben, dass Tschechien einmal zu hundert Prozent mit Erneuerbaren versorgt werden könnte, fühle sich an "wie Science Fiction", sagt der Journalist Jiří Nádoba. Er ist Redakteur für Energie und Wirtschaft beim tschechischen Wochenmagazin Respekt.

Atomkraft statt Erneuerbare

Bisher dominieren im tschechischen Energiemix fossile Quellen wie Kohle, Erdgas und Erdöl. Danach folgt Atomkraft – erneuerbare Energien machen weniger als sechs Prozent aus. Um sich in den nächsten Jahren unabhängiger von fossilen Energien zu machen, setzt die tschechische Regierung auf Atomkraft und plant den Bau von sogenannten Mini-AKW.

Solarpaneele auf einem steilen Dach eines tschechischen Einfamilienhauses.
Solarpioniere gibt es in Tschechien nicht so viele. Das tschechische Solarprogramm wurde von großen Unternehmen monopolisiert. (Foto: Michal Klajban/​Wikimedia Commons)

Die tschechische und die deutsche Sichtweise auf die Atomenergie unterscheiden sich stark. "Die Mehrheit der Menschen in Tschechien befürwortet den Ausbau der Atomkraft", sagt Journalist Jiří Nádoba.

Ein Blick in die tschechische Landschaft: Meist werden die sanften Hügel nur von Büschen und Weidezäunen unterbrochen. Windräder sind weit und breit keine zu sehen.

"Die Tschechen assoziieren erneuerbare Energien mit Betrug und Korruption", sagt Nádoba. In Tschechien habe es um 2010 schon einmal einen Solarboom gegeben, von dem vor allem einzelne Investoren profitiert hätten.

Zusätzlich sei der Glaube weit verbreitet, dass Tschechien nicht die geografischen Bedingungen für erneuerbare Energien erfülle, weil es nicht genügend Wind und Sonne im Land gebe, so Nádoba. "Die Tschechen halten sich für ein sehr kleines Land, das im Klimaschutz nicht viel ausrichten kann."

Einmal schrieb Nádoba einen Text über den dänischen Plan, eine Insel für erneuerbare Energien zu bauen. Dafür erhielt er kürzlich den tschechischen Umweltjournalistenpreis "Ekopublika". In dem Wochenmagazin, für das er schreibt, werden häufig Klima-Themen aufgegriffen. "Manche Leser bezeichnen uns allein deswegen als progressiv oder als Klimaaktivisten", erzählt Nádoba.

Eine neue Generation

Im Osten Tschechiens, in Brno, organisiert Žaneta Gregorová das erste tschechische Klimajournalismus-Seminar an der Masaryk-Universität. In den tschechischen Medien habe die Klimaberichterstattung in den letzten Jahren zugenommen, so Gregorová. Dabei würden eher lokale und weniger globale Themen aufgegriffen. Vor allem in Boulevardmedien fehlten oft Hintergrundinformationen zur Klimakrise oder die Einordnung von Wetterextremen.

Gregorová blättert durch die Klima-Berichte, die ihre Studierenden im Laufe des Seminars geschrieben haben. Es geht um Aktivismus, Greenwashing und die tschechischen Kohleregionen. Sie will eine neue Generation von Klimajournalisten ausbilden.

Denn "tschechische Journalisten, die heute über die Klimakrise berichten, verstehen sich häufig nicht als Klimajournalisten". Die meisten Redaktionen hätten kein Klimaressort, so Gregorová. Deshalb gebe es in Tschechien auch noch keine landesweite Vernetzung von Klimajournalisten.

 

Gerade die landesweite Vernetzung setzt in anderen europäischen Ländern immer neue Impulse für die Klima-Berichterstattung. In Frankreich, Österreich und Deutschland wurden sogenannte Klima-Chartas für die Branche veröffentlicht.

In Tschechien entwickelt sich die Klimaberichterstattung nach und nach. In Zukunft birgt vermutlich auch die verstärkte Zusammenarbeit der tschechischen Klimajournalisten innerhalb des Landes – aber auch grenzüberschreitend – viel Potenzial.

Redaktioneller Hinweis: Mit einem Stipendium der Internationalen Journalisten-Programme arbeitete die Autorin acht Wochen in der Redaktion des tschechischen Wochenmagazins Respekt mit.