Häufig wird verfehlte Klimapolitik mit gesellschaftlicher Trägheit oder anderen, beinahe fatalistisch anmutenden Argumenten erklärt. Doch Klima-Fehlinformationen streuen sich nicht von selbst, sondern sind das Ergebnis weltweiter Kampagnen von diversen Interessengruppen.

Ein Beispiel ist der konservative US-Thinktank Heartland Institute, ein zentraler Akteur der weltweit organisierten Klimawandelleugnungs-Szene, der auch enge Beziehungen zu der deutschen wissenschaftsfeindlichen Lobbyorganisation "Europäisches Institut für Klima und Energie" (EIKE) unterhält und von Kohle- und Ölunternehmen wie Exxon Mobil finanziert wird.

Die Wirkung und der Schaden, den diese Desinformationskampagnen anrichten, werden oft unterschätzt. Nicht nur eine schlechtere allgemeine Klimabildung ist das Resultat, sondern auch eine geringere Zustimmung für Klimaschutz. 

Wissenschaftliche Unsicherheiten fehlinterpretieren und überhöhen, den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel anzweifeln oder einzelnen Wissenschaftler:innen mit Sanktionen drohen – das sind nur einige der Strategien dieser Szene. Vor zwei Jahren zeigte eine Forschungsgruppe, dass der Rufmord an Klimaforscher:innen und Entscheider:innen die häufigste Fehlinformationsstrategie war, der sich Leugner:innen bedienten. 

Daran anschließend haben nun der US-Kommunikationswissenschaftler Sergei Samoilenko und der australische Kognitionsforscher John Cook sogenannte Ad-hominem-Argumente in einer kürzlich erschienenen Studie genauer unter die Lupe genommen. Die Untersuchung ist im Fachjournal Climate Policy erschienen.

Argumentum ad hominem ("Argument zum Menschen hin") bezeichnet ein Scheinargument, das nicht auf den Inhalt eines Arguments eingeht, sondern auf die persönlichen Umstände der Person, die das Argument vorbringt. Ziel dieses Vorgehens ist in der Regel, das Gegenüber zu diskreditieren.

Fünf Formen des Ad-hominem-Arguments 

Die Autoren untersuchten Veröffentlichungen von 55 Leugner:innen-Blogs und 15 konservativen Thinktanks zwischen 2008 und 2020. Dabei analysierten sie 553 Abschnitte, die persönliche Angriffe auf Klimawissenschaftler:innen beinhalteten.

Samoilenko und Cook unterteilten die Ad-hominem-Argumente in fünf Kategorien: Voreingenommenheit, Moral, Kompetenz, Assoziation, circumstantial (umstandsbezogen). Am häufigsten richtete sich der Angriff auf die angebliche Voreingenommenheit von Klimaforscher:innen.

Beispiele, die Samoilenko und Cook in ihrer Studie aufführen, gehen so: "Panikmacher werden unglaubliche Anstrengungen unternehmen, um objektive wissenschaftliche Fakten zu manipulieren und falsch darzustellen und ihren alarmistischen Klimawahn zu verbreiten." Oder: "Sie alle haben aus ihrer Angstmacherei ein ganz schönes Geschäft gemacht."

Während sich der Vorwurf der Voreingenommenheit also vor allem darum dreht, dass Forscher:innen eigentlich einen anderen Grund haben, vor dem Klimawandel zu warnen oder über ihn zu informieren, fokussiert sich der zweithäufigste Vorwurf auf die Moral: Wegen des schlechten Charakters oder unethischen Verhaltens einer Person könne ihr grundsätzlich nicht vertraut werden.

Die drei übrigen Kategorien stellen entweder den Sachverstand infrage (Kompetenz), diskreditieren eine Person aufgrund ihrer Verbindungen zu bestimmten Individuen oder Gruppen (Assoziation) oder weisen auf Widersprüche in früheren Handlungen oder Äußerungen hin (circumstancial). Auch in Kombination treten die verschiedenen Kategorien auf.

Die Beliebtheit des Vorwurfs, voreingenommen zu sein, kann laut Studie damit erklärt werden, dass er eng mit wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit verbunden ist. Fachliche Kompetenz lässt sich leichter mit inhaltlichen Argumenten belegen als die eigene Neutralität.

"Ad-hominem-Angriffe sind für Leugner hilfreich, weil sie den Dialog von einer kritischen Diskussion (mit bestimmten Regeln für die Debatte) zu einem Verhandlungsdialog (mit anderen Regeln) machen, in dem die beschuldigte Partei sich selbst verteidigen und die öffentliche Meinung für sich gewinnen muss", schreiben die Forscher.

"Ökofaschist" und "Agitator"

Ad-hominem-Argumente verfolgen grundsätzlich den Zweck, die gesellschaftliche Debatte weg von der inhaltlichen Ebene zu bewegen. Obwohl die Studie ausschließlich englischsprachige Veröffentlichungen untersuchte, existieren ähnliche Strategien überall auf der Welt, auch in Deutschland.

Graffiti an einer Hauswand, wo das Wasser schon die Hälfte der unteren Zeile erreicht hat. der englische Text bedeutet: Ich glaube nicht an die globale Erwärmung.
Die Erhitzung des Planeten als Glaubensfrage: Populäres Graffiti des britischen Streetart-Künstlers Banksy. (Bild: Duncan Hull/​Flickr)

In einem kürzlich im Politikmagazin Cicero erschienenen Gastbeitrag kritisiert zum Beispiel der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, dass die Klimawissenschaft ihre Rolle als bloße Ratgeberin längst verlassen habe und politisch motiviert sei.

Nachdem der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber sich für Konsumeinschränkung ausgesprochen hatte, wurde er von der CDU-Landtagsabgeordneten Saskia Ludwig als "Ökofaschist" bezeichnet. Auch Schellnhubers ehemaliger Mitarbeiter Stefan Rahmstorf, ein Ozeanograf, sieht sich immer wieder persönlichen Angriffen ausgesetzt.

In einem älteren Kommentar in der Tageszeitung Die Welt wurde Rahmstorf als "Agitator" bezeichnet und der Klimawandel als Glaubensfrage dargestellt. Und bei EIKE hieß es in einem Beitrag: "Bekannte Klimaforscher der Alarmistenzunft wie Rahmstorf und Lesch sind hauptsächlich gute Politiker und Mediendarsteller."

Ähnliche Beispiele lassen sich in anderen Ländern finden. Die Argumente sind durchaus international und auch international erfolgreich. Es gibt ein globales, lautstarkes Netzwerk mit dem Ziel, Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Klimaschutzmaßnahmen zu säen. Mehr als 90 Prozent der Studien, die sich skeptisch über die Existenz oder die Ursachen des Klimawandels äußerten, stammten von konservativen Thinktanks.

In den USA werden 164 Organisationen zu diesem Netzwerk gezählt, mit vielfachen Bindungen ins Ausland. Auch in Europa existieren eng verflochtene Netzwerke. EIKE pflegt Beziehungen zur AfD, aber auch zum Wirtschaftsrat der CDU, zu Mitgliedern der Werteunion und der FDP.

Rechte Parteien gegen Klimaschutz

Die Finanzierung von EIKE bleibt dabei im Dunkeln. Gleiches gilt für andere konservative, klimawandelleugnerische Denkfabriken wie Austrian Economics Center (AEC) oder Independent Committee on Geoethics.

Rechte Parteien wie der französische Front National, die italienische Lega Nord, die österreichische FPÖ oder eben die AfD tun sich im EU-Parlament zusammen, mit dem Ziel, jedes Klimaschutz-Gesetz zu blockieren.

Samoilenko und Cook schreiben in ihrer Studie: "Ad-hominem-Angriffe auf Klimawissenschaftler sind Teil von Fehlinformationskampagnen, die darauf abzielen, die Diskussion über den Klimawandel abzuwürgen und die Umsetzung von Klimapolitik zu verzögern."

 

Erst seit Kurzem beschäftigt sich die Wissenschaft vermehrt mit solchen Strategien der Klimawandelleugung und es gibt noch viel zu erforschen. Wie effektiv sind welche Argumente? Wie stark ist ihr Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung? Was sind die wirksamsten Kommunikationsstrategien, um derartigen Desinformationskampagnen zu begegnen?

Das Ziel dieser Netzwerke ist es, den gesellschaftlichen Diskurs von einer inhaltlichen auf eine ideologische Ebene zu zerren. Denn je ideologischer der Diskurs geführt wird, desto unwichtiger wird die Frage, was wahr ist, und desto wichtiger die Frage, wer ich bin. Es ist die Aufgabe von Wissenschaft, Politik und Medien, den Diskurs nicht zu einem rein ideologischen Grabenkampf verkommen zu lassen.

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