Fleisch in der Nahaufnahme
Fleisch ist ganz offenkundig kein Nahrungsmittel wie jedes andere. Vieles, was nichts mit Ernährung zu tun hat, blockiert rasche Veränderungen, wie Status, Kultur, Alltagsroutinen. (Foto: Andreas Lischka/​Pixabay)

Am besten wäre, alle würden sehr viel weniger Fleisch essen als bislang. Das fordern Ernährungswissenschaftler genauso wie Umweltschützer seit vielen Jahren. Und jetzt auch der Weltklimarat.

In seinem neuen Sonderbericht zur Landnutzung listet der IPCC in aller Deutlichkeit auf, wie sehr der globale Fleischhunger die Lebensgrundlagen der Menschheit unter Druck setzt. Und zwar zunehmend.

Für die Tierproduktion werden mittlerweile 80 Prozent der weltweiten Agrarflächen genutzt. Das verursacht riesige Mengen an Treibhausgasen. Um Platz für noch mehr Tiere und den Anbau von Futtermitteln zu schaffen, werden Wälder gerodet, die doch so dringend zum Speichern von CO2 gebraucht werden.

Der IPCC-Bericht könnte und müsste ein Weckruf sein. Wenn der Mensch auch in Zukunft einen Planeten vorfinden will, der genug Nahrungsmittel und Trinkwasser für alle bereithält, dann muss sich etwas ändern. Dann muss die Landwirtschaft nachhaltiger werden. Und dann muss der Fleischkonsum zurückgehen.

Das zu schaffen ist durchaus möglich. Auch das betont der Weltklimarat. Doch wie man dort hinkommt, ist die große Frage.

Bislang sieht es nicht gut aus. Weder weltweit noch hierzulande.

"Harte" Maßnahmen wie Verbote will niemand. Das betont die Bundesregierung bei jeder Gelegenheit. Auch die Mehrheit der Bürger scheint das so zu sehen, wie kürzlich eine Umfrage ergab.

Bleiben nur "weiche" Maßnahmen. Also die gerade im Bundeslandwirtschaftsministerium so beliebte "Verbraucheraufklärung". Oder Anreize.

Doch diese Maßnahmen sind entweder zahnlos oder werden sogleich von allen Seiten niederkritisiert.

Seit einer gefühlten Ewigkeit appelliert die Deutsche Gesellschaft für Ernährung an das Eigeninteresse der Verbraucher: Weniger Fleisch, lautet die Botschaft, heißt mehr Gesundheit.

Das Limit für einen noch gesundheitsverträglichen Fleischkonsum liegt laut den Experten bei 300 bis 600 Gramm pro Woche. Auch das Agrarministerium setzt seit Jahren auf Informationskampagnen und Ernährungstipps für Konsumenten.

Genutzt hat es wenig. Der Fleischverzehr ist doppelt so hoch wie empfohlen. Rund 60 Kilo sind es im Durchschnitt pro Kopf und Jahr.

Vorschläge liegen auf dem Tisch

Nun liegt eine Reihe von robusteren Vorschlägen auf dem Tisch. Statt Appelle an die Einsicht der Verbraucher sollen es Preissignale richten, also die berühmten Anreize.

Eine Fleischsteuer fordert etwa der Deutsche Tierschutzbund. Mit der Extraabgabe sollen bessere Haltungsbedingungen in den Ställen finanziert werden.

Für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch sprechen sich Agrarpolitiker von SPD und Grünen aus. Statt dem ermäßigten Satz von sieben Prozent, wie er für alle Grundnahrungsmittel gilt, soll der volle Satz von 19 Prozent fällig werden.

"Die Steuerungswirkung wäre auf jeden Fall besser als bei Informationskampagnen", sagt die Ökotrophologin Melanie Speck vom Wuppertal-Institut gegenüber Klimareporter°. "Auf einer Skala von eins bis zehn wäre eine Änderung beim Mehrwertsteuersatz eine Sieben."

Neu ist auch dieser Vorschlag nicht. Das Umweltbundesamt fordert seit Langem einen höheren Steuersatz für Fleischprodukte. Den ermäßigten Satz von sieben Prozent für tierische Nahrungsmittel zählt das UBA zu den umweltschädlichen Subventionen.

Doch eine Mehrheit ist für eine Reform der Mehrwertsteuer nicht in Sicht. Obwohl es sich, wie gesagt, um eine Maßnahme handelt, die auf Anreize statt Verbote setzt, so wie es Politik und die Mehrheit der Bevölkerung befürworten.

Auch auf die aktuellen Vorschläge gab es sofort wieder Einwände, Kritik und Gegenstimmen, die eine Verteuerung von Fleisch für wenig sinnvoll und sozial unausgewogen halten, darunter Agrarministerin Julia Klöckner (CDU).

Verena Kern ist stellvertretende Chefredakteurin von Klimareporter°.

Ob der Fleischkonsum dadurch spürbar sinken würde, ist ohnehin fraglich. "Den ganz großen Effekt hätte es sicher nicht", sagt Melanie Speck. "Dazu bräuchte es noch mehr Maßnahmen."

Umweltverbände wie Nabu und BUND fordern etwa schon länger, irreführende Werbung für Fleischprodukte zu verbieten. Auch dies: kaum durchsetzbar.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) vertritt einen indirekten Ansatz. Sie will die hohen Tierbestände und die Intensiv-Tierhaltung reduzieren, indem das Düngemittelrecht verschärft wird. Das fordert die EU ohnehin, da die viele Gülle mittlerweile das Grundwasser belastet. Bis dadurch auch der Fleischverzehr sinkt, dürfte jedoch mehr Zeit vergehen als für den Klimaschutz gut ist.

Also? So wie die Dinge derzeit liegen, sind die Spielräume gering, weil die gesellschaftliche Unterstützung immer noch fehlt. Mehrheiten für wirksame Maßnahmen gegen den riesigen ökologischen Fußabdruck des Fleischkonsums werden nur dann zustande kommen, wenn Fleisch als das problematische Nahrungsmittel gesehen wird, das es ist.

Die zunehmende Zahl von Vegetariern und Veganern ist deshalb bis auf Weiteres die beste Nachricht.

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