Seit dieser Woche hat Deutschland einen Gletscher weniger. Der Südliche Schneeferner ist so stark geschmolzen, dass er nicht mehr als eigenständiger Gletscher gilt.
Wie die Bayerische Akademie der Wissenschaften mitteilt, hat sich die Eisfläche auf weniger als einen Hektar reduziert. Damit hat sich der Südliche Schneeferner seit 2018 etwa halbiert.
An den meisten Stellen ist die Eisfläche jetzt nicht einmal mehr zwei Meter dick. Auch das verbliebene Resteisfeld wird in wenigen Jahren komplett abgeschmolzen sein.
"Der Abtauprozess hat sich über mehrere Monate extrem fortgesetzt", erläuterte Gudrun Mühlbacher vom Deutschen Wetterdienst auf dem diesjährigen Extremwetterkongress in Hamburg. So gab es bereits in den Wintermonaten November und Dezember viel zu wenig Niederschläge und damit kaum neuen Schnee für den einstigen Zugspitz-Gletscher. Ein extrem sonniger Frühling mit hoher Sonneneinstrahlung und langer Sonnenscheindauer ließ das verbliebene Gletschereis dann rasch dahinschmelzen.
Verschärft wurde die Entwicklung noch durch Saharastaub, der sich im März auf den Gletscher legte. Weil durch die dunkle Staubschicht weniger Sonnenlicht reflektiert wurde als durch die Eisflächen, taute der Südliche Schneeferner noch deutlich schneller. "Schon ab 16. Juni hatten wir keinen Schnee mehr auf der Zugspitze", sagte Mühlbacher. "Das ist seit 70 Jahren nicht mehr passiert."
Die Klimakrise ist schon lange in den Alpen angekommen, aber das Verschwinden des Gletschers ist eine Zäsur. Deutschland verbleiben damit noch vier Gletscher: der Nördliche Schneeferner und der Höllentalferner an der Zugspitze sowie der Blaueis- und der Watzmanngletscher in den Berchtesgadener Alpen.
Rekordschmelze auch in der Schweiz
Auch die Alpengletscher in der Schweiz verloren in diesem Sommer massiv an Eis. Seit Jahresanfang haben sie etwa drei Kubikkilometer eingebüßt. Das sind sechs Prozent des Eisvolumens, berichtet die schweizerische Akademie der Naturwissenschaften.
Die Schweizer Gletscher schmolzen diesmal noch stärker als im bisherigen Rekordjahr 2003. "2022 war ein extremes Jahr mit einer Rekordschmelze, die alle bisherigen Extremjahre überflügelt", sagte der Gebirgshydrologe Matthias Huss.
Der mittlere Verlust bei der Eisdicke liegt in allen Regionen bei rund drei Metern. Für kleinere Gletscher bedeutet dies das Ende, sie sind praktisch verschwunden. Der Pizolgletscher, der Vadret dal Corvatsch und der Schwarzbachfirn sind ihren Gletscher-Status los.
"Der Große Aletschgletscher hat sechs Meter an Eis verloren", berichtete Huss. Das sei doppelt so viel wie das bisherige Maximum. Für den Aletsch sieht der Forscher zwei Zukunftsszenarien: Mit ehrgeizigem Klimaschutz könne ein kleiner Teil des Gletschers bewahrt werden. Ohne starken Klimaschutz drohe ein vollständiger Verlust bis 2100.
Die Ursachen für die extreme Gletscherschmelze sind die gleichen wie in Deutschland: kaum neuer Schnee im vergangenen Winter und große Mengen Saharastaub zwischen März und Mai. Die anhaltende Hitze von Mai bis Anfang September beschleunigte die Schmelze noch weiter.
... und in Österreich
Im Nachbarland Österreich erreichte die Gletscherschmelze ebenfalls ein neues Niveau. Auf Österreichs größtem Gletscher, der Pasterze auf dem Großglockner, waren die Abschmelzraten zwei- bis viermal so hoch wie im langjährigen Durchschnitt.
"Aus den einzelnen Punktmessungen werden derzeit die Massenbilanzen für die gesamte Gletscherfläche berechnet, aber schon jetzt lässt sich sagen, dass das Gletschereis der Pasterze und des Sonnblick-Gletschers ungefähr doppelt so stark geschmolzen ist wie im Durchschnitt der letzten Jahre, stellenweise sogar viermal so stark", berichtete Marion Greilinger von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien auf dem Hamburger Extremwetterkongress.
Für die Gletscher sei das der Worst Case.