Der neue Block des Atomkraftwerks Flamanville, dahinter der Atlantik.
Frankreichs nukleares Vorzeigeprojekt, der AKW-Neubau in Flamanville, hat immer mehr Probleme – während die am Netz befindlichen Reaktoren älter und älter werden. (Foto: EDF)

Der Europäische Druckwasserreaktor, kurz EPR, sollte das Prestigeprojekt der französischen Atomindustrie werden und die Renaissance der Atomkraft in Europa einleiten. Doch das EPR-Projekt des staatlichen Stromkonzerns EDF in Flamanville in der Normandie wird immer mehr zum Fiasko.

Die Inbetriebnahme der Anlage verzögert sich erneut, und die Kosten steigen weiter, wie in dieser Woche bekannt wurde. Für die aktuelle Kernkraft-Offensive von Präsident Emmanuel Macron ist das ein großer Dämpfer.

Der französische Reaktor der neuen Generation, der seit den 1990er Jahren vom Siemens-Konzern mitentwickelt wurde, wird in Flamanville an der Atlantikküste seit 2007 gebaut. Er sollte ursprünglich 2012 ans Netz gehen. Zuletzt heiß es, die Anlage solle Ende 2022 erstmals mit Brennstoff beladen werden.

Nun teilte EDF mit, der Termin seit auf das zweite Quartal 2023 verschoben worden. Ein Datum für die Inbetriebnahme wurde nicht bekannt gegeben. Bisher war Mitte 2023 als Termin dafür genannt worden, was bedeuten könnte, dass der Beginn der Stromproduktion auf 2024 verschoben wird. Das würde eine Verspätung um zwölf Jahre bedeuten.

Vom EPR-Typ gibt es bisher sechs Anlagen, je eine in Frankreich und Finnland sowie zwei in China und Großbritannien. Bereits am Netz sind die Reaktoren in China und neuerdings Finnland.

Als Grund für die neuerliche Verzögerung in Flamanville gab EDF an, es müssten noch mehrere Schweißnähte am Kühlkreislauf des Reaktors repariert werden. Zudem sollten die Probleme mit einem anderen EPR berücksichtigt werden.

Einer der beiden Reaktoren im chinesischen Taishan musste im letzten Sommer wegen technischer Probleme vom Netz genommen werden. Laut EDF ging es dabei um ein "Phänomen mechanischer Abnutzung einiger Bauteile". Dieses Problem sei auch bei anderen französischen AKW bereits aufgetreten und gelöst worden, es stelle den EPR-Reaktortyp nicht infrage.

Greenpeace fordert Baustopp

Greenpeace Frankreich hingegen vermutet, es handle sich um einen Konstruktionsfehler des Reaktordruckbehälters. Die Umweltorganisation fordert einen Baustopp in Flamanville und eine unabhängige Bewertung der Sicherheit der EPR-Reaktoren.

Die Kosten für Flamanville steigen laut EDF durch die erneute Verzögerung um weitere 300 Millionen auf 12,7 Milliarden Euro. Ursprünglich waren für Flamanville 3,3 Milliarden eingeplant worden. Der französische Rechnungshof veranschlagt Flamanville sogar auf mehr als 19 Milliarden Euro.

Eine ähnliche Kostenexplosion war bei dem finnischen Co-Projekt in Olkiluoto zu verzeichnen, wo der erste EPR erreichtet worden ist. Der Reaktor kostete statt 3,2 Milliarden Euro am Ende neun Milliarden. Er ging im vergangenen Monat in Betrieb, nach einer Bauzeit-Überschreitung von über zwölf Jahren.

Macron hatte im November den Bau weiterer Atomreaktoren angekündigt, um die Stromversorgung zu sichern und Klimaschutz zu betreiben, allerdings ohne sich auf eine Anzahl festzulegen. Eine konkrete Bauentscheidung gibt es noch nicht, wurde jüngst aber von EDF angemahnt.

In Frankreich gibt es 56 Reaktoren, die knapp 70 Prozent des verbrauchten Stroms produzieren können. Derzeit stehen allerdings 16 davon wegen Wartungen und Sicherheitsproblemen still, weswegen das Land Strom importieren muss und abgeschaltete Kohlemeiler reaktiviert hat.

Die Regierung in Paris hat Druck bei der EU gemacht, um den Bau am AKW im Rahmen der sogenannten Taxonomie als "nachhaltig" klassifizieren zu lassen. Der Grünen-Kandidat für die Präsidentschaftswahl im Frühjahr, Yannick Jadot, warnte, mit dem von Macron angestrebten Baubeginn neuer EPR drohten weitere Fiaskos.

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