In Chicago war es kälter als auf Grönland. Selbst auf dem Gipfel des Mount Everest lebte es sich zuletzt angenehmer als in der drittgrößten US-Metropole im Bundesstaat Illinois. Zumindest, wenn man nur das Thermometer anschaut und nicht bedenkt, dass es in Chicago immerhin Häuser gibt, in denen man nicht so frieren muss. Die Kältewelle in den USA ist erstaunlich. Da kann man doch verstehen, wenn US-Präsident Donald Trump twittert: "Erderwärmung, komm schnell zurück."
Nein, in Wirklichkeit nicht. Denn die Erwärmung ist ja gar nicht weg. Sie wirkt nur anders, als der mächtigste Mann der Welt sich das offenbar vorzustellen in der Lage ist. Es wird zwar im Jahresmittel praktisch überall wärmer auf dem Globus, doch es ändern sich auch Wettermuster. Und solch eine Änderung könnte nun just die extreme Kälte im Mittleren Westen der USA ausgelöst haben.
Klimaforscher rechnen für die Zukunft mit häufigeren Kälteausbrüchen auf der Nordhalbkugel als Folge einer Schwächung des Polarwirbels. Von Zeit zu Zeit könne die arktische Luft, die normalerweise wie eingezäunt auf dem Pol festsitzt, dort ausbrechen und auf die angrenzenden Kontinente wandern, erläutert der Potsdamer Professor Stefan Rahmstorf. Das passiere vor allem, wenn der Wirbel schwach sei, zusammenbreche, sich umdrehe oder in zwei Teile zerbreche. So wie das diesmal geschehen ist.
Solche Kälteausbrüche sind, so Rahmstorf gegenüber der Agentur DPA, ungewöhnlich. Doch sie sind nach einer Datenauswertung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, an dem der Ozeanograf arbeitet, in den letzten Jahrzehnten deutlich häufiger geworden.
Mehrere Studien gehen laut Rahmstorf davon aus, dass das mit der schwindenden Meereisdecke auf dem Arktischen Ozean zu tun hat, vor allem auf der Barentssee nördlich von Nordeuropa und auf der sich östlich anschließenden Karasee. Der Eisrückgang dort gilt als Folge des menschengemachten Treibhauseffekts. "Die Tatsache, dass der Polarwirbel häufiger und länger instabil wird, ist daher wahrscheinlich auch eine Folge der globalen Erwärmung", sagt Rahmstorf.
Joachim Wille ist Chefredakteur des Onlinemagazins Klimareporter°.
Der Professor formuliert vorsichtig. Ein Fakt ist das noch nicht. Es braucht noch mehr Studien und vielleicht auch mehr Zeit, um das nachzuweisen. Aber Grund genug für einen US-Präsidenten, keine Klima-Tweets mehr abzusetzen, sollte es schon sein, zumal die Experten der US-Klimabehörde derselben Meinung sind wie Rahmstorf.
Bei Trump wäre vermutlich sogar am allerbesten: überhaupt keine Tweets mehr.