Ein Sojabohnen-Feld wird maschinell geernet.
Sojaernte in Brasilien: Die Landwirtschaft in Südamerika emittiert heute mehr Lachgas als die in Europa, ein großer Teil der Produkte geht aber in den Export. (Foto: Charles Ricardo/​Pixabay)

Die weltweiten Emissionen von Lachgas sind seit dem Jahr 2009 beträchtlich angestiegen – und zwar schneller, als es der Weltklimarat IPCC prognostiziert hat. Das hat ein Forscherteam um Rona Louise Thompson vom Norwegischen Institut für Luftforschung festgestellt. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Studie jetzt im Fachjournal Nature Climate Change.

Lachgas ist der gängige Begriff für Distickstoffoxid (N2O). Die meisten Menschen dürften es vor allem als Narkosemittel aus der Medizin kennen. Tatsächlich ist Lachgas ebenso wie Kohlendioxid (CO2) und Methan ein Treibhausgas – ein sehr starkes überdies. Es entfaltet in der Atmosphäre eine 300-mal stärkere Wirkung als CO2. Lachgas verbleibt rund 120 Jahre in der Atmosphäre.

Wie die Forscher herausfanden, ist die Lachgas-Konzentration in der Luft von 270 ppb (parts per billion, Milliardstel) in der vorindustriellen Zeit auf 330 ppb im Jahr 2017 gestiegen. Die Wissenschaft geht davon aus, dass sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts der Anteil von Lachgas in der Atmosphäre über mehrere zehntausend Jahre nicht veränderte.

Hauptursache Stickstoffdüngung

Der Zuwachs seit dem Beginn der Industrialisierung geht vor allem auf das Konto der modernen Landwirtschaft. Denn Stickstoff – das wesentliche chemische Element in konventionellen Düngern – wandelt sich bei Sauerstoffmangel durch Zersetzungsprozesse in Distickstoffoxid um und kann dann aus dem Boden in die Luft entweichen.

Neben dem Düngen von Pflanzen setzen auch das Verbrennen von Biomasse und fossilen Rohstoffen sowie die Haltung von Nutztieren Lachgas frei. Es gibt aber auch natürliche Quellen, etwa Ozeane in Küstennähe, bei denen aufsteigende Strömungen Nährstoffe an die Oberfläche transportieren. Nach Schätzungen von Experten trägt Lachgas mit etwa sechs bis neun Prozent zum globalen Treibhauseffekt bei.

Und das ist nicht seine einzige negative Wirkung: In großer Höhe zerfällt Lachgas zu Substanzen, die Ozon zersetzen. Damit ist es mitverantwortlich für den Ozonabbau in der Stratosphäre. Nachdem die Verwendung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW), die als Bestandteile von Kühlmitteln und Sprays früher die Hauptursache für das Ozonloch waren, drastisch reduziert wurde, geht heute von Distickstoffoxid die größte Gefahr für die Ozonschicht aus.

Wie die Studienautoren mitteilen, wird das meiste Lachgas aus Ostasien und Südamerika in die Atmosphäre eingetragen, während die Emissionen aus Europa und auch den USA weitgehend stabil seien. Die Forscher sehen dabei einen "klaren" Zusammenhang zwischen den regional verwendeten Mengen von Stickstoffdüngern, den zu beobachtenden Überschüssen an Stickstoff in der Landwirtschaft und den regionalen Emissionen an Lachgas.

Nullemissionsziel unrealistisch

Die Wissenschaftler folgern daraus, dass es für das Erreichen der Pariser Klimaziele unabdingbar ist, nicht allein die Emissionen von CO2 zu reduzieren, die stets im Mittelpunkt stehen. Der Ausstoß von Lachgas in die Atmosphäre müsse ebenso gesenkt werden.

Mit Algenfutter gegen Rinder-Methan

Mit der Zufütterung von Algen wollen Forscher um Ermias Kebreab vom Department für Tierwissenschaften an der Universität von Kalifornien in Davis dem Ausstoß eines anderen hochwirksamen Treibhausgases, des Methans, im Sinne des Wortes zu Leibe rücken.

In Labor-Versuchen gelang es den Forschern, die Methan-Emissionen von Rindern drastisch zu reduzieren. Bei einem Anteil von 0,5 Prozent Algen im Futter ging der Methan-Ausstoß um bis zu 30 Prozent zurück, ergaben Fütterungsversuche mit männlichen Rindern. Bei einem Algen-Anteil von einem Prozent sanken die Methan-Emissionen sogar um 60 Prozent. Allerdings begannen die Tiere dann auch weniger zu fressen, berichtete Kebreab in einem Interview mit dem Standard. Der erste Test dauerte drei Monate, die einzelnen Rinder fraßen die Algen für zwei Wochen.

Das sehen auch Clemens Scheer und Klaus Butterbach-Bahl vom KIT-Institut für Meteorologie und Klimaforschung in Garmisch-Partenkirchen so, die nicht selbst an der Studie beteiligt waren. Der Abbau von Stickstoffüberschüssen bei der landwirtschaftlichen Produktion und beim Einsatz von organischem Dünger sei ein "absolutes Muss", erklären beide in einer gemeinsamen Stellungnahme. Wahrscheinlich seien die jetzt bekannten Werte "erst die Spitze des Eisbergs".

Butterbach-Bahl und Scheer gehen zwar davon aus, dass es nicht möglich sein wird, "netto null N2O-Emissionen" aus anthropogenen – von Menschen bedingten – Quellen zu erreichen. "Aber es besteht ein sehr hohes Potenzial, diese Emissionen zu verringern." Im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung und den damit einhergehenden Bedarf an Nahrungsmitteln sei das "sicherlich eine der größten Herausforderungen unserer Zeit".

"Ausstoß wird um 70 Prozent zu niedrig angegeben"

Der Klima- und Umweltphysiker Fortunat Joos von der Universität Bern bezeichnet  die Studienergebnisse als "beunruhigend", "da ansteigende Treibhausgas-Emissionen den Zielen des Klimaabkommens von Paris entgegenlaufen und eine steigende Verwendung von Stickstoffdüngern auch lokal die Umweltbelastungen erhöht".

Die Studie lege nahe, dass die Lachgas-Emissionen aus Stickstoffdüngung in den nationalen Klimaberichten an die Vereinten Nationalen "um rund 70 Prozent zu niedrig mitgeteilt werden", erklärt der Wissenschaftler aus der Schweiz.

Auch Joos sieht es jedoch als unrealistisch an, die Emissionen von Lachgas auf null zu bringen. Ein solches Ziel stehe zudem "im Konflikt mit der Ernährungssicherheit", gibt er zu bedenken. Anders als seine Kollegen hält es der Berner Klimaforscher für ausreichend, den Ausstoß von Lachgas nicht weiter anwachsen zu lassen. Dringlicher sei es, die CO2-Emissionen auf netto null zu senken. 

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