Die Grünen-Basis will einen Kompromiss mit irgendwie grünem Erdgas nicht mittragen. (Foto: Grüne NRW/​Flickr)

Auf ihrer digitalen Bundesdelegiertenkonferenz am Wochenende haben sich die Grünen strikt dagegen positioniert, Erdgas in der EU-Taxonomie als nachhaltig zu labeln. Vor dem Parteitag hatte sich Initiator Mario Hüttenhofer noch zurückhaltend gezeigt, inwiefern sein entsprechender Antrag entschärft werden könnte.

Nach dem Beschluss sagt Hüttenhofer: "Es war ein voller Erfolg." Der Antrag sei inhaltlich nahezu vollständig übernommen, vielleicht sogar etwas verschärft worden. "Wir Grünen waren uns einig, dass wir dieses Signal setzen wollen."

Der Taxonomie-Antrag richtete sich dabei nicht explizit gegen Erdgas als Übergangstechnologie. Die Frage nach der Rolle von fossilem Erdgas auf dem Weg zur Klimaneutralität sei etwas anderes als die Frage nach einem Öko-Siegel für nachhaltige Investitionen, heißt es im Beschluss.

"Es ist ein Unterschied, ob man in Deutschland Erdgaskraftwerke baut oder ob man Erdgas in die Taxonomie aufnimmt und damit für nachhaltig erklärt", erläutert Hüttenhofer gegenüber Klimareporter°. Zwar müsse man in geringem Maße auch die Kapazität von Gaskraftwerken erhöhen, als nachhaltig dürfe fossiles Gas deswegen aber nicht gelten.

Die Delegierten haben nun klare Erwartungen an das Spitzenpersonal ihrer Partei: Die grünen Mitglieder der Bundesregierung, die grüne Bundestagsfraktion und der Bundesvorstand sollen den Vorschlag der EU-Kommission eindeutig ablehnen, der die Nutzung von Atomkraft und Erdgas als nachhaltig und damit besonders förderwürdig taxiert. "Mir war wichtig, dass wir uns nicht nur klar gegen Atomkraft, sondern gerade auch gegen Erdgas positionieren", erklärt Hüttenhofer.

Bundestagsfraktion lehnt Aufnahme von Erdgas ab

Durch den Antrag stecken vor allem die verantwortlichen Grünen in der Bundesregierung nun im Spannungsverhältnis zwischen Koalition und eigener Parteibasis. Bislang waren sich die Ampel-Parteien zwar einig, den Taxonomie-Vorschlag abzulehnen, jedoch nur mit der Begründung, dass Atomkraft nicht als nachhaltig gekennzeichnet werden dürfe – zuletzt noch einmal verdeutlicht durch die Stellungnahme zur Taxonomieverordnung. 

Bislang stellte die Ampel die Aufnahme von Erdgas in die Taxonomie nicht infrage, sondern plädierte für Investitionen in Gaskraftwerke. Umweltschützer:innen kritisieren, dass sich die Regierung sogar für noch erdgasfreundlichere Vorgaben einsetze. Hüttenhofer sieht das ähnlich: "Die Stellungnahme der Bundesregierung verurteilt die Atomkraft, in Bezug auf die Aufnahme von Erdgas findet sie die Kriterien dagegen zu streng."

Zumindest für die Bundestagsfraktion bezieht Vizefraktionschefin Julia Verlinden klar Stellung. "Die Ampel hat im Koalitionsvertrag bekräftigt, dass wir dringend auf den 1,5-Grad-Pfad kommen müssen. Investitionen in Atomkraft und Erdgas sind nicht nachhaltig und gehören deswegen grundsätzlich nicht in die Taxonomie", betont sie auf Nachfrage. Investitionen müssten vorrangig in den Ausbau erneuerbarer Energien und in Energieeffizienz fließen.

Das Wirtschafts- und Klimaministerium von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) wollte auf Nachfrage von Klimareporter° keine Stellungnahme abgeben.

Schwierige Suche nach der Mehrheit

Doch auch wenn Deutschland – aus welchen Gründen auch immer – gegen den Vorschlag der EU-Kommission stimmt, geht Hüttenhofer nicht davon aus, dass diese Stimme ausschlaggebend sein wird. Es sei schwierig, im EU-Ministerrat die notwendige Mehrheit gegen den ergänzenden delegierten Rechtsakt zustande zu bekommen, doch eine eindeutige Position Deutschlands wäre ein wichtiges Signal, meint Hüttenhofer. Möglich sei auch, dass die Kommission den Antrag noch zurückzieht. "Das Debakel ist bereits jetzt riesengroß."

Der Parteitagsbeschluss ist auch an die Grünen im EU-Parlament gerichtet. Erwartet wird, dass die dortige Fraktion eine Mehrheit organisiert, um den Vorstoß der EU-Kommission abzulehnen. "Die Fraktion im Europäischen Parlament ist völlig geschlossen der Ansicht, dass Erdgas und Atomkraft nicht in die Taxonomie gehören", betont Hüttenhofer.

Das bestätigt ein Sprecher der Grünen-Fraktion. Er zeigt sich optimistisch, dass eine Mehrheit im Parlament zustande kommen könnte. Nötig seien 353 Abgeordnete, die mit Nein stimmen. Etwa 250 Abgeordnete hätten sich bereits klar gegen den Taxonomie-Entwurf positioniert. Viele andere seien noch unentschieden. Vor einem Monat hätte er gesagt, dass eine Mehrheit im EU-Parlament nicht erreichbar sei, so der Sprecher weiter. "Aber das Blatt wendet sich gerade und das ist gut für die Demokratie in Europa und die Energiewende."

Sollte es weder im EU-Parlament noch im Ministerrat eine Mehrheit gegen die Taxonomie geben, fordert der grüne Antrag die Bundesregierung auf, zu prüfen, ob der delegierte Rechtsakt haltbar ist. Wenn nicht, solle sich Deutschland der Klage von Österreich und Luxemburg anschließen oder eine eigene initiieren. "Wenn eine Klage Aussicht auf Erfolg hat, ruft unser Parteibeschluss die Bundesregierung dazu auf, vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen", macht auch Hüttenhofer deutlich.

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