Die drei Blöcke des Erdgaskraftwerks Irsching in Vohburg an der Donau mit typischen dünnen Schornsteinen.
Neue Erdgaskraftwerke möchte die Bundesregierung per EU-Taxonomie rentabler machen, dafür nimmt sie offenbar dasselbe bei der Atomkraft in Kauf. (Foto: Art Anderson/​Wikimedia Commons)

Atomkraft ist aus Sicht der Bundesregierung nicht nachhaltig. Deshalb lehnt die Ampel-Koalition eine Aufnahme der Kernenergie in die EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen ab.

Schwere Atomunfälle mit großflächigen, grenzüberschreitenden und langfristigen Gefährdungen von Mensch und Umwelt könnten nicht ausgeschlossen werden, schreibt die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zur Taxonomie-Verordnung, die die am Freitagabend nach Brüssel übermittelt hat. Atomenergie sei teuer und die Endlagerfrage nicht gelöst, heißt es weiter.

Fossiles Erdgas möchte die Regierung dagegen als Brücke bis zur Umstellung auf ein erneuerbares Energiesystem nutzen. Entsprechend votiert Deutschland in der Stellungnahme für eine Aufnahme in die Taxonomie.

Bei der Taxonomie handelt es sich um ein Klassifizierungssystem für Finanzprodukte. Mit dem System sollen Anleger:innen leichter erkennen, ob eine Geldanlage nachhaltig ist. Weil der Umbau der Wirtschaft in der EU, wie ihn die EU-Kommission mit dem Green Deal plant, Investitionen in Milliardenhöhe erfordert, soll die Finanzwirtschaft dabei helfen, die benötigten Gelder in grüne Investitionen und Vorhaben zu lenken.

Die Taxonomie-Verordnung war schon im Sommer 2020 in Kraft getreten. Nun sollen delegierte Rechtsakte zur Ausgestaltung der Verordnung festlegen, welche Wirtschaftstätigkeiten einen Beitrag zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz leisten. Im vergangenen Frühjahr hatte die EU-Kommission erste Bedingungen für nachhaltiges Wirtschaften im Sinne der Taxonomie – etwa in der Forstwirtschaft – festgelegt.

Weil die Klassifizierung von Atomkraft und Erdgas hochumstritten ist, wurde die Entscheidung mehrfach verschoben. Erst am Jahresende 2021 hat die EU-Kommission ihren Entwurf vorgelegt. Demnach sollen sowohl Atomenergie als auch Erdgas als nachhaltig gelabelt werden.

Aus Sicht der Bundesregierung braucht es neue Gaskraftwerke für eine Umstellung auf erneuerbare Energien und zur Reduktion der Treibhausgasemissionen im Energiesektor. Um schnell voranzukommen, müssten die notwendigen Investitionen in Gaskraftwerke – die später auch mit erneuerbarem Wasserstoff betrieben werden sollen – heute eingeleitet werden. Das sei im Einklang mit den Klimazielen.

"Wünsche der Gaslobby erfüllt"

Mit ihrer Stellungnahme wolle die Bundesregierung den EU-Vorschlag für neue Gaskraftwerke noch weiter aufweichen, meint dagegen die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Zwar fordere die Bundesregierung die Streichung der Zwischenziele für 2025 und 2030 bei der Beimischung von CO2-armen Gasen, aber die Emissionsgrenzwerte und -budgets sollten der Stellungnahme Deutschlands zufolge ergänzt werden. Das sei eine Aufweichung der schwachen Vorgaben.

"Die Bundesregierung setzt sogar noch die Wünsche der Gas-Lobby um, die eine Absenkung der Emissionsgrenzwerte eingefordert hatte", sagte DUH-Energieexperte Constantin Zerger. "Die Streichung der Zwischenziele für CO2-arme Gase ist dagegen richtig: Grüner Wasserstoff wird ein knappes Gut sein, er sollte nicht durch Beimischung vergeudet werden."

Eine Enttäuschung sei es, dass sich die Bundesregierung nicht ausschließlich für grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien in der Taxonomie eingesetzt habe.

Zwar glaubt auch der Fachmann von der DUH, dass ein begrenzter Neubau von Gaskraftwerken erforderlich sein wird. Das sei aber auch ohne die Verleihung eines grünen Labels durch die EU-Taxonomie möglich. Besser seien strenge klimapolitische Vorgaben für den Bau neuer Gaskraftwerke per Ordnungsrecht.

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