Demo am Rande des Weltklimagipfels in Bonn: Der BUND, einer der größten Umweltverbände Deutschlands, fordert einen schnellen Kohleausstieg (Foto: Spielvogel/Wikimedia Commons)

Wie schwierig die Regierungsbildung war, lässt sich rückblickend sehr gut am Thema Kohleausstieg beleuchten. Die neuen Koalitionäre konnten und wollten sich in ihrem Regierungsprogramm nicht auf einen sofortigen Ausstieg aus der Kohleverstromung verständigen. Stattdessen haben sie sich vertagt und erst mal die Einrichtung einer Kommission beschlossen.

Die hat einen komplizierten Namen. Sie heißt "Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung". Damit machen SPD und Union deutlich, dass sie die Kohleregionen nicht in einen kalten Entzug schubsen wollen, sondern Verantwortung für die Folgen des Strukturwandels übernehmen. Liest man den Koalitionsvertrag, gibt es am Auftrag der Kommission trotz ihres schwammigen Namens aber nicht viel zu deuteln.

Was steht da genau? Das aufzustellende Aktionsprogramm soll Maßnahmen enthalten, um die Lücke bis zum Erreichen des Klimaziels für 2020 "so weit wie möglich" zu reduzieren. Außerdem sollen Mittel benannt werden, mit denen das Klimaziel für 2030 für den Energiesektor zuverlässig zu erreichen ist. Darüber hinaus soll ein Kohleausstiegsplan mit konkretem Enddatum ausgearbeitet und die Finanzierung des Strukturwandels in den betroffenen Regionen geklärt werden. Sprich: Im Kern muss es um Klimaschutz und Kohleausstieg gehen. Genau das fordert der BUND als Umweltverband ein.

Die Bundesregierung darf jetzt keine Zeit verschwenden. In einem Dreivierteljahr sollen die Ergebnisse dieser Kommission vorliegen, die ja noch nicht mal existiert. Grundlegende Fragen sind noch nicht klar, beispielsweise welche Rolle das Umweltministerium in diesem Prozess hat. Entsprechend dem Mandat der Kommission sollten deshalb Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) das Heft des Handelns gemeinsam in die Hand nehmen – und das schnell. Sie müssen Rahmenbedingungen definieren, einen verbindlichen Arbeitsplan festlegen und Mitglieder berufen.

Der Erfolg der Kohlekommission hängt auch von einer ausgewogenen Besetzung ab. Ökologie, Soziales und Ökonomie müssen in der Kommission ihren Platz haben. Es sollten also sowohl Vertreter der Kohleindustrie – Arbeitgeber wie Beschäftigte – als auch Umweltverbände, Wissenschaft, Entwicklungsorganisationen, Kirchen und die von den Auswirkungen der Kohlegewinnung und Kohleverbrennung direkt betroffenen Regionen vertreten sein.

Sofort handeln – noch vor 2020

Wie man die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit am effektivsten schließen kann, weiß die Regierung auch ohne die Arbeit der Kommission. Die gleichen Koalitionspartner haben schließlich in ihrem 2016 verabschiedeten Klimaschutzplan 2050 schon Klimaziele für alle Sektoren vorgesehen – wobei sich zeigte, dass die größte und schnellste Wirkung das Abschalten von Kohlekraftwerken erzielt. Das muss noch vor 2020 umfangreich passieren.

Es geht dabei nicht um politische Ausrichtung, sondern um eine klimapolitische Notwendigkeit. Die ergibt sich aus dem Pariser Weltklimaabkommen – aber auch aus dem Rückhalt in der Bevölkerung. In einer aktuellen Umfrage für den BUND hat sich die Mehrheit der Bundesbürger (69 Prozent) für das Erreichen des 2020er Klimaziels ausgesprochen und von der Bundesregierung gefordert, im großen Umfang alte Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen. Es gibt also keinen Grund zu zögern.

Foto: Sebastian Hennigs

Zur Person

Antje von Broock, Jahrgang 1976, leitet das Klimateam des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Mit der Verständigung auf die Kommission haben sich Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen nur vermeintlich Zeit erkauft. Zeit ist ein knappes Gut, während der Klimawandel voranschreitet. Die klimatologischen Fakten sprechen für sich. Die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre ist seit Jahren konstant hoch, derzeit bei um die 400 ppm (parts per million).

2007, als ich auf meiner ersten Klimakonferenz (COP 13, Bali) war, lernte ich, dass eine Konzentration in solcher Höhe um jeden Preis verhindert werden muss, denn ab dieser Konzentration ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass dramatische Klimawendepunkte erreicht werden, die eine unumkehrbare Entwicklung einleiten.

Die aktuellen Beobachtungen des arktischen Meereises, das sich jedes Jahr zusehends reduziert, und die Vorhersagen der Universitäten Bremen und Innsbruck zur weltweiten Gletscherschmelze wie auch der immer schneller ansteigende Meeresspiegel zeigen exemplarisch, wohin die Reise geht.

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