Stahlrohre, im Hintergrund eine Erdölraffinerie bei Sonnenuntergang.
Statt Benzin, Diesel und Heizöl möchte die deutsche Mineralölwirtschaft in Zukunft importierte E-Fuels handeln und verarbeiten. (Foto: Kodda/​Shutterstock)

Mitunter gibt es Studien, da kommt es am Ende gar nicht so sehr auf das gewünschte Ergebnis an, sondern eher auf das, was zwischen den Zeilen steht. So nimmt sich die jüngst von den beiden Mineralölverbänden MWV und Uniti veröffentlichte Studie zu klimafreundlichen Kraftstoffen zunächst vor, den Effizienzvorsprung reiner E-Autos kleinzurechnen.

Das Ausgangsverhältnis wird noch klar benannt: Zwischen dem Direkteinsatz von Ökostrom in einem reinen Batterieauto und einem Verbrennerauto, das strombasierten Kraftstoff nutzt, gibt es einen Effizienzunterschied mit dem Faktor 5,4. Das heißt: Elektroautos, die Ökostrom tanken, sind mehr als fünfmal so effizient unterwegs, als wenn man sogenannte E-Fuels in den Tank füllt.

Das wundert auch nicht, schließlich hat die Energie der E-Fuels auf dem Weg zu den Rädern eine regelrechte Umwandlungsorgie hinter sich: Aus Ökostrom wird erst Wasserstoff gemacht, der Wasserstoff wird dann per Power-to-Liquid (PtL) methanisiert und in einen flüssigen Brennstoff verwandelt – und dann geht natürlich auch noch im Verbrennungsmotor selbst Energie verloren.

Bei einem Effizienzunterschied von mehr als 500 Prozent müsste die Sache eigentlich für alle Zeiten ziemlich klar sein, könnte man meinen. Nicht so für die Mineralölwirtschaft.

Die Ursache für den gravierenden Unterschied sieht MWV-Geschäftsführer Christian Küchen darin, dass die Effizienz "sehr national" betrachtet werde, wie er im Oktober in Berlin bei der Präsentation der vom Kölner Beratungsunternehmen Frontier Economics angefertigten Studie sagte.

Weil Wind und Sonne nie den ganzen Energiebedarf in Deutschland abdecken können, bräuchten wir, so Küchen weiter, "ganz erhebliche" Importe erneuerbarer Energien. Zudem erzeuge eine Solaranlage in Deutschland nur etwa 40 Prozent der Energie, die eine vergleichbare Anlage in Nordafrika abgebe.

Vergleiche mit Windstrom aus Patagonien und Tibet

Bei der Windkraft nimmt die Studie zum Beispiel an, dass in Patagonien oder in Tibet Windanlagen um die 6.500 Stunden laufen können. Zum Vergleich: Offshore-Windräder in der Nordsee kommen im Schnitt auf 4.000 sogenannte Volllaststunden.

Der höhere Stromertrag könnte dann, heißt es in der Studie weiter, über den Import synthetischer Kraftstoffe nach Deutschland im hiesigen Straßenverkehr genutzt werden. Verlegt man die Erzeugung des Ökostroms für die E-Fuels also ins Ausland, sieht es mit der Effizienz gleich viel besser aus.

Das allein reicht aber noch nicht aus, damit die Effizienz der E-Fuels in die Nähe der reinen E-Autos kommt. Dazu muss auch das hiesige erneuerbare Stromsystem ein bisschen schlechtgerechnet werden.

So nehmen die Experten von Frontier Economics an, dass die schwankende Erzeugung eines inländischen Sonne-Wind-Stromsystems künftig saisonal ausgeglichen wird, indem enorme Mengen Strom gespeichert werden müssen – und zwar über die besonders ineffiziente Umwandlung und Rückverstromung via grünen Wasserstoff.

Man habe sich auf die H2-Technologie konzentriert, sagte Studienautor Jens Perner auf Nachfrage, weil für die saisonal "sehr großen" zu speichernden Energiemengen nach derzeitiger Sachlage "nur chemische Energieträger wie Wasserstoff zur Verfügung stehen". Dies sei weitestgehend Konsens.

Deutsche Batterie-Autos fahren indirekt mit Wasserstoff

Auf den Punkt gebracht, läuft die Effizienzrechnung der Mineralölwirtschaft bei den E-Fuels darauf hinaus, im Ausland an den besten Standorten möglichst viel billigen Ökostrom zu erzeugen, ihn vor Ort in synthetischen Kraftstoff umzuwandeln und diesen dann – wie heutzutage Rohöl – für wenig Kosten über die Weltmeere schippern zu lassen.

Und die E-Autoflotte fährt, jedenfalls aus Sicht der Studie, indirekt auch mit Wasserstoff – als Speichermedium. Und sobald so gerechnet wird, fällt dann auch die verlustreiche Umwandlung des Ökostroms in E-Fuels im Ausland nicht mehr so stark ins Gewicht.

Selbst unter diesen recht willkürlichen Annahmen unterscheidet sich ein mit importierten E-Fuels angetriebenes Verbrennerauto von einem "heimischen" Ökostrom-Auto bei der Effizienz noch immer um den Faktor 1,6.

Wem das nicht gleich etwas sagt: Das bedeutet, dass das E-Fuel-Auto trotz Rechentricks noch immer im Schnitt um 60 Prozent, also um mehr als die Hälfte, weniger effizient ist als das Batterie-E-Auto.

Aus Sicht der Mineralölbranche ist das aber fast schon vernachlässigbar. Der Unterschied sei "sehr gering", bilanziert Perner. Die Studie spricht von einer "vergleichbaren Größenordnung".

Der Mineralölwirtschaft werden am Ende die konkreten Prozente nicht so wichtig sein. An den E-Fuels gefallen ihr ganz andere Qualitäten, vor allem die Unterschiede zum grünen Wasserstoff, der ja ebenfalls als Antriebsmedium der Zukunft gehandelt wird.

Wasserstoff zu transportieren kostet nicht nur jede Menge grüner Energie, es erfordert auch eine neue und ziemlich teure Infrastruktur mit Pipelines, Tankschiffen und Tanksäulen sowie Verbrennungsmotoren oder Brennstoffzellen.

E-Fuels zu transportieren ist dagegen bei Raumtemperatur unproblematisch und auch so kostengünstig wie Erdöl. Bisherige Infrastrukturen wie Pipelines, Tanklager und Tankstellen sind problemlos weiterverwendbar – und können mit den heute laufenden Verbrennerautos genutzt werden.

E-Fuels machen Wasserstoff Konkurrenz

Und so betonte Uniti-Geschäftsführer Elmar Kühn: Vor dem Hintergrund, dass 2030 allein hierzulande voraussichtlich noch mehr als 35 Millionen Pkw mit Verbrennungsmotor unterwegs sein werden, sei eine Politik auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene gefragt, die alle Optionen zum Klimaschutz einbezieht, "einschließlich erneuerbarer Kraftstoffe". Um Klimaneutralität zu erreichen, sei der Übergang zu E-Fuels hier der stärkere Hebel, sagte Kühn.

Möglich, dass er damit so falsch nicht liegt – aber nicht im Vergleich zum direkt eingesetzten Ökostrom, sondern im Vergleich zu dem gerade als grünes Nonplusultra in Industrie und Verkehr gehandelten Wasserstoff.

Synthetische Rohöle könne man in Raffinerien verarbeiten, sie funktionierten in aktuellen und künftigen Motoren, lobten die Branchenvertreter. Jedes Flugzeug, jedes Schiff und jeder Pkw auf der ganzen Welt lasse sich mit E-Fuels klimaneutral betreiben.

Genau besehen, rennt die Mineralölbranche damit auch offene Türen ein. So sagt das Forschungszentrum Jülich in der gerade veröffentlichen Wasserstoff-Roadmap des Landes Nordrhein-Westfalen voraus: 2050 werden in Deutschland für knapp 900 Milliarden Kilowattstunden grüner Wasserstoff und Power-to-Liquid-Kraftstoffe verbraucht – und die Hälfte davon besteht aus E-Fuels, von denen wiederum 90 Prozent importiert werden.

Dass E-Fuels aus aller Welt künftig nach Deutschland importiert werden wie heute das Öl, ist gar nicht die Überraschung. Es fragt sich nur, wofür sie am Ende wirklich eingesetzt werden.

Und da sollten die Wasserstoffleute mit größeren Sorgenfalten auf die E-Fuels schauen als die Branche, die E-Autos mit großen Batterien loswerden will.

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