Diesel-ICE in Kopenhagen
Vor ein paar Jahren fuhren noch ICEs zwischen Kopenhagen und Hamburg – die Fahrkarten gab es natürlich zum vollen Steuersatz. (Foto: Arne List/​Flickr)

"Wir setzen auf den Erfolg des neuen Tarifsystems bei der Deutschen Bahn und planen, ab 2005 zur weiteren Erhöhung der Attraktivität – insbesondere für Familien – den Mehrwert­steuer­satz für den Schienen­personen­fernverkehr auf sieben Prozent zu reduzieren."

Der Satz ist gut 17 Jahre alt und stammt aus dem zweiten rot-grünen Koalitionsvertrag von 2002. Die Grünen hatten in ihrem Wahlprogramm für die damalige Bundestagswahl gefordert, die Mehrwertsteuer im Nah- wie im Fernverkehr zu halbieren.

Im SPD-Regierungsprogramm für 2002 sucht man die Forderung vergebens, da werden der Bahn im üblichen Phrasendeutsch "faire Wettbewerbs­bedingungen" zugestanden, ohne konkret zu werden. Bekanntermaßen kam die zweite rot-grüne Koalition nur bis 2005. Dann war sie vor allem wegen der Arbeitsmarktpolitik des Kanzlers Gerhard Schröder am Ende.

Seit gefühlt ewigen Zeiten wird ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz fürs Bahnreisen von der Opposition, von Verkehrsexperten und Bahnverbänden gefordert. Die Regierungen, egal welcher Couleur, interessierte das am Ende nicht den Schienennagel. Da fragt man sich schon, was einen Verkehrsminister mit CSU-Parteibuch jetzt so unter Dampf setzt, dass er sich nun plötzlich für die Absenkung der Mehrwertsteuer für Fernbahntickets von 19 auf sieben Prozent ausspricht.

Klar, Andreas Scheuer steckt in einer veritablen Klemme. Seit das Klimakabinett in Fahrt kommt, muss er irgendwas zusammenzimmern, das CO2-Einsparungen im Verkehr verspricht.

Preiswertere Tickets könnten die Leute verleiten, eher die Bahn als das Auto oder den Flieger zu nehmen. Wer zum Beispiel den beliebten ICE-Sprinter zwischen Berlin und München nimmt, würde bei einem Steuersatz von sieben Prozent (und Sparpreisticket) überschlagsweise gerechnet bei einer Fahrt fünf bis zehn Euro weniger bezahlen. So weit, so logisch.

Nötig wäre eine umfassende Steuerreform im Verkehr

Ob das aber zum massenhaften Umsteigen bewegt, darf man zu Recht bezweifeln, zumal die Fluggesellschaften solche innerdeutschen Strecken aggressiv bewerben und mit ihren Preisen im Bereich der ICE-Spartickets bleiben.

Das fällt der fliegenden Konkurrenz mit ihren steuerlichen Privilegien nicht schwer. Nach Angaben der "Allianz pro Schiene" verteuerten sich Bahnfahrkarten seit 2010 um 16 Prozent, während Flugtickets sich um zwei Prozent verbilligten. Soll die abgesenkte Mehrwertsteuer mehr als die von Scheuer so geliebte Symbolpolitik sein, muss die Bahn von weiteren Lasten befreit werden, etwa von der Öko- und Stromsteuer oder den Trassengebühren.

Und nicht nur das: Auch dem Fliegen müssen endlich seine wahren Umwelt- und Klimakosten angerechnet werden. Die Einführung einer Kerosin- und der Ökosteuer für die Branche sind überfällig. Bahnfahren über eine abgesenkte Mehrwertsteuer nur ein wenig billiger zu machen, ist ohne großen Mehrwert für den Klimaschutz.

Das findet auch Umweltministerin Svenja Schulze, wie sie dem Spiegel jetzt anvertraute. Um das zu erkennen, braucht es nicht viel Mühe und Mut. Letzteren lässt Schulze allerdings bei der nötigen Kostenkorrektur zugunsten der Bahn vermissen. Laut einem weiteren, von dem Nachrichtenmagazin am Samstag veröffentlichten Vorab-Häppchen setzt sich die SPD-Ministerin auch für einen nationalen Einstiegspreis für die Tonne CO2 von 20 Euro ein.

Das ist nicht nur ziemlich wenig, unklar bleibt bislang auch, ob dieser Preis nur für die Bereiche gelten soll, die nicht vom Emissionshandel betroffen sind, den Autoverkehr beispielsweise, oder ob die 20 Euro überall draufgeschlagen werden sollen – also etwa auch bei der Bahn, die ja bekanntlich jede Menge Diesel verfährt und deren Strom nicht einmal zur Hälfte aus Grünstrom besteht.

Wie dem auch sei – dass Scheuer zustimmen wird, besonders CO2-trächtige Mobilitätsformen auch nur ein bisschen zu verteuern, die Gefahr besteht nicht. Da sind wir uns sicher alle einig.

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