Die "Reichweitenangst" hält heute viel Autokäufer noch davon ab, vom Benzin- oder Diesel-Pkw auf ein E‑Auto zu wechseln. Gemeint ist die Sorge, es bei längeren Fahrten nicht mehr bis zur nächsten Ladesäule zu schaffen. Doch in absehbarer Zeit dürfte es möglich sein, mit einmal Aufladen 1.000 Kilometer zu fahren.
Der Hersteller Mercedes-Benz testet derzeit eine neuartige Batterie, die das erlauben soll, in einem Serienfahrzeug. Und offenbar ist noch mehr drin. Chinesische Entwicklungsteams arbeiten an einem Akku, mit dem sogar 2.000 Kilometer möglich sind. Das brächte dann wirklich das Ende der Angst, ohne "Saft" liegenzubleiben.
Mercedes arbeitet seit 2021 mit dem US-Batteriehersteller Factorial zusammen, der sich auf sogenannte Festkörperbatterien spezialisiert hat. Diese Technologie gilt als besonders sicher, da sie in den Zellen ohne den bisher üblichen flüssigen (und brennbaren) Elektrolyt auskommt.
Außerdem ermöglicht der Wechsel zu dem Feststoff die Nutzung neuer Anodenmaterialien, was die Energiedichte des Akkus erhöht. Der Hersteller erwartet rund 25 Prozent Reichweitenplus bei einer Batterie gleicher Größe und gleichen Gewichts.
Reale Reichweiten meist deutlich niedriger als Herstellerangaben
Der Stuttgarter Autokonzern hat die neuen Lithium-Metall-Feststoffzellen nach ausführlichen Tests auf Prüfständen nun erstmals auf die Straße gebracht, verbaut im Premium-Modell EQS.
Ausgerüstet mit der bisher serienmäßigen Batterie, schafft die Limousine nach Herstellerangaben mit einer Ladung 814 Kilometer. Erfüllt die neue Technologie die Hoffnungen, wären damit also über 1.000 Kilometer drin – zumindest unter Idealbedingungen.

Feststoff-Akkus haben generell einen größeren Betriebstemperatur-Bereich als die meisten der derzeit üblichen Stromspeicher in E‑Autos. Das hat mehrere Vorteile. So sollen im Winter die Leistungseinbußen deutlich niedriger sein, weil das Vorheizen des Akkus entfällt.
Zudem sind die Batterien für höhere Betriebstemperaturen ausgelegt, im Fall von Mercedes für über 90 Grad Celsius. Das erlaubt es, das Kühlsystem innerhalb des Aggregats zu verkleinern und so Gewicht zu sparen.
Das bisherige Problem der Feststofftechnik beim Laden wurde bei der Neuentwicklung durch ein neues, "adaptives" Batteriegehäuse gelöst. So werden Brüche in der Batteriezelle verhindert, die bei dem festen statt flüssigen Elektrolyten oft auftraten und so den Stromfluss stoppten.
Die heute hierzulande angebotenen E‑Autos haben unter realistischen Bedingungen eine Reichweite von knapp 400 Kilometern, wie ein Test des Autoklubs ADAC im letzten Sommer ergab. Die Spanne: zwischen je 610 Kilometern bei den teuren Top-Modellen BMW iX und Lucid Air sowie 150 Kilometern beim kleinen Fiat 500e. Das liegt meist deutlich unter den Herstellerangaben.
Chinesischer Marktführer CATL liegt weit vorn
Der Mercedes-Benz EQS kam hier als drittbestes Fahrzeug auf 575 Kilometer – also auch spürbar weniger als die annoncierten 814 Kilometer. Insofern ist das tatsächliche Reißen der 1.000-Kilometer-Marke mit der neuen Batterie derzeit noch mit Fragezeichen zu versehen.
Trotzdem unterstreicht die Meldung von Mercedes, dass bei der Batterieentwicklung noch viele Innovationen zu erwarten sind, die die Umstellung auf E‑Mobilität beschleunigen und die "Stromer" zum vollwertigen Ersatz für Verbrenner machen.
Der größte Push ist hier allerdings aus China zu erwarten. Der dort angesiedelte weltgrößte Akkuhersteller CATL plant bereits die Massenproduktion von Feststoff-Akkus mit einer Energiedichte von bis zu 500 Wattstunden pro Kilogramm, während die aktuell im EQS getesteten Zellen 391 und die heute üblichen Lithium-Ionen-Akkus nur 180 bis 240 Wattstunden aufweisen.
In China wird schon an Zellen mit einer Energiedichte von mehr als 700 Wattstunden pro Kilo gearbeitet, wodurch Reichweiten in Richtung 2.000 Kilometer möglich werden sollen. Ein Forschungsteam dort hat diesen Wert 2024 erstmals erreicht.
Das würde bedeuten, dass ein Autofahrer mit einer durchschnittlichen Jahresfahrleistung von hierzulande rund 12.300 Kilometern seinen Pkw weniger als zehnmal pro Jahr laden müsste. Bis es so weit ist, dürften jedoch noch einige Jahre vergehen.