Schiffe verschmutzen die Meere erheblich – ob Frachter, Kreuzfahrtschiff oder Fischerboot, etwa durch Öllecks, Abgase, verlorene Container oder den Abrieb der Schiffsanstriche. Die meisten Ölverschmutzungen entstehen allerdings durch absichtliches und illegales Einleiten. Besonders stark verschmutzt unter den Meeren Europas sind die erweiterte Nordsee – einschließlich Kattegat und Ärmelkanal – sowie die Ostsee.

Welche Schadstoffe die Schiffe mehr oder weniger heimlich versenken, bleibt immer seltener unbeobachtet. Mithilfe von Radarsatelliten können zum Beispiel Ölverschmutzungen bei Tag und Nacht wie auch bei Bewölkung und Nebel registriert werden. Auf Satellitenbildern zeichnen sich Ölteppiche als dunklere Bereiche ab.

 

Auf Grundlage der Satellitenbilder nehmen Experten der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (Emsa) die ersten Auswertungen vor. Fällt ihnen etwas auf, schicken sie innerhalb kürzester Zeit eine Warnmeldung an den betroffenen Küstenstaat. Die Leistungen des Überwachungsdienstes Clean Sea Net stellt die Emsa den EU-Mitgliedsstaaten dabei kostenlos zur Verfügung.

Neben der Europäischen Kommission und EU-Agenturen wie der Emsa sind auch die Mitgliedsstaaten selbst verantwortlich für die Einhaltung der EU-Vorschriften zum Schutz der Meere. In den letzten zehn Jahren stellte die Europäische Union dafür 216 Millionen Euro bereit.

Ob die Richtlinien und Maßnahmen tatsächlich greifen, untersuchte der Europäische Rechnungshof in einem jetzt veröffentlichten Sonderbericht.

"Die EU-Vorschriften sind vorhanden, die Durchsetzung hinkt hinterher"

Der Bericht stellt beunruhigende Fakten fest. So wurden die Warnmeldungen des Satellitensystems 2022 und 2023 nur in sieben Prozent der Fälle von den zuständigen Küstenstaaten bestätigt. "Dies zeigt, dass sowohl die Satellitentechnologie als auch die von den Mitgliedsstaaten zur Überprüfung der Warnmeldungen eingesetzten Mittel begrenzt sind", erläutert Nikolaos Milionis vom Rechnungshof.

Frachter bei Marseille: Einige Verschmutzungen durch Schiffe sind gut sichtbar, die meisten aber nicht. (Bild: Roberto Venturini/Flickr)

Ein Grund dafür sind Fehlmeldungen durch natürliche Phänomene wie Algen oder Eis, aber auch die mangelnde Aktivität der EU-Staaten spielt eine Rolle, betont Kristian Sniter, Prüfungsbeauftragter des Hofes. "In den Mitgliedsstaaten wird nicht genug getan, um diese Warnungen zu überprüfen."

Deutschland bestätigte laut dem Bericht 31 Prozent der durch Clean Sea Net ermittelten möglichen Verschmutzungen und liegt so über dem Durchschnitt der EU.

In seinem Bericht listet der Rechnungshof weitere Risiken auf, etwa verlorene Container. Durch Unfälle oder unzureichende Sicherung der Ladung können Stoffe wie Plastikgranulat die Meere verschmutzen. 2019 und 2020 gelangten so eine halbe Milliarde Kunststoff-Pellets in die Nordsee. Ab 2026 soll nun eine Meldepflicht für verlorene Container eingeführt werden.

Neben Schiffwracks und Munitionsaltlasten stellt auch die Verschmutzung durch verunreinigtes Wasser von Abgaswäschern, sogenannten Scrubbern, ein Risiko für die Meere dar. Scrubber sind in den Gewässern der EU grundsätzlich erlaubt, nur einige Mitgliedsstaaten haben ihre Nutzung eingeschränkt. Die Einleitung der Abwässer der Wäscher ist dabei zulässig, wenn die Kriterien der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO eingehalten werden.

Auch Deutschland erreicht die Zielvorgabe nicht

Die Emsa kontrolliert auch, wie die Mitgliedsstaaten die EU-Vorschriften in eigenes Recht umsetzen. In der Vergangenheit hatte sie sich dabei auf die Überprüfung der Hafenstaatkontrolle konzentriert. Erst seit 2024 prüft die EU-Behörde entsprechend der Richtlinie über Hafenauffangeinrichtungen, ob Schiffsabfälle in den Häfen korrekt entsorgt werden.

Laut dem Rechnungshofbericht wird die Schiffsabfall-Richtlinie von den Mitgliedsstaaten meist nicht eingehalten. Bei mindestens 15 Prozent der Schiffe, die in EU-Häfen anlegen, müssten die Staaten die ordnungsgemäße Abfallbewirtschaftung überprüfen. Diese Vorgabe erfüllten 2023 lediglich sechs der 22 EU-Küstenländern. Auch Deutschland verfehlte die 15-Prozent-Vorgabe, wenn auch nur knapp um 1,2 Prozentpunkte.

Der Rechnungshof-Bericht

Für seinen aktuellen Bericht zur Meeresverschmutzung durch Schiffe hat der Europäische Rechnungshof (EuRH) die EU-Maßnahmen im Zeitraum von 2014 bis 2024 umfassend unter die Lupe genommen. Ziel war es, zu bewerten, ob die bestehenden Maßnahmen greifen und inwieweit sie zur Erreichung des Null-Schadstoff-Ziels beitragen, das sich die EU für 2030 gesetzt hat. Die Ergebnisse sollen in die Überarbeitung der Meeresstrategie einfließen.

Für den Bericht führten die Prüfer Besuche in Deutschland und Frankreich durch und analysierten die Situation in Nord- und Ostsee. Dabei wurden auch die bedeutenden Häfen Hamburg und Le Havre in den Blick genommen. Neben Datenanalysen und Dokumentenauswertung befragte der Rechnungshof Fachleute und Mitarbeiter der EU-Kommission und verschiedener EU-Behörden.

Die Richtlinie über die Meeresverschmutzung durch Schiffe sieht auch vor, bei einer illegalen Einleitung von Schadstoffen ins Meer Sanktionen zu verhängen. Jedoch stellte die EU-Kommission in ihrer Folgenabschätzung von 2023 fest, dass die Richtlinie EU-weit unterschiedlich ausgelegt und angewendet wird.

Außerdem geht daraus hervor, dass Verstöße selten mit wirksamen oder abschreckenden Sanktionen belegt werden. Künftig soll es zwar eine Meldepflicht für Sanktionen geben, ein einheitliches EU-weites Sanktionssystem existiert bislang jedoch nicht.

Wie viel Müll schwimmt im Meer?

Zur Bewertung des Zustands der Meere nutzen die EU-Länder unter anderem einen Schadstoff-Deskriptor, der aus der unübersehbaren Vielzahl möglicher schädlicher Stoffe die aussagekräftigsten berücksichtigt. Allerdings weist Nikolaos Milionis darauf hin, dass die Aussagekraft dieser Zusammenstellung begrenzt ist.

"Von den Tausenden kommerziell genutzten chemischen Stoffen wurden nur 45 gemessen", bemängelt der Rechnungshof-Experte. Zudem würden die überwachten Schadstoffe selten auf ihre Quellen zurückgeführt.

Einheitliche Kriterien und Methoden wurden zwar von der EU-Kommission erarbeitet, die Mitgliedsstaaten legen sie jedoch unterschiedlich aus, wie der Rechnungshof feststellt. Daher sei es kaum möglich, die genaue Menge der von Schiffen verursachten Abfälle im Meer zu bestimmen. Das liege auch daran, dass die Länder unterschiedliche Schwellenwerte zur Bewertung des "guten Umweltzustands" verwenden.

Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur und der Emsa aus dem Februar stammen 16 Prozent der Abfälle an den Stränden von maritimen Tätigkeiten.

Für die Überwachung des Mülls an Stränden verwenden die Mitgliedsstaaten ähnliche Maßstäbe, aber nicht für den Müll, der auf dem Meeresboden liegt. Gleiches gilt für den schwimmenden Müll im Meer.

 

Um die Lücken der bisherigen Maßnahmen und ihrer Umsetzung zu schließen, spricht der Rechnungshof mehrere Empfehlungen aus. So sollen die Warnungen vor Verschmutzung verbessert und die Schiffe in den Häfen besser überwacht werden. Außerdem soll der Verschmutzungsgrad des Meerwassers besser erfasst werden, gibt Milionis vom Rechnungshof an.

Die Verantwortung für saubere Meere in Europa sieht Prüfungsbeauftragter Sniter auch bei den EU-Ländern. "Wenn es intensivere Kontrollen in den Mitgliedsstaaten gibt, dann kommen wir der Nullverschmutzung näher. Ich sage nicht, dass wir sie erreichen werden, aber das ist die Richtung, in die wir gehen sollten."

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