Eine Familie steht am Straßenrand und ruft per Carpooling-App ein Auto.
Die Regeln für den Taxi- und Mietwagenverkehr passen weder zur technischen Entwicklung noch zur notwendigen Verkehrswende. (Grafik: Kristin Rabaschus)

Jeden Tag sind in Deutschland rund 30 Millionen Menschen mit Bus und Bahn unterwegs. Gut eine Million nutzen – jedenfalls vor der Pandemie – Taxen, um von A nach B zu kommen. Geregelt werden solche öffentlich zugänglichen Verkehrsmittel durch das Personenbeförderungsgesetz (PBefG).

Um es in Zeiten der Verkehrswende zu modernisieren, hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eine "Findungskommission" eingerichtet. Die einigte sich Ende Juni dieses Jahres "mehrheitlich" auf einen "breiten Konsens zur Modernisierung der Personenbeförderung", wie das Ministerium mitteilte.

Unter Modernisierung verstand die Kommission, neuartige plattformbasierte und digitale Mobilitätsangebote zu ermöglichen, die Beförderung im ländlichen Raum zu flexibilisieren sowie Pooling-Dienste zu stärken.

Bewahren will die Kommission aber auch einen fairen Ausgleich zwischen Beförderungsformen, indem zum Beispiel die Rückkehrpflicht für Mietwagen von Anbietern wie Uber oder Lyft beibehalten wird.

Anfang Oktober, fünf Monate nach dem Votum der Findungskommission, legte das Ministerium dann einen Entwurf für ein modernisiertes Personenbeförderungsgesetz vor. Mit dem Gesetzentwurf werde die Arbeit der Poolingdienste erstmals gesetzlich geregelt, lobt Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).

Denn Unternehmen wie Clevershuttle in Berlin oder Moia in Hamburg, die Fahrgäste per App "einsammeln", sind bisher nur auf der Grundlage einer Experimentierklausel unterwegs, die die Laufzeit der Mobilitätsprojekte auf vier Jahre begrenzt. Knie: "Was bisher de facto illegal war, wird jetzt durch die Gesetzesnovelle legalisiert."

Unökologische Rückkehrpflicht

Die PBefG-Novelle beendet auch für Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, einen "Wildwuchs in einer rechtlichen Grauzone" und ermögliche ein breiteres Angebot an Mobilitätsdiensten.

Weil ein ausgebuchter Poolingdienst eine bessere Klimabilanz aufweise, gelte für Poolingfahrzeuge zu Recht keine Rückkehrpflicht, dafür aber eine Pooling-Quote, um einen möglichst hohen Besetzungsgrad zu erreichen, so Gelbhaar.

Um unnötige Leerfahrten zu vermeiden, sollen Mietwagenfirmen laut dem Gesetzentwurf in den Städten beispielsweise auch "Stützpunkte" ansteuern können, wenn diese mindestens 15 Kilometer vom Hauptsitz entfernt sind.

Die Erlaubnis dafür sieht der Gesetzentwurf im Wesentlichen bei den Kommunen. Diese sollen jeweils nach den Verhältnissen vor Ort entscheiden.

"Die Politik gibt den Kommunen durch die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie sie die Rückkehrpflicht händeln", sagt Katja Diehl von Door2Door, einem Anbieter bestellbarer Fahrten mit mehreren Personen, auch "On-Demand Ride-Pooling" genannt.

Diehl hält die Rückkehrpflicht für überholt. Diese sei 1982 geschaffen worden, um Taxi- und privaten Mietwagenverkehr voneinander abzugrenzen.

"Doch im Lichte des Klimawandels und der Hoffnung, eine effektive Verkehrswende voranzutreiben, sollte besser der Schulterschluss zwischen ÖPNV, lokalen Taxi-Unternehmen und neuen digitalen Software-Anbietern gesucht werden", meint Diehl.

"Eine ganz andere Dynamik und Dominanz"

Von einem Schulterschluss ist bisher nichts zu sehen. Einen ersten Gesetzentwurf musste das Ministerium nach wenigen Tagen zurückziehen. Vor allem die Regelungen zur Rückkehrpflicht der Mietwagendienste waren auf Widerstand gestoßen.

Diese seien "nicht mehr als ein Schildbürgerstreich aus dem Scheuer-Ministerium", hatte Michael Oppermann vom Bundesverband Taxi und Mietwagen kritisiert. Die Rückkehrpflicht für Mietwagen bleibe zwar dem Namen nach erhalten, die Kontrolle aber durch neue Ausnahmen vollständig verhindert, meinte der Verbandsvertreter.

Kurswechsel: So gelingt die Verkehrswende

Der Verkehr erreicht seine Klimaziele nicht – in fast 30 Jahren sind die CO2-Emissionen des Sektors um kaum ein Prozent gesunken. Die Verkehrswende braucht es aber auch, damit Städte mehr Lebensqualität gewinnen und die Belastungen durch Lärm und Schadstoffe sinken. Klimareporter° stärkt deshalb – in Kooperation mit dem Verkehrswendebüro des Wissenschaftszentrums Berlin – den Fokus auf Verkehrsthemen und berichtet in einer Serie über Hemmnisse bei der Verkehrswende und über Lösungen für eine nachhaltige, zukunftsfähige Mobilität.

Wie das Verhältnis von Mietwagenfirmen und Taxen gesetzlich geregelt werden soll, ist noch immer einer der zentralen Streitpunkte bei der Novelle, bestätigt WZB-Experte Andreas Knie.

Einen Grund sieht er darin, dass Mietwagenmodelle wie die von Uber oder Lyft eine "ganz andere Dynamik und Dominanz haben". Ein Vorteil der neuen Anbieter sei eben, dass sie in der Gestaltung ihrer Tarife völlig frei sind.

Nach einschlägigen Angaben soll der Fahrkilometer bei einem Taxi mit 1,60 bis 1,65 Euro zu Buche schlagen, bei einem Mietwagen-Anbieter jedoch nur mit 1,10 bis 1,20 Euro.

Dieser ungleiche Wettbewerb müsse reguliert werden, findet Knie. Das leiste leider auch der neue PBefG-Referentenentwurf, den das Verkehrsministerium inzwischen vorlegte, noch nicht.

"Autos kreisen in der Stadt, bis ein Auftrag eingeht"

Für Stefan Gelbhaar gilt es dabei, nicht nur Leerfahrten zu vermeiden, sondern auch das derzeit praktizierte "Rotieren". Momentan müssten Mietwagen zwar zum Betriebssitz zurückfahren – auf welchem Weg, stehe ihnen aber frei.

Gelbhaar: "Fahrzeuge kreisen deswegen in der Stadt, bis ein neuer Auftrag via App eingeht, und verstopfen die ohnehin schon vollen Straßen." Aus seiner Sicht bleibt abzuwarten, ob alternative Abstellorte für Mietwagen die derzeitigen Probleme tatsächlich lösen.

Andreas Knie schlägt als Lösung, um die Interessen von Taxigewerbe und Mietwagenfirmen auszugleichen, die Einführung einer sogenannten "Vorbuchphase" vor.

Wenn der Kunde das Angebot einer Mietwagenfirma nutzen will, solle mindestens eine halbe Stunde zwischen dem Bestellen und der Abfahrt vergehen. "Bei einer halbstündigen Reservierungszeit bleibt das schnelle Kundenfahren den Taxis vorbehalten", vermutet der Mobilitätsexperte.

Seiner Ansicht nach sollen die Mietwagen nicht immer zum jeweiligen Betriebshof zurückkehren müssen. Schon aus ökologischen Gründen müssten deswegen weitere Mietwagen-Stützpunkte in den Kommunen gestattet werden.

Die Kommunen könnten, meint Knie, zugleich dem Taxigewerbe entgegenkommen. Diesem könnten flexiblere Tarife gestattet werden mit einer Unter- und einer Obergrenze.

Wie groß die Spannbreite der Preise dabei sein soll, darüber sei sich die Wissenschaft noch nicht ganz einig, räumt Knie ein. "Die Mietwagenfirmen müssen erlaubt sein, das Taxigewerbe darf aber auch nicht kannibalisiert werden", beschreibt Knie den Zielkonflikt.

Warten auf Scheuer

Generell gehen ihm die geplanten Änderungen am Personenbeförderungsgesetz aber nicht weit genug. "Wir müssen grundlegend darüber nachdenken, wie wir den öffentlichen Raum neu bewirtschaften", sagt er.

Für eine Verkehrswende müsse man zum Beispiel an den Anteil von 65 Prozent heran, den der motorisierte Individualverkehr im Schnitt noch am Verkehrsmarkt hat. Im übertragenen Sinne gehe es darum, die "Autofahrer aus ihren Autos herauszuholen".

Wann der nächste Gesetzentwurf auf den Tisch kommt, ist unklar. Auf entsprechende Nachfragen von Klimareporter° antwortete das Verkehrsministerium bisher nicht.

"Wahrscheinlich weiß das noch nicht einmal Bundesverkehrsminister Scheuer selbst", meint Gelbhaar. Das Gesetz solle aber "besser heute als gestern in den parlamentarischen Prozess kommen".

Gründe dafür sieht Gelbhaar genug: Den mobilen Start-ups und Initiativen laufe die Zeit davon, wenn nun die Experimentierklausel ablaufe. Das Taxigewerbe sei gegenwärtig dem Druck aus der erwähnten "rechtlichen Grauzone" ausgesetzt. Zudem benötige der öffentliche Verkehr eine saubere Grundlage für eigene Pooling-Angebote.

"Es ist in der Summe unverantwortlich, dass das Verkehrsministerium mitsamt des verantwortlichen Ministers da keinen Zug reinbringt, sondern die Novelle bislang vertändelt", kritisiert Gelbhaar.

Redaktioneller Hinweis: Andreas Knie ist Mitglied des Herausgeberrats von Klimareporter°.

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