Plastik- und anderer Müll auf dem erodierten Strand einer - nicht touristisch genutzten - Insel der Malediven.
Plastik- und anderer Müll auf dem erodierten Strand einer – nicht touristisch genutzten – Insel der Malediven. (Foto: Verena Kern)

Plastikmüll ist noch schädlicher als bislang angenommen. Die vielen Millionen Tonnen an Kunststoffen, die jedes Jahr weltweit auf Deponien, in der Umwelt und in den Ozeanen landen, sind nicht nur ein Problem für die Tierwelt, für die Luft und für den Boden und damit zum Schluss auch für den Menschen. Die Flut an Kunststoffmüll schädigt auch das Klima, nachdem sie in die Umwelt gelangt ist.

Das zeigt eine Studie der University of Hawaii, die soeben in der Fachzeitschrift Plos One erschienen ist.

Die Wissenschaftler haben untersucht, was passiert, wenn Plastik in der Umwelt verwittert und zu Mikropartikeln zerfällt. Dabei zeigte sich, dass die unterschiedlichen Kunststoffsorten wie Polycarbonat, Acryl oder Polyethylen unter UV-Licht – also unter dem Einfluss von Sonnenlicht – klimaschädliche Gase abgeben, darunter auch das besonders aggressive Methan.

Der Studie liegt ein längerfristiges Experiment zugrunde. Mehr als 200 Tage lang bestrahlte das Forscherteam Proben verschiedener Kunststoffe mit UV-Licht. Untersucht wurde ebenfalls, wie sich das Plastik verhält, wenn es zuvor rund 150 Tage lang in Salzwasser gelegen hat.

Das Ergebnis: Je länger die Plastikpartikel der UV-Strahlung ausgesetzt waren, desto mehr Treibhausgase produzierten sie. Am meisten Klimagase produzierte Polyethylen. Es ist der Kunststoff, der heute weltweit mit Abstand am häufigsten hergestellt wird – und auch am häufigsten in der Umwelt landet.

Dabei stiegen die Emissionsraten im Laufe der Zeit immer weiter an, je mehr die Partikel zu Mikroplastik zerfielen. Als Ursache vermuten die Forscher die größere Oberfläche, die entsteht, wenn die Partikel bei der Verwitterung immer kleiner werden.

"Weil bei dem Prozess Risse und Mulden im Material entstehen, vergrößert sich auch die Oberfläche, auf der die Sonne ihre schädliche Wirkung entfalten kann", sagt die Leitautorin der Studie, Sarah-Jeanne Royer. "Das trägt zu einer weiteren Beschleunigung der Treibhausgasproduktion bei."

Damit nicht genug: Die Emission von Klimagasen ist offenbar "unendlich", wie die Forscher schreiben. Hat der Zerfall des Plastiks erst begonnen, hört er nicht mehr auf. Selbst im Dunkeln gab der Kunststoff im Experiment weiter die Gase ab, also auch dann, wenn das Material nicht mehr mit UV-Licht bestrahlt wurde.

Der Umfang ist noch unklar, doch die Plastik-Produktion wächst

Die Frage, wie viel der Plastikmüll damit wohl insgesamt zum Klimawandel beiträgt, beantworten die Forscher indes sehr vorsichtig. Bislang gehen sie von einem "nicht erheblichen" Beitrag aus. Doch das muss nicht so bleiben.

"Plastik stellt eine bisher nicht beachtete Quelle klimarelevanter Spurengase dar", so formuliert es David Karl, einer der Studienautoren. "Mit der zunehmenden Anreicherung von Kunststoff in der Umwelt wird sie aber in Zukunft an Bedeutung gewinnen."

Dafür spricht, dass die weltweite Kunststoffproduktion nach wie vor rasant steigt. Derzeit werden jährlich rund 400 Millionen Tonnen Plastik produziert. In 20 Jahren dürfte sich die Menge verdoppelt haben. Bis 2050 ist nach aktuellen Prognosen von einer Vervierfachung auszugehen.

Heute werden schon vier bis acht Prozent des globalen Erdöl- und Erdgasverbrauchs für die Kunststoff-Herstellung eingesetzt. Zumeist geht es um extrem kurzlebige Produkte, die danach verbrannt oder unsachgemäß entsorgt werden.

Seit der Siegeszug der "Kunst-Stoffe" vor rund 70 Jahren begann, sind insgesamt rund 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produziert worden. Die negativen Folgen des Plastikbooms sind inzwischen nicht mehr zu übersehen.

Der Mensch hat mit seinen Kunststoff-Abfällen gigantische Plastikstrudel auf den Weltmeeren erzeugt. Der größte zwischen Hawaii und Kalifornien hat nach einer Studie eine Fläche von rund 1,6 Millionen Quadratkilometern erreicht, die dreifache Fläche Frankreichs.

Doch nicht nur die Ozeane sind mittlerweile von Plastikteilen förmlich überfüllt. Das Plastikzeitalter hat praktisch die ganze Erde fein verteilt mit Kunststoffpartikeln in Mikro- und Nanogröße überzogen.

Forscher halten dabei die "terrestrische" Belastung für langfristig sogar noch gefährlicher als die der Ozeane. Die Mini-Plastikteilchen, die auch gesundheitsgefährdende Zusatzstoffe wie Weichmacher und Stabilisatoren enthalten, landen am Ende wieder direkt beim Menschen. Sie sind in Speisefisch wie Kabeljau und Makrele gefunden worden, jüngst sogar in Flaschen-Mineralwasser. Nun ist noch eine weitere Bedrohung dazugekommen.

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