Das Bild zeigt ein Kohlekraftwerk. Im Vordergrund stehen einige Windräder.
Das Kraftwerk Mehrum am Mittellandkanal belieferte bisher einen Großteil des Landkreises Peine und der östlichen Region Hannover mit Steinkohlestrom. (Foto: Crux/​Wikimedia Commons)

Ein Trend ist es wohl noch nicht, ein Fingerzeig auf jeden Fall. Das Ausschreibungsdesign bei den Steinkohle-Auktionen bevorzugt offenbar Gebote, die Kraftwerke zu geringen Kosten und dann noch netzverträglich vom Netz nehmen wollen.

CO2-Einsparung und Klimaschutz stehen jedenfalls nicht im Vordergrund. Das legen die Ergebnisse der zweiten Ausschreibungsrunde nahe.

Durchgesetzt haben sich laut Bundesnetzagentur in der zweiten Runde die Gebote für das Uniper-Kraftwerk in Wilhelmshaven mit 757 Megawatt Leistung und für das niedersächsische Kraftwerk Mehrum mit 690 Megawatt, seit 2017 Eigentum der Holding EPH.

Hinzu kommt das 67 Megawatt starke Industriekraftwerk Deuben der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft Mibrag, ebenfalls im Eigentum der EPH. Deuben wird mit Braunkohle betrieben, fällt aber nicht unter die Braunkohle-Einigung. Kommentatoren sehen deshalb Uniper und EPH als die Gewinner der Runde.

Im Unterschied zur ersten Ausschreibung haben sich diesmal Anlagen durchgesetzt, die deutlich älter als 40 Jahre sind. Deuben südwestlich von Leipzig gehört zu den am längsten betriebenen Kraftwerken in Deutschland. Die erste Anlage war dort schon 1936 in Betrieb gegangen.

Als Industriekraftwerk, das unter anderem eine Brikettfabrik mit Strom und Wärme versorgt, lief Deuben über die Jahre ziemlich kontinuierlich durch. Die Anlagenliste der Deutschen Emissionshandelsstelle weist für Deuben von 2016 bis 2019 jedes Jahr CO2-Emissionen um die 750.000 Tonnen aus.

Schlechtere Einsparbilanz

Die anderen beiden Anlagen litten dagegen deutlich unter mangelnder Auslastung. Im Kraftwerk Wilhelmshaven sanken die CO2-Emissionen von 1,6 Millionen Tonnen 2018 auf rund 400.000 Tonnen 2019, im Kraftwerk Mehrum von 2,3 Millionen Tonnen 2018 auf 700.000 Tonnen 2019.

Anfang 2020 gab es Berichte, wonach Mehrum die meiste Zeit stillstand. Erst im September lieferte es wieder Strom – und sollte nach damaligen Berichten noch bis 2025 laufen. Hier muss der Eigentümer EPH in den letzten Monaten eine ziemliche Kehrtwende vollzogen haben.

Dass Mehrum im Jahr 2020 noch viel CO2 emittierte, ist eher unwahrscheinlich. Unabhängig davon kann 2020 wegen der Pandemie nur sehr bedingt als Referenzjahr dienen. Rechnet man stattdessen die 2019er Emissionen zusammen, dürften die jetzt stillzulegenden rund 1.500 Megawatt künftig nicht mehr als 1,9 Millionen Tonnen jährlicher CO2-Einsparung bringen.

Die CO2-Einsparbilanz der zweiten Ausschreibung fällt damit deutlich schlechter aus als die der ersten Runde. Dort wurden mit der Stilllegung von 4.800 Megawatt nach Angaben des Bundesumweltministeriums mehr als zehn Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart – pro Megawatt also im Schnitt über alle Kraftwerke etwa 2.100 Tonnen.

In Runde zwei sind es, soweit die Daten die Schätzung zulassen, um die 1.250 Tonnen pro Megawatt, also nur ungefähr 60 Prozent im Vergleich zur ersten Runde.

Wasserstoff soll Standorte retten

Gelernt hat die Bundesnetzagentur offenbar aus der Kostendebatte um die erste Steinkohle-Ausschreibung. Als sie letzte Woche die Ergebnisse der zweiten Ausschreibung veröffentlichte, gab es nur dürre Hinweise, die Ausschreibung sei erneut überzeichnet gewesen und den Zuschlag hätten drei Anlagen mit zusammen 1.514 Megawatt zu Preisen zwischen null und 59.000 Euro pro Megawatt erhalten.

Nach der ersten Runde im vergangenen Jahr hatten Bundesnetzagentur und Bundesregierung noch Kosten von 317 Millionen Euro für stillzulegende 4.800 Megawatt rechtfertigen müssen.

Als Retter der Kraftwerksstandorte tritt nun Wasserstoff auf den Plan. In Wilhelmshaven plant Uniper zusammen mit den Unternehmen Rhenus und Salzgitter AG, eine Wasserstoff-Infrastruktur zur Direktreduktion von Eisenerz aufzubauen, perspektivisch auch mit "grünem" Wasserstoff.

Am Anfang wird aber, wie bei solchen Projekten fast schon die Regel, Erdgas eingesetzt. Spitzfindige könnten jetzt sagen, dass dann am Standort eines stillgelegten Kohlekraftwerks erstmal wieder CO2 emittiert wird.

Unter dem Namen "H2Mehrum" gründete sich letztes Jahr eine Initiative, die "grünen" Wasserstoff für die Wirtschaftsregion Hannover-Braunschweig-Wolfsburg voranbringen möchte. Eine Machbarkeitsstudie soll zeigen, inwieweit sich der Standort Mehrum für den Aufbau eines Wasserstoff-Netzwerks eignet. Das Ergebnis der Studie wird für den Sommer erwartet.