Einige Windräder stehen auf einem Feld.
Ob die Projekte aus der zweiten Wind-an-Land-Ausschreibung jemals gebaut werden, ist nicht sicher. (Foto: Schulze von Glaßer)

Wie schon bei der ersten Ausschreibung für Windkraft an Land haben auch bei der zweiten Ausschreibung Bürgerenergie-Gesellschaften den Löwenanteil der bezuschlagten Projekte auf sich vereinigt. Wie die Bundesnetzagentur jetzt mitteilte, kamen in der aktuellen Runde 60 Bürgerenergieprojekte zum Zug. Das entspricht einem Anteil von 90 Prozent der Zuschläge oder 95 Prozent des Zuschlagsvolumens.

Die Netzagentur hatte in der zweiten Runde 1.000 Megawatt Windkapazität an Land ("onshore") ausgeschrieben, am Ende waren 67 Gebote mit zusammen 1.013 Megawatt erfolgreich. Abgegeben wurden insgesamt Gebote über 2.927 Megawatt. Die durchschnittlichen Kosten für Bau und Betrieb der Windparks im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, bei denen die Bundesnetzagentur den Zuschlag erteilte, lagen bei 4,28 Cent je Kilowattstunde, das ist ein Cent weniger als bei der ersten Ausschreibung.

Stärker noch als bei der ersten Wind-an-Land-Ausschreibung stehen jedoch hinter den erfolgreichen "Bürgerenergiegesellschaften" offenbar wenige Windkraft-Projektierer. Die Bundesnetzagentur räumt das selbst ein. Laut ihren Angaben geht der "überwiegende Teil der Bürgerenergiezuschläge" an Gesellschaften, aus deren Geboten ersichtlich werde, dass sie "zumindest organisatorisch einem einzelnen Projektierer zuzuordnen sind".

Auf diese Gruppe von Bietern entfielen, so die Behörde weiter, 37 Zuschläge mit 660 Megawatt. Zusätzlich seien fünf Zuschläge mit 30 Megawatt ohne das Bürgerenergieprivileg an weitere Gesellschaften dieses Projektierers gegangen. Damit, so bilanziert die Bundesnetzagentur, vereine dieser Bieter 68 Prozent der gesamten Zuschlagsmenge der Ausschreibung auf sich.

Trotz der ausführlichen Berechnungen bestätigte die Behörde gegenüber Klimareporter° nicht, dass sich hinter diesem Bieter die Unternehmensgruppe UKA verbirgt. Dabei hatte das Unternehmen bereits eine entsprechende auf gestern datierte Pressemitteilung veröffentlicht.

"Bürgergesellschaften" schnell gegründet

UKA baut nach eigener Darstellung in Deutschland und den USA Windparks und die dazugehörige Infrastruktur. Die Gruppe erbringe dabei alle Leistungen bis zur betriebsbereiten Übergabe der Windparks an institutionelle Anleger wie Fonds- und Investmentgesellschaften, Energieversorger, Stadtwerke oder Infrastrukturkonzerne, heißt es.

Viele Bürgerenergiegesellschaften, die der UKA-Gruppe zuzuordnen sind und erfolgreich an der Ausschreibung teilgenommen haben, sind dabei laut Handelsregister offenbar erst Anfang Juli gegründet worden. Entsprechend den dortigen Angaben verfügen diese Gesellschaften auch über dieselbe Geschäftsadresse im sächsischen Meißen, unter der die Zentrale der UKA-Gruppe residiert.

Gegenüber Klimareporter° räumt die UKA-Gruppe auch ein, dass die Gründungsdaten der entsprechenden Bürgerenergiegesellschaften "jung" sind. Angesichts des Umstandes, dass in der ersten Ausschreibung 96 Prozent des Zuschlagsvolumens an Bürgerenergie-Projekte gegangen waren, habe die UKA-Gruppe ihr Geschäftsmodell anpassen müssen.

Hintergrund sind die in diesem Jahr geltenden Privilegien für Bürgerenergie bei den Wind-an-Land-Ausschreibungen. Vor allem müssen diese Bewerber keine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz für ihr Windkraft-Projekt vorlegen und haben zwei Jahre länger Zeit für die Realisierung. Die UKA-Gruppe stand nach eigener Darstellung vor der Frage: "Kann ein genehmigtes Projekt überhaupt noch ein Bürgerenergie-Projekt in der Frühphase der Projektentwicklung unterbieten?"

Offenbar hat der Windkraft-Projektierer diese Frage für sich so beantwortet, dass er den Wettbewerbsvorteil der Bürgerenergie nun für sich nutzen will. So habe sich, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens, die UKA-Gruppe entschlossen, den Bürgerenergiegesellschaften als "erfahrener Partner und Projektentwickler" zur Seite zu stehen.

Die Bürgerenergie-Partner von UKA sind nach dieser Darstellung jeweils Kommanditgesellschaften, in denen UKA nicht als stimmberechtigter Gesellschafter beteiligt sei. Das entspreche im vollen Umfang den Anforderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. 

Breite Kritik am Ausschreibungssystem 

Trotz dieser verzerrenden Entwicklungen, die sich schon nach der ersten Ausschreibung deutlich zeigten, hatte die Bundesnetzagentur darauf verzichtet, daraus schon für die zweite Ausschreibung 2017 Schlüsse zu ziehen. Das soll erst für 2018 passieren. Der Behörde sei es, war in der Windbranche zu hören, einfach zu aufwendig, die für 2017 bereits fertig ausgearbeiteten Ausschreibungsunterlagen zu ändern.

So wird nach der zweiten Ausschreibung nun ähnliche Kritik laut wie nach der ersten Ausschreibung. Denn ob die immissionsrechtliche Genehmigung später wirklich erteilt wird, ist keineswegs sicher.

Auch wegen des in der zweiten Ausschreibung weiter gesunkenen Preises für Windenergie gibt es erhebliche Zweifel, ob die bezuschlagten Anlagen auch tatsächlich gebaut werden, erklärt Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der Grünen im Bundestag. Für sie muss das Ausschreibungssystem für Wind an Land grundlegend überarbeitet werden: "Die Ausschreibungsmengen müssen rauf, alle eingereichten Projekte müssen eine Genehmigung vorweisen und Windparks, die nicht verwirklicht werden, müssen sofort neu ausgeschrieben werden", fordert Verlinden.

Für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) legen die Ergebnisse der jetzigen Ausschreibung gleichfalls nahe, dass das Bürgerenergie-Privileg – wie schon in der ersten Ausschreibung – zu Fehlentwicklungen führt. Über die für 2018 bereits beschlossenen Anpassungen hinaus solle der Gesetzgeber deshalb gleich nach der Bundestagswahl über weitere Maßnahmen sprechen, fordert der Branchenverband.

Auch die UKA-Gruppe sieht, wie sie Klimareporter° wissen lässt, die aktuellen Bedingungen kritisch. Es bestehe eine "Ungleichbehandlung" zwischen genehmigten und nicht genehmigten Projekten. Nicht-Bürgerenergiegesellschaften hätten derzeit eine äußerst geringe Chance auf einen Zuschlag. Das könne das Ziel der Bundesregierung gefährden, die Akteursvielfalt zu erhalten und einen kontinuierlichen und regional gleichmäßigen Wind-Ausbau zu gewährleisten.

Ob die im Schnellverfahren gegründeten Bürgerenergie-Gesellschaften diesen Namen wirklich verdienen, ist dann noch mal eine ganz andere Frage.

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