Zelte auf Wiese vor Kanzleramt, hellblauer Himmel, zarte Wolken
Berlins erstes Klimacamp: "We4Future" haben die Organisatoren ihr politisches Zeltlager getauft. (Foto: Susanne Schwarz)

Zwischen Bundestag und Kanzleramt: Heute ist das erste Berliner Klimacamp zu Ende gegangen. Von Freitag bis Montag zelteten Klimaschützer auf einer Wiese im Regierungsviertel.

Wie viele Menschen sich insgesamt beteiligt haben, sei wegen der stark schwankenden Zahlen schwer zu sagen, heißt es bei den Organisatoren. Nicht alle seien die vollen drei Tage und Nächte geblieben, viele Berliner seien auch nur tagsüber zu Besuch gekommen. Durchgängig seien vielleicht 60 Camper dagewesen, insgesamt komme man auf etwa 600 Besucher. Die Veranstaltung war für 200 Menschen angemeldet.

Klimacamps gehören seit 2006 zu den beliebten Protestformen der Klimabewegung. Hier können verschiedene Gruppen und Menschen für ein paar Tage nach ihren Vorstellungen zusammenleben, sich austauschen und aktiv werden, ohne dass ein äußerer Anlass den Takt vorgibt, ein Gipfeltreffen von Staatschefs vielleicht oder die UN-Klimaverhandlungen.

Das ist auch die Idee, die hinter dem aktuellen Klimacamp steckt. "Wir haben gemerkt, es gibt neue Impulse in der Klimabewegung", sagt Nora Scharbach, eine Initiatorin des Camps. "Da wollten wir einen Ort schaffen, um gemeinsam zum Handeln zu kommen", so die 27-jährige Pädagogin, die neben ihrer Arbeit in einer Berliner Kita Bildung für eine nachhaltige Entwicklung studiert.

Innerhalb von zwei Monaten hat ein zwölfköpfiges Team dann das Camp organisiert – eigenständig, nicht unter dem Dach einer bestimmten Organisation. Verbindungen gibt es aber zu anderen Gruppen der Klimabewegung, vor allem "Ende Gelände" und "Fridays for Future", teilweise auch "Extinction Rebellion". 

Der "zivile Klimanotstand"

Klimacamps finden in Deutschland normalerweise fern der großen Städte in den Kohlerevieren statt. Das hat neben der Symbolik auch den pragmatischen Grund, dass die Zeltlager oft als Ausgangspunkt für Anti-Kohle-Proteste an und in Tagebauen und Kraftwerken dienen.

Mitten in Berlin ist das Format neu. Es bewegt sich sozusagen vom Herzen der Klimakrise in ihr Gehirn. Und in diesem Gehirn, so der Gedanke, haben nicht nur die Institutionen wie die Regierung und das Parlament Platz, sondern auch normale Menschen.

"Wir sprechen natürlich nicht für die gesamte Zivilgesellschaft – aber uns ist wichtig, dass die Zivilgesellschaft tätig werden kann und nicht bei allem auf die Politik warten muss", meint Nora Scharbach.

Am Sonntag haben die Camp-Teilnehmer in einer gemeinsamen Performance symbolisch den "zivilen Klimanotstand" ausgerufen. Sie versprechen damit, dass sie ihr Leben auf Klimaschutz ausrichten wollen, zu Hause, am Arbeitsplatz – überall dort, wo sie Spielraum zur Gestaltung haben.

"Raus aus der Ohnmacht"

Bernadette Betz-Gillet ist eine der Zeltenden. Sie ist nicht neu in der Umwelt-Szene, ist Mitglied beim BUND und bei Campact, wie sie erzählt. "Ich bin überzeugt, dass es wichtig ist, sich als Zivilgesellschaft zu organisieren, um aus dem Ohnmachtsgefühl herauszukommen", sagt die 66-Jährige. Eine Nacht hat sie im Klimacamp verbracht, von Samstag zu Sonntag.

Weg vom Ohnmachtsgefühl – das ist ein Wunsch, den etliche der Teilnehmer teilen. "Es ist bei einem großen Thema wie dem Klima manchmal schwierig zu sagen: Wo fange ich an?", meint Liselotte Kaul. Die 30-Jährige hat bei der Organisation des Camps geholfen. Von der Idee erfuhr sie direkt von Initiatorin Scharbach, mit der sie befreundet ist. "Für mich war das eine naheliegende Möglichkeit, etwas beizutragen."

Beinahe hätte das Klimacamp in seiner jetzigen Form nicht stattfinden können. Die Versammlungsbehörde hatte zwar die Versammlung an sich genehmigt, nicht aber das Aufstellen privater Zelte zur Übernachtung und auch nicht die Feldküche. Dann hätte man nur in den offiziellen Veranstaltungszelten schlafen können, wo nicht genug Platz für alle gewesen wäre. Essen hätte jeder selbst beschaffen müssen.

Gerichte gestatten private Zelte und Küche

Campen ja, Zelte nein? Die Klimaschützer beklagten sich über das Paradox – und unterstellten der Versammlungsbehörde, das Camp über Umwege verhindern zu wollen. "Die Vorstellung, dass Familien mit Kindern bei Sturm und Regen unter freiem Himmel schlafen, ist abwegig", ließen die Organisatoren wissen und beschritten den Rechtsweg.

Im Eilverfahren arbeiteten sie sich durch die Instanzen. Das Verwaltungsgericht Berlin lehnte den Eilantrag am vergangenen Mittwoch ab, das Oberverwaltungsgericht gab ihnen am Freitagmorgen Recht – das Aufstellen von Zelten und Küche ist erlaubt.

Zur Begründung hieß es, die Veranstaltung sei insgesamt von der Versammlungsfreiheit gedeckt. "Zelte, die nur dem Übernachten dienen, können dann nicht untersagt werden, wenn es den Nutzern gerade darum geht, an den im Camp angebotenen Veranstaltungen teilzunehmen." Zudem spreche einiges dafür, "dass die Übernachtung in privaten Zelten selbst Teil der Meinungskundgebung ist".

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