Hier soll einmal der größte künstliche Binnensee Deutschlands entstehen. (Foto: Friederike Meier)

Der Wind weht den Staub durch die Luft. Die Sandwüste des ehemaligen Tagebaus Cottbus-Nord reicht fast bis zum Horizont. Dahinter sind die dampfenden Kühltürme des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde zu sehen und ein paar Windräder.

Davor aber nur Staub, ein paar kleine Bäumchen und Trockenheit. Am Rand der riesigen Grube stehen Wilfried Ott und Sascha Fussan und haben Angst vor dem Wasser.

"Wenn der Wind so steht wie heute, wird das Wasser des Sees noch stärker in unsere Richtung gedrückt", erklärt Fussan. Denn dort, wo jetzt noch ein riesiges Loch ist, soll ab diesem Jahr der größte künstlich geschaffene Binnensee Deutschlands entstehen.

Der Name des Riesenprojekts, von dem sich die Stadt Cottbus einen Imagegewinn und mehr Tourismus erhofft: Ostsee.

Der Ostsee, nicht mit der Ostsee zu verwechseln, soll 19 Quadratkilometer groß werden. 280 Millionen Kubikmeter Wasser sind zur Flutung nötig – mehr als die Hälfte davon versickert gleich wieder im lockeren Untergrund. Laut dem Kohlekonzern Leag soll die Flutung fünf bis sechs Jahre dauern.

Das meiste Wasser soll dabei aus der Spree in den Tagebau geleitet werden. Später soll es hier einen "urbanen Stadthafen" geben, einen Sandstrand, ein Hotel, Restaurants und viele Freizeitangebote. Im November soll es nach aktuellem Planungsstand losgehen mit der Flutung.

Gummistiefel griffbereit

Ott und Fussan sehen das mit gemischten Gefühlen. Sie befürchten, dass ihr Heimatdorf Maust, das nur wenige hundert Meter vom Tagebau und damit vom künftigen See entfernt liegt, gleich mit untergeht. Denn Maust liegt tiefer als der momentan geplante Maximalwasserstand des Sees. Deshalb haben die beiden zusammen mit etwa 70 anderen Menschen aus Maust und Umgebung eine Bürgerinitiative gegründet.

"Achtung Ostsee" versteht sich ausdrücklich nicht als Gegner des Sees. "Es geht darum, dass wir keine Schäden erleiden", erklärt Fussan. Die Initiative fordert deshalb, dass der Wasserstand des Sees maximal 61,8 Meter über dem Meeresspiegel liegen soll. Ursprünglich waren 63,5 Meter als maximaler Wasserstand beantragt. Dass es jetzt nur noch 62,5 sein sollen, verbucht die Initiative als Erfolg für sich. Auch soll der See nicht mehr – wie ursprünglich vorgesehen – als Wasserspeicher genutzt werden.

Ein paar hundert Meter weiter im Heimatdorf der beiden. Maust ist ein gepflegter Ort mit vielen Holzhäusern, etwa 550 Menschen leben hier.

Steht Maust bald regelmäßig unter Wasser? Sascha Fussan (links) und Wilfried Ott von der Bürgerinitiative "Achtung Ostsee" vor einem ihrer Warnschilder. (Foto: Friederike Meier)

"Man erzählt, dass die Leute hier früher mit Gummistiefeln zum Bus gegangen sind", sagt Wilfried Ott und lacht. Früher hat er selbst in der Kohle gearbeitet, in Maust wohnt er seit 1999. Mittlerweile hat er sich so gut eingelebt, dass er den Vorsitz der Bürgerinitiative übernommen hat.

Der Grund, warum die Menschen hier gerade trockenen Fußes zum Bus gehen können, ist ausgerechnet der Tagebau. Seit man dort im Jahr 1981 mit dem Abbau der Braunkohle begonnen hat, wird der Untergrund mit Pumpen entwässert. Das Dorf, in dem das Wasser immer hoch stand, wurde etwas trockener.

Aber nass ist es immer noch. Otts Mitstreiter Sascha Fussan, der hauptberuflich in einer IT-Abteilung arbeitet, wohnt die Straße runter in einem alten Bauernhof. "Wenn es mal zwei, drei Tage richtig regnet, dann steht Wasser im Keller. Und das, obwohl die Pumpen noch laufen", erzählt er.

Deshalb befürchtet er, dass ein riesiger See nebenan das Problem noch verschärft und dass die Anwohner auf den Kosten der Wasserschäden sitzen bleiben. "Keine Versicherung tritt für Schäden durch den See ein, weil der menschengemacht ist."

Eine Hauptforderung der Initiative ist deshalb ein Entschädigungsfonds, in den das Braunkohleunternehmen Leag einzahlen soll. "Wenn dann wirklich Schäden entstehen und die Versicherung dafür nicht aufkommt, könnte man das damit ausgleichen", sagt Fussan.

Leag und Bergamt wiegeln ab

Der Kohlekonzern hingegen ist sich sicher, dass die Sorgen der Anwohner unbegründet sind: "Die heutigen Grundwasserstände unmittelbar nördlich der Dichtwand werden sich durch die Seefüllung nicht signifikant verändern", erklärt ein Leag-Sprecher auf Nachfrage.

Am nordwestlichen Rand des Sees verhindert eine unterirdische Wand, dass die ganze Umgebung trockenfällt, solange Pumpen das Wasser aus dem Tagebau abpumpen. Die Wand bietet aus Sicht der Leag in Zukunft Schutz vor dem Wasser des Ostsees.

Aber wäre ein Entschädigungsfonds nicht trotzdem eine gute Idee? Die zuständige Planungsbehörde, das Landesbergamt von Brandenburg, teilt auf Nachfrage von Klimareporter mit, dass ein solcher Fonds nicht vorgesehen ist. Der Grund: "Dafür gibt es keine gesetzliche Regelung."

Ott und Fussan haben deshalb kaum noch Hoffnung. "Man will kein Privatunternehmen zwingen, so einen Fonds einzurichten auf Anordnung des Staates", sagt Fussan. "Das ist hier wie in der Kohle."

Dass die Leag, der der Tagebau und der zukünftige See derzeit gehören, kein Interesse an den Menschen in der Region hat, ist für die Bürgerinitiative ohnehin klar. "Hauptsache schnell raus aus dem Geschäft. Die kommen erst wieder, wenn hier Gewinne zu erwirtschaften sind." Otts Stimme, die sonst tief und ruhig klingt, wird lauter, als er davon spricht.

Das Einlaufbauwerk: Von hier aus soll der Cottbuser Ostsee geflutet werden. Im Vordergrund ist der tiefer gelegene Randschlauch zu sehen. (Foto: Friederike Meier)

Auch dass der See überhaupt so groß werden soll, liegt aus Sicht der beiden an den geringeren Kosten. "Wenn man die Innenkippe nicht überfluten würde, müsste man sie verdichten. Und das wäre teurer", sagt Fussan.

Als die Braunkohle abgebaut wurde, wurde das Erdreich, das über der Kohle gelegen hatte, auf diese Kippe geladen. Deshalb ist der Untergrund dort locker und unsicher.

Ginge es nach Fussan, würden nur die tiefer gelegenen Randschläuche des Tagebaus geflutet, in der Mitte könnte dann ein großes Naturschutzgebiet entstehen. Trotzdem freut sich der Hobbyangler auch auf dem See und hat auch vor, dort einmal Boot zu fahren und zu angeln.

Dass der See ein Touristenmagnet wird und Arbeitsplätze für die vom Strukturwandel betroffene Region schafft, glaubt er allerdings nicht. "Das wird einfach nur ein großer Badesee. Wirtschaftlich kann der gar nicht sein", sagt Fussan.

Und der ehemalige Kraftwerksmitarbeiter Ott fügt hinzu: "Die Lausitz braucht neue Alternativen. Der See alleine bringt nichts." Der sei – trotz des vielen Wassers – nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

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