Blockade durch Aktivist:innen der Gruppe Letzte Generation: Die Strafverfolgung wird immer schärfer. (Bild: Felix Müller/​Wikimedia Commons)

In sieben Bundesländern hat die Polizei heute etwa 15 Wohnungen von Aktivist:innen der "Letzten Generation" durchsucht. Die Beamt:innen gingen dabei nicht gerade zimperlich vor. Laut einer Pressemitteilung der Gruppe brachen am Morgen über 25 Einsatzkräfte die Wohnungstür der bekannten Aktivistin Carla Hinrichs auf.

"Mit gezogener Waffe stürmten die Beamt:innen in Carlas Zimmer, in welchem sie noch im Bett lag", heißt es weiter. Ob 25 gezogene Waffen wirklich nötig waren, um eine schlafende Aktivistin zu überwältigen?

Das wollen wir als Journalist:innen uns nicht anmaßen zu beurteilen. Möglicherweise hatten die Beamt:innen Angst, dass Frau Hinrichs mit zwei Tuben Sekundenkleber bewaffnet hinter der Tür lauert.

Aber im Ernst: Die traurige Realität ist, dass der heutige Einsatz vor allen Dingen der Versuch war, die Letzte Generation zu delegitimieren. Indem die Gruppe mit einem martialischen Polizeiaufgebot kriminalisiert wird, soll sie gesellschaftlich isoliert werden.

Seit Monaten arbeiten konservative Kräfte daran, die Letzte Generation in die extremistische Ecke zu stellen. Da wird tief in die verbale Hetzkiste gegriffen. "Klima-Terroristen" oder der von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt geprägte Begriff "Klima-RAF" sind schon längst fester Bestandteil der Debatte.

Bayerische Polizei erklärt Letzte Generation zur kriminellen Vereinigung

Und, das muss man sich immer wieder ins Bewusstsein rufen, es geht hier um eine Gruppe, die sich mit ausschließlich gewaltfreien Protestformen für mehr Klimaschutz einsetzt.

 

Die Union fordert seit Wochen höhere Strafen für Klima-Aktivist:innen. FDP-Chef Lindner erklärte, dass gewaltfreie Straßenblockeden für ihn eine "Form physischer Gewalt" seien.

Auf diesem Nährboden fand der heutige Großeinsatz der Polizei statt. Dabei blieb es nicht bei Hausdurchsuchungen. Es wurden diverse Spendenkonten eingefroren und die Website der Letzten Generation beschlagnahmt und abgeschaltet.

Zeitweise, schreiben einige Twitter-User:innen, gelangte man statt zur Website der Letzten Generation direkt auf eine Seite der bayerischen Polizei. Dort wurde die Letzte Generation als "kriminelle Vereinigung gemäß §129 StGB" bezeichnet. Erstaunlich, obliegt eine solche Entscheidung doch für gewöhnlich den Gerichten und nicht einer bayerischen Polizeibehörde.

Die Münchner Generalstaatsanwaltschaft räumt mittlerweile ein, dass es sich bei der Formulierung um einen Fehler gehandelt hat. Schließlich bestehe derzeit nur ein Anfangsverdacht, dass die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung sein könnte.

Zwischenzeitlich wurde man bei dem Versuch, die Website der Klimaaktivist:innen zu besuchen, auf ihren Twitter-Account geleitet. Zuletzt tauchte nur noch eine Fehlermeldung auf. Immerhin für die Spenden hat die Gruppe bereits eine Lösung gefunden.

Klimaaktivist:innen sind keine Terrorist:innen

Bezüglich der "Letzten Generation" scheiden sich die Geister. Auch innerhalb der Klimabewegung. Manche finden die Aktionen sinnlos, andere stören sich an den reformistischen Forderungen oder kritisieren die hyperemotionalisierte Argumentation.

All das ist legitim und wichtiger Teil des öffentlichen Diskurses. Aber: Menschen, die sich an der Straße festkleben, sind keine Gewalttäter:innen. Menschen, die auf die Klimakrise und auf eine total verfehlte Politik hinweisen, sind keine Terrorist:innen.

Und genau aus diesen Gründen ist dieser Polizeieinsatz, egal, ob man mit der "Letzten Generation" in allen Punkten übereinstimmt oder nicht, uneingeschränkt zu kritisieren.

Und wer weiß, vielleicht sind es gerade die überzogenen Reaktionen aus Politik und Strafverfolgung, die der Gruppe den nötigen Wind in die Segel pusten. Es wäre nicht das erste Mal, dass Repression eine Welle der Solidarität ausgelöst hätte.

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