Vor dem Reichstagsgebäude in Berlin liegen Tausende Plakate, darin groß der Schriftzug
Fridays for Future veranstaltete heute einen globalen Klimastreik per Livestream im Netz. Auch in Berlin konnten vorher Streik-Plakate an Sammelstellen abgegeben werden. (Foto: Fridays for Future)

Tausende Plakate liegen vor Gebäuden politischer Institutionen in ganz Deutschland. Allein in Berlin hat Fridays for Future Protestplakate von 10.000 Aktiven vor das Reichstagsgebäude gelegt. Nur die Demonstrant:innen fehlen. Denn die befanden sich auf Twitter, Instagram oder Youtube. Wegen der Einschränkungen durch die Coronakrise musste der globale Klimastreik ins Netz verlegt werden.

Auch Nick Heubeck war nicht auf der Straße. Der Aktivist erlebte den fünften globalen Streik via Livestream vor seinem Laptop in Bamberg. "Das Ziel ist es, darauf aufmerksam zu machen, dass die Klimakrise auch in Zeiten von Corona nicht vergessen werden darf."

Am Tag des globalen Klimastreiks fanden weltweit digitale Aktionen statt. Fridays for Future Deutschland hatte seine Mitglieder unter den Hashtags #fighteverycrisis und #netzstreikfürsklima aufgerufen, Streik-Selfies von zuhause zu posten. Die Social-Media-Kanäle sollten von Klimabotschaften durchflutet werden.

Auch ein Livestream wurde ins Leben gerufen. Der Start um 12 Uhr verzögerte sich, stattdessen erschien zunächst ein Standbild: "Wir sind gleich zurück. Aber dieser Stream läuft immer noch besser als die Klimapolitik der Groko."

Ruf nach sozial-ökologischer Krisenbewältigung

Genau diese Botschaft sollte durchdringen, denn Fridays for Future will erreichen, dass die Coronakrise nach sozialen und ökologischen Kriterien bewältigt wird.

"Wenn Millionen an Steuergeldern ausgeschüttet werden, ist das ja erstmal etwas Gutes, aber wir haben jetzt diese einmalige Chance, dass wir die Wirtschaft nachhaltig und sozial gestalten", appelliert Heubeck. Fridays for Future versuche, "die Leute darauf aufmerksam zu machen, beide Krisen zusammenzudenken".

Bei der Bewältigung früherer Krisen wie der Finanzkrise habe die Politik nie auf den Klimaschutz geachtet. Für das Klima habe das schlimme Folgen gehabt, kritisiert der Aktivist. "Das dürfen wir jetzt nicht wieder zulassen. Wenn Steuergelder eingesetzt werden, dann müssen sie der Gesellschaft dienen." 

Klimaschädliche Verbrennungsmotoren sollten beispielsweise nicht gefördert werden, meint Heubeck und spielt damit auf die immer lauter werdenden Stimmen aus der Autoindustrie an, die wegen der Umsatzverluste in der Coronakrise eine Kaufprämie für Neufahrzeuge wünschen.

Die neue Abwrackprämie soll am 5. Mai bei einem Autogipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) diskutiert werden. Nach Informationen des Handelsblatts fordert der Volkswagen-Konzern eine Prämie nicht nur für E-Autos, sondern auch für "moderne Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor".

"Nicht das Klima retten, sondern uns"

Auf einen weiteren Zusammenhang von Corona- und Klimakrise wiesen dann im Live-Streik-Video der Arzt und TV-Moderator Eckart von Hirschhausen und die Ärztin Sylvia Hartmann hin. "Die Lunge ist besonders für Luftschadstoffe empfänglich", sagte Hartmann, und für diese Schadstoffe sei die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas verantwortlich.

Etwa ein Drittel aller Schlaganfälle oder Lungenkrebserkrankungen würden nicht durch Rauchen, sondern durch Luftschadstoffe verursacht, so die Ärztin im Video. "Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns", meinte Hirschhausen. "Wenn wir so viele Kredite aufnehmen müssen, dann doch bitte für eine nachhaltige Wirtschaft."

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Zwischen Auftritten verschiedener Künstler:innen wie Clueso oder Lena Meyer-Landrut wurden immer wieder Aktionen verschiedener Fridays-Ortsgruppen gezeigt. So machten Aktivist:innen aus dem Rheinischen Braunkohlerevier auf den Tagebau Garzweiler und das damit verbundene Abbaggern ganzer Dörfer aufmerksam.

214.000 Aufrufe zählte der Veranstalter Fridays for Future auf allen Plattformen während des knapp dreistündigen Livestreams. Es sei die "größte Onlinedemonstration der Geschichte" gewesen. Weitere rund 40.000 Beiträge wurden auf Twitter gezählt.

Auch für Nils Heubeck ist das ein großer Erfolg. "Ich bin mir sicher, da haben wir heute ein riesiges Zeichen gesetzt", findet der Klimaaktivist. Zwar hätten nur Interessierte die Fridays-for-Future-Demonstration angesehen, doch "die vielen Plakate, die es in mehreren Städten gab, sehen die Leute ja auch beim Spazierengehen".

Und vielleicht ist es auch gut, wenn die Öffentlichkeit Fridays for Future nicht immer nur mit den bekannten Schulstreiks identifiziert. Heute – wie auch schon einmal rund um die letzten Sommerferien – ist deutlich geworden, dass die Bewegung auch anders präsent sein kann.

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