Eine Landwirtschaft, die nur mit chemischen Pestiziden funktioniert, ist weder nachhaltig noch klimafreundlich. (Bild: Frank Vincentz/​Wikimedia Commons)

Auf einem großen Teil der Ackerflächen in Deutschland werden mehrmals im Jahr Pestizide eingesetzt, pro Hektar im Schnitt 8,8 Kilogramm. Das belastet die Umwelt.

Doch während die Pestizid-Wirkstoffe immer seltener im Grundwasser gefunden werden, sind Bäche weiterhin betroffen. Deutschland sei "weit vom Ziel der 'unbelasteten Gewässer in gutem ökologischem Zustand' entfernt", urteilt das Umweltbundesamt (UBA), das eine Studie zu den "Kleingewässern" veröffentlicht hat.

Laut der Untersuchung überschritten die gemessenen Pestizide in 80 Prozent der untersuchten Bäche in der Agrarlandschaft Deutschlands die für Tiere und Pflanzen festgelegten Grenzwerte. Die Pestizidbelastung ist laut UBA dort besonders hoch, wo viele Pestizide auf umliegenden Äckern eingesetzt werden.

Das Bundesamt betont, wie wichtig ein guter ökologischer Zustand der Bäche ist. Sie seien nicht nur der Lebensraum zahlreicher Tiere und Pflanze, sie transportierten auch Schadstoffe weiter in größere Gewässer, die dann auch für die Trinkwassergewinnung eine Rolle spielen. "Deshalb sollen auch kleine Gewässer in der Agrarlandschaft möglichst schadstofffrei sein", so das UBA.

Tatsächlich gelangen weit höhere Mengen an Pestiziden in die Gewässer als erwartet, wie ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig bei Auswertung von Wasserproben für das UBA ermittelte. Danach überschritten Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe in jeder zweiten Probe die akzeptablen Konzentrationen.

Weiterer Befund: Die Pestizidrückstände hätten weit stärkere Auswirkungen auf die Tiere und Pflanzen im Gewässer als bislang angenommen. "Die Lebensgemeinschaft der Insekten war in vier von fünf untersuchten Bächen nur in einem mäßigen bis schlechten Zustand", berichtet das Amt. Das Team wurde von UFZ-Professor Matthias Liess geleitet.

Lücken in der Zulassung, Ausnahmen bei der Anwendung

Bei den Untersuchungen, dem sogenannten "Kleingewässer-Monitoring", waren 2018/​2019 über 100 Gewässerabschnitte in direkter Nähe zu landwirtschaftlichen Flächen untersucht worden, ergänzt wurde dies durch weitere Erhebungen 2021. An zehn Messstellen wurden erstmals auch Daten zur Pestizid-Ausbringung der Agrarbetriebe aus der Umgebung mit ausgewertet.

Pestizide und Klima

Der Einsatz von Pestiziden bremst den Klimawandel, sagt die Agrarindustrie. Die Klimaforschung kommt zu einem anderen Ergebnis. Herstellung und Entsorgung von Pestiziden, einschließlich der erforderlichen Reinigung des Grundwassers zur Trinkwassergewinnung, seien sehr energieintensiv, heißt es etwa bei der Helmholtz-Klima-Initiative. Insgesamt ist die Produktion agrarindustrieller "Inputs" – chemische Düngemittel und Pestizide sowie Futtermittel – einschließlich nachgelagerter Prozesse laut dem IPCC-Sonderbericht zu Landsystemen für rund fünf bis zehn Prozent des menschengemachten Treibhausgasausstoßes verantwortlich. (mb)

Nachgewiesen wurde dabei, was zu erwarten war: Je mehr Pestizide auf den umgebenden Äckern eingesetzt wurden, desto stärker waren die Gewässer mit Rückständen belastet. Vor allem durch Regenfälle gelangten sie in die Bäche.

Es zeigte sich aber auch: Bewachsene Gewässer-Randstreifen, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden, können diesen Oberflächenabfluss reduzieren.

UBA-Präsident Dirk Messner sagte: "Das Kleingewässer-Monitoring zeigt deutlich, dass unsere Gewässer nicht ausreichend vor Belastungen, insbesondere durch Pflanzenschutzmittel-Rückstände, geschützt sind." Trotz der existierenden Umweltauflagen im Rahmen der Pflanzenschutzmittel-Zulassung werde hierzulande das Ziel unbelasteter Gewässer nicht erreicht.

Benötigt wird laut UBA zukünftig ein regelmäßiges Monitoring kleiner Gewässer und eine systematische Erhebung der Pestizid-Anwendungsdaten, um Schutzmaßnahmen verbessern zu können. Schon heute sei aber klar, dass Gewässer-Randstreifen überall eingerichtet werden sollten.

Die Untersuchung legt nahe, dass die gültigen Zulassungsverfahren für Pestizide die tatsächlichen Belastungen deutlich unterschätzen. Das UFZ-Team kritisiert denn auch, es gebe zahlreiche Lücken in der Zulassung und zu viele Ausnahmen bei den Maßnahmen, die die Gewässer eigentlich schützen sollen.

Neues Wissen über die Risiken der einzelnen Wirkstoffe oder neue Bewertungsmethoden werde nicht schnell genug auch auf bereits genutzte Pestizide angewendet. Bei der Zulassung würden bisher mögliche Umweltauswirkungen zwar betrachtet, allerdings nur auf Basis von Modellannahmen und Laborversuchen. Das Monitoring zeige nun, dass die tatsächliche Belastung deutlich höher sein könne.

 

Es gibt aber auch positive Nachrichten zum Thema Pestizide und Wasser. So macht das UBA in einem weiteren Beitrag zur "Pflanzenschutzmittelverwendung in der Landwirtschaft" darauf aufmerksam, dass die Funde von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen sind.

Danach haben bei Messungen zwischen 2013 und 2016 – jüngere Daten liegen nicht vor – nur noch etwa 3,8 Prozent der Proben im oberflächennahen Grundwasser den gesetzlichen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter bei mindestens einem Wirkstoff überschritten.

Der Rückgang sei vor allem auf weniger Funde von inzwischen verbotenen Mitteln wie Atrazin und seinen Abbauprodukten zurückzuführen. "Moderne Pflanzenschutzmittel treten deutlich seltener im Grundwasser auf als ältere", so das UBA.

Sowohl die EU als auch die Bundesregierung haben sich eine Verminderung des Pestizideinsatzes zum Ziel gesetzt.